Konzertprojekt zu Völkermord an den Armeniern

"Die EU steht nicht zu ihren Werten"

Eine Gruppe armenischer Flüchtlinge aus dem osmanischen Reich sitzt im Jahr 1915 in Syrien auf dem Boden.
Mehr als eine Million Armenier fielen dem Völkermord im damaligen Osmanischen Reich 1915 zum Opfer. Die Türkei lehnt es ab, von Genozid zu sprechen. © picture-alliance / dpa / Library of congress
Helga Trüpel (Grüne) im Gespräch mit Anke Schäfer und Christopher Ricke · 25.04.2016
Die EU hat ein Konzertprojekt der Dresdner Sinfoniker zum Völkermord an den Armeniern gefördert. Doch nun steht Brüssel plötzlich nicht mehr dazu. Offenbar, weil die Türkei interveniert hat. Europa sei eingeknickt, kritisiert die grüne Europapolitikerin Helga Trüpel.
Nach Protesten des türkischen Botschafters hat die EU-Kommission die Ankündigung zu dem Projekt von ihrer Webseite genommen. Denn nach Auffassung der Türkei und entgegen allen bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen war das Massaker an den Armeniern 1915 kein Genozid. Die Vizepräsidentin des Kulturausschusses im Europäischen Parlament, Helga Trüpel (Grüne), ist über die EU empört: "Es ist vor allem nicht ein Stehen zu den eigenen Werten."
"Man muss sich eindeutig für die Position der Meinungs- und Kunstfreiheit entscheiden. Ich finde es inakzeptabel und völlig falsch, dass die Kommission jetzt den Weg gewählt hat, diesen Ankündigungstext von ihrer Webseite herunterzunehmen. Das muss dringend wieder geändert werden."
Die Türkei darf nicht in einen Spielplan eingreifen
Das Projekt, das die EU mit 200.000 Euro unterstützt habe, diene der Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern, es sei ein "Angebot zur Verständigung und ein Stück sogar zur Versöhnung", sagte Trüpel. "Aus meiner Sicht wäre die Türkei gut beraten, wenn sie diese dunkle Seite ihrer Geschichte wirklich aufarbeiten würde und selber zu einer Versöhnung beitragen. Dass die Kommission hiervon Abstand nimmt, anstatt die europäischen Werte hochzuhalten, das kann ich nur entschieden kritisieren."
Dass das Konzertprojekt bei seiner Berliner Premiere 2015 kein Aufreger war, liegt nach Einschätzung Trüpels an einer gesteigerten Empfindlichkeit auf türkischer Seite. Man schaue "viel genauer" hin. Darum sei es gerade wichtig, Einflussnahme deutlich zurückzuweisen: "Die Türkei (...) hat nicht in irgendeiner Weise das Recht, in den Spielplan eines Sinfonieorchesters (…) einzugreifen."
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