Korruptionsskandal

"Die FIFA ist ein korrupter Haufen"

Mann vor FIFA-Logo in Zürich
Das Hauptquartier der Fifa in Zürich stand im Mittelpunkt der Razzia der Schweizer Polizei © dpa / picture alliance / Steffen Schmidt
Thomas Feltes im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 28.05.2015
Der Kriminologe Thomas Feltes ist nach den Festnahmen von FIFA-Sportfunktionären in Zürich gespannt, wen die Schweiz an die USA ausliefern wird. Er hofft auf einen Rücktritt des FIFA-Chefs Joseph Blatter und Aufklärung der Korruptionsvorwürfe.
Da beide Länder Ermittlungsverfahren führten, sei jetzt die Frage, wie sie sich einigten, der Kriminologe Thomas Feltes im Deutschlandradio Kultur. Es sei seit vielen Monaten klar gewesen, dass die US-Behörden ebenso wie die Schweizer ermittelten, sagte der Professor an der Universität Bochum. Ihm sei der jetzige Zeitpunkt für die Festnahmen eher spät erschienen. Das sei so zu erklären, dass jetzt alle Verdächtigen vor Ort gewesen seien und die Ermittlungsbehörden sie einfach hätten einsammeln können. Er glaube, dass das gesammelte Material nun ausreiche, um einige Fifa-Funktionäre vor Gericht zu stellen, sagte Feltes.
Fifa braucht einen Neuanfang
"Die FIFA sitzt auf einem so hohen Ross, dass sie eben auch alle Warnhinweise im Vorfeld überhaupt nicht ernst genommen hat", sagte Feltes. "Wenn man das getan hätte, hätte man vielleicht noch die Kurve bekommen. Jetzt ist es definitiv zu spät." Feltes sagte, er finde es gut, dass jetzt offizielle Stellen, wie die Staatsanwaltschaft und Justiz, ermitteln und es kein internes Verfahren der FIFA mehr bleibe. "Denn irgendwann einmal muss die Welt erkennen und eben nicht nur Deutschland und Europa und die USA, sondern auch die anderen weltweit, dass die Fifa eben ein korrupter Haufen ist." Sie brauche einen Neuanfang.
Forderung nach Blatters Rücktritt
Der FIFA-Chef Joseph Blatter könne sich nicht das Image eines Aufklärers zulegen, sagte Feltes. Er könne sich nur aus der Affäre ziehen, wenn er jetzt zurücktrete, um das Feld für eine ordentliche Aufklärung freizumachen. "Er muss einfach dem Fußball den Gefallen tun, zurückzutreten, damit die Glaubwürdigkeit in diesen Sport wiederhergestellt wird", sagte der Kriminologe. "Es kann nicht schlimmeres passieren, als das die zukünftigen Vergaben von Weltmeisterschaften ständig unter diesem Schirm des Verdachtes der Korruption stehen." Dann werde kein demokratisches Land mehr eine Weltmeisterschaft ausrichten. Feltes sagte, dass er hoffe, dass Blatter noch soviel Realitätssinn besitze, dass er jetzt irgendwann zurücktrete.

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Sichtschutz an einem Züricher Hotel, als die Schweizer Polizei gestern hohe Funktionäre der FIFA, des Weltfußballverbandes festnahm und auch die Büros durchsuchte. Ihnen droht nun Auslieferung an die USA, wo gegen sie ermittelt wird. Es geht um Bestechlichkeit, Selbstbereicherung, Korruption, Geldwäsche – von 100 Millionen Dollar ist die Rede. Beim Verkauf von Fernsehrechten soll es, vorsichtig ausgedrückt, nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, und auch die Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland und Katar stehen unter Korruptionsverdacht. Der Bochumer Kriminologe Professor Thomas Feltes, der beschäftigt sich seit längerem mit Fußball und Korruption, auch mit Wettbetrug im Fußball und ist jetzt am Telefon. Herr Feltes, schönen guten Morgen!
Thomas Feltes: Ja, schönen guten Morgen!
von Billerbeck: Die FIFA hat ja schon seit Längerem keinen guten Ruf. Haben Sie als Kenner der Materie die gestrigen Ereignisse also gar nicht überrascht?
Feltes: Ich denke, weder mich noch viele andere, die sich mit der FIFA intensiver beschäftigt haben, konnte das überraschen. Es war seit vielen Monaten klar, dass sowohl die Schweizer Behörden als auch die amerikanischen Behörden ermitteln. Der Zeitpunkt jetzt war für mich relativ spät, erklärt sich aber natürlich aus der Tatsache, dass man eben alle Beschuldigten dort schön vor Ort vorfinden konnte und quasi nur einzusammeln brauchte.
von Billerbeck: Wenn man sich die Vorwürfe anguckt – Sie haben sich ja schon seit längerem damit beschäftigt – wie handfest sind die, wann war Ihnen klar, dass da was bevorsteht?
Feltes: Ich denke, wenn Schweizer Staatsanwaltschaften und auch amerikanische Staatsanwaltschaften dort ermitteln, dann machen sie das sehr gründlich. Und es wurde vor allem eben auch von Kolleginnen und Kollegen von Ihnen, also von Journalisten, in den letzten Jahren so viel Material zusammengetragen, dass es im Grunde genommen klar war, dass irgendwann auch einzelne dieser Puppen fallen müssten, die dort beteiligt sind. Und das ist jetzt geschehen, es haben eben einige ausgesagt.
Und durch die Beweismittel, die man jetzt auch in der Schweiz findet, und mit dem, was man in den USA schon gesammelt hat, glaube ich, dass es tatsächlich ausreichen wird, um zumindest einige dieser Personen oder auch noch andere, was ja auch angekündigt worden ist, vor Gericht zu stellen. Spannend wird es jetzt sein, wie sich Schweiz und die USA einigen, denn beide führen ja ein Ermittlungsverfahren gegen möglicherweise die gleichen Beschuldigten und beide würden gegebenenfalls die haben wollen. Also, ich bin mal sehr gespannt, ob die Schweiz ausliefert, und wenn ja, wen sie ausliefert.
Intransparenz bei der Fifa
von Billerbeck: Es gab ja einen Bericht des einstigen Mitglieds der FIFA-Ethikkommission, Michael J. Garcia, diesen Bericht über 400 Seiten. Der hat darin untersucht, was in der FIFA alles schief gelaufen ist. Dieser Bericht wurde aber bisher nicht veröffentlicht. Das soll jetzt passieren, wir wissen es aber nicht genau. Garcia ist ja damals von seiner Funktion zurückgetreten. Sind die Folge jetzt, diese Verhaftungen eine Folge der ganzen Nichttransparenz in der FIFA?
Feltes: Ich denke schon, dass es die amerikanische Justiz sehr geärgert hat, dass Herr Garcia, der ja dort eng verwoben ist, quasi so von der FIFA abgespeist worden ist. Das war sicherlich ein Punkt, dieses Mafia-System FIFA noch intensiver anzusehen. Und die FIFA sitzt auf einem so hohen Ross, dass sie eben auch alle Warnhinweise im Vorfeld überhaupt nicht ernst genommen hat. Wenn man das getan hätte, hätte man vielleicht noch die Kurve bekommen. Jetzt ist es definitiv zu spät.
Der Bericht selbst wird wohl nicht veröffentlicht werden, weil dort personenbezogene Details enthalten sind. Ich habe damals schon bei der Veröffentlichung gefordert, dass der Bericht eben eins zu eins an die Polizei gehen muss und die eben dann dort – also an die Schweizer Polizei, die dann anhand dieses Berichtes eben ermittelt. Ich gehe mal davon aus, dass die Schweizer Polizei den Bericht inzwischen hat. Und die Rolle, die dabei der deutsche Richter Eckert gespielt hat, ist sicherlich nicht eine, wo man sagen kann, er hat sich mit Ruhm bekleckert.
von Billerbeck: Erklären Sie uns das bitte genauer.
Feltes: Ja nun, es ist ganz offensichtlich so gewesen, dass er quasi einen Freibrief ausgestellt hat für die FIFA, warum auch immer. Möglicherweise sah er nicht genügend wirklich strafrechtlich relevante Aspekte drin, aber das, was Garcia gesagt hat, auch nach diesem Bericht, ist, glaube ich, eindeutig. Und insofern finde ich es jetzt gut, dass eben offizielle Stellen wie die Staatsanwaltschaft und die Justiz ermitteln und es kein internes Verfahren mehr bleibt. Denn irgendwann mal muss die Welt erkennen, und eben nicht nur Deutschland oder Europa und die USA, sondern auch die anderen weltweit, dass die FIFA eben tatsächlich ein korrupter Haufen ist und dass es hier im Grunde genommen nur darum gehen kann, die Dinge vom Boden auf den Kopf zu stellen und neu anzufangen.
Blatter soll das Feld freimachen
von Billerbeck: Die Welt mag es erkennen. Bei der FIFA sieht das ein bisschen anders aus. Da gab es ja gestern eine Pressekonferenz, und da hat der FIFA-Pressesprecher Walter de Gregorio das gesagt:
Walter de Gregorio: Die FIFA begrüßt diesen Prozess und kooperiert voll mit der Bundesanwaltschaft und dann entsprechend auch mit dem Bundesamt für Justiz.
von Billerbeck: Ist das sozusagen schon die Intonation der Richtung, die die FIFA jetzt unter Sepp Blatter einschlagen will? Der will sich ja bekanntlich als Präsident wiederwählen lassen. Mit diesem, gut, was passiert ist, damit nicht das im Gedächtnis hängen bleibt, was zum Beispiel der UEFA-Präsident Michel Platini gesagt hat, wir haben einen Diktator auf Lebenszeit, sondern Blatter, der Aufklärer?
Feltes: Ja, ich denke, dieses Image kann er sich nicht beschaffen. Das kann er nur dann, sich einigermaßen aus der Affäre ziehen, wenn er wirklich jetzt zurücktritt mit der Behauptung, er hätte damit nichts zu tun, aber er würde quasi das Feld freimachen für ordentliche Aufklärung. Das ist ja auch das, was Reinhard Rauball gefordert hat und was wir schon vor vielen Monaten auch gefordert haben. Er muss einfach dem Fußball den Gefallen tun, zurückzutreten, damit die Glaubwürdigkeit in diesem Sport wiederhergestellt wird.
Denn es kann nichts Schlimmeres passieren, als dass die zukünftigen Vergaben von Weltmeisterschaften ständig unter diesem Schirm des Verdachtes der Korruption stehen. Dann wird kein Land mehr, das auch nur einigermaßen demokratisch organisiert ist, eine Weltmeisterschaft ausrichten. Und irgendwann wird dann eben nicht nur die Weltmeisterschaften, sondern auch andere Turniere werden im Grunde genommen vor die Wand gefahren sein. Das darf nicht sein. Blatter muss die Konsequenzen ziehen, und ich hoffe, dass er noch so viel Realitätssinn besitzt in seiner goldenen Kugel, dass er das jetzt irgendwann tut.
von Billerbeck: Also die FIFA wird nicht einfach ihren Kongress abhalten und so weitermachen können wie bisher?
Feltes: Ich fürchte, sie wird es tun, aber man kann durchaus – es geht ja dabei auch immer darum, das Gesicht zu wahren. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass man jetzt alles noch mal durchsieht, auf Hauen und Stechen, und dann nach einigen Monaten, wenn ein bisschen die Wellen abgeklungen sind, dann Konsequenzen zieht und Blatter dann zurücktritt und dann man versucht, einen Neuanfang zu finden, weil der Druck von UEFA und auch von nationalen Verbänden wie dem DFB und dem der DFL ist inzwischen so stark, dass man, glaube ich, nicht anders kann.
von Billerbeck: Thomas Feltes, Kriminologe an der Universität Bochum, über die Ermittlungen und die Folgen für den Weltfußballverband FIFA.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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