Kreativer Gegenpol der Beatles

30.08.2013
Die Arbeit mit den "Fab Four" machte ihn berühmt. Aber George Martin war vielseitiger: als Jazz-, Klassik- und Comedy-Produzent. Die zehn Beatles-Jahre füllen deshalb nur einen Teil seiner amüsanten Autobiografie, die nun endlich ins Deutsche übersetzt wurde.
Bekannt wurde er als der Produzent der Beatles. Doch dass das Berufsleben von Sir George Martin weit mehr als die zehn Jahre mit den Musikern aus Liverpool beinhaltet, beweist seine Autobiografie, die 24 Jahre nach der Erstveröffentlichung nun endlich auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Darin erzählt er seinen musikalischen Werdegang, der bereits 1950 als Assistent im Klassikbereich des großen britischen Musikkonzerns EMI begann.

Von Klassik bis Comedy
Martin, der Komposition und klassische Musikorchestration studiert hatte, durfte in den darauffolgenden Jahren Aufnahmen von Jazzbands und klassischen Orchestern betreuen, ehe er das kleine Label Parlophone übernahm, das überwiegend Comedyproduktionen von Peter Ustinov und Peter Sellers veröffentlichte.

Als ihm im April 1962 ein Schallplattenhändler und Musikmanager aus Liverpool eine blutjunge Nachwuchsband vorstellte, die von allen anderen großen Firmen abgelehnt worden war, nahm George Martin die Gruppe für sein Label nicht ohne eine gewisse Vorahnung unter Vertrag. Diese sollte sich alsbald als richtig erweisen und ihn zum wichtigsten Produzenten der Popgeschichte machen. Martin wurde zum Arrangeur und kreativen Gegenpol der Beatles, die ohne seinen klassischen Hintergrund wohl kaum experimentelle Aufnahmen wie auf ihren Alben "Revolver" und "Sergeant Pepper" zustande bekommen hätten. Eine Zeit, über die Martin sehr unaufgeregt und fast bescheiden berichtet, ohne seinen Anteil an der Entstehung der Hits zu untertreiben. Als überraschendes Resümee seiner Karriere benennt Martin allerdings nicht das Beatles-Album "Sergeant Pepper" als sein bestes Werk, sondern eines mit der semi-klassischen Gruppe Winter Consort.

Die Arbeit mit den Beatles füllt dann auch nur einen Teil des Buches, das ebenso umfangreich Auskunft über seine Produktionen mit Comedy- und Klassikstars gibt. Daneben erklärt Martin die Entwicklung der Studiotechnik seit den 1950er-Jahren, viele Details zur Tätigkeit eines Musikproduzenten, offenbart Einzelheiten aus Plattenverträgen und seine Einschätzung der damals aktuellen Musikszene.

Informativ und mit britischem Humor
Auch wenn er dabei mit seinen akribischen Erklärungen zuweilen ein wenig zu tief in die technische Seite seines Berufs eindringt und sich stellenweise darin verliert, finden sich doch sehr lehrreiche und informative Passagen über die Entwicklung der Hi-Fi-Technik und die Arbeit an einer Schallplattenproduktion.

Die typische Zurückhaltung eines englischen Gentlemans gibt Martin nur an wenigen Stellen des Buches auf; sie betreffen das Verhältnis zu seinem Arbeitgeber, der EMI. Die speiste ihren wohl wichtigsten Produzenten, der alle Beatles-Platten gewinnbringend betreut hatte, mit einer geradezu beschämenden Beteiligung ab, was 1965 zur Gründung seiner eigenen Produktionsgesellschaft und 1970 zu eigenen Studios führte.

Die Autobiografie von Sir George Martin schildert auf unterhaltsame Weise, mit typisch britischem Humor, viele amüsante Anekdoten aus unzähligen Aufnahmesessions mit den Beatles, Cilla Black, America und vielen anderen Stars der Musikszene; auch an die Marotten mancher von ihnen wird mit Feingefühl erinnert. Darüber hinaus ist das Buch eine lehrreiche Rückschau auf gut 30 Jahre Musikgeschichte.

Besprochen von Uwe Wohlmacher

George Martin (mit Jeremy Hornsby): Es begann in der Abbey Road - Der geniale Produzent der Beatles erzählt
Aus dem Englischen von Alan Tepper
Hannibal Verlag, Innsbruck 2013
336 Seiten, 24,99 Euro
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