Kraftwerk gegen Moses Pelham

EuGH-Urteil erlaubt Sampling − unter bestimmten Bedingungen

06:25 Minuten
Auf der Bühne stehen die 4 Mitglieder der Band Kraftwerk an Keyboards. Im Hintergrund werden ihre Schatten auf die Leinwand projiziert.
Pioniere der elektronischen Musik wehren sich gegen Sampling: die Band Kraftwerk. © Imago / CTK Photot / Ondrej Deml
Frédéric Döhl im Gespräch mit Mathias Mauersberger · 29.07.2019
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Im Rechtsstreit zwischen Moses Pelham und Kraftwerk hat der Europäische Gerichtshof entschieden: Sampling ist erlaubt, wenn man die Musikprobe nicht erkennt oder ein neues Werk entsteht. Das Urteil widerspricht aber auch deutschem Recht.
Es geht um zwei Sekunden. Zwei Sekunden Musik aus dem Stück "Metall auf Metall" von Kraftwerk, 1977 erschienen. 20 Jahre später verwendete es Moses Pelham in dem Lied "Nur mir" von Sabrina Setlur. Kraftwerk klagte dagegen wegen Urheberrechtsverletzung. Der Bundesgerichtshof gab der Band Recht, 2016 urteilte das Bundesverfassungsgericht für Pelham.
Jetzt hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Sampling erlaubt sei, wenn es "in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in ein neues Werk" eingefügt wird. Außerdem könnten Musikfragmente übernommen werden, "um ein neues und davon unabhängiges Werk zu schaffen". Dies sei bei Pelhams Song der Fall.
Unter bestimmten Bedingungen könne die Nutzung eines Audiofragments auch ein Zitat sein, besonders wenn es Ziel sei, mit dem Werk zu interagieren. Frédéric Döhl, Musikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, erklärt, dass Ausnahmen nur dann nur zulässig seien, wenn es sich um eine Parodie, eine Karikatur oder ein Pastiche handelt. Das Stück "Nur mir" sei jedoch weder Parodie noch Karikatur. "Keiner weiß, was ein Pastiche ist", sagt Döhl. Dazu gebe es ganz unterschiedliche Meinungen.
Das Urteil widerspricht ausdrücklich dem deutschen Recht, dass ein Werk, das sich bei anderen bedient, grundsätzlich ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht werden darf. Das sei mit dem EU-Recht nicht vereinbar. "Das heißt, dass wir das Bearbeitungsrecht und den Interessensausgleich völlig neu denken müssen", sagt Döhl. "Und das wird für die Musikindustrie und alle Künste darüber hinaus Auswirkungen haben."
(leg)
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