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Misslungene Eigenheimförderung in Biberach
Bauruine statt Eigenheim

Mit einem verlockenden Angebot wollte die Stadtverwaltung im oberschwäbischen Biberach Familien locken: Günstige Eigenheime quasi als Komplettpaket. Herausgekommen sind bei vielen Familien aber keine Traumhäuser, sondern Bauruinen.

Von Thomas Wagner | 29.05.2019
Dachkonstruktion auf einer Baustelle für ein Einfamilienhaus (Symbolbild)
Rohbau statt Traumhaus: Nach einer Insolvenz der Baufirma sind viele der Eigenheime Bauruinen. (Symbolbild) (picture alliance)
Treffen in einem Straßencafé in der Altstadt von Biberach, bekannt durch die mittelalterlichen Häuserfassaden: Nur allzu gerne hätten Andreas Kopf und Xufeng Kong ins Wohnzimmer ihres Eigenheims eingeladen. Das allerdings ist nicht möglich:
"Wegen dieses Baudramas, der sich schon seit zwei Jahren hinzieht am Jersey-Weg."
"Also mein Haus besteht im Grunde genommen nur aus einem Rohbau. Und der ist auch noch wasserundicht mit Fenstern, die sowieso wieder raus müssen."
"Preiswertes Wohnen für Familien"
Für die beiden Familienväter Andreas Kopf und Xufeng Kong ist der Traum vom Eigenheim längst zum Alptraum geworden. Dabei hatte damals, im Herbst 2015, alles so schön begonnen, als die Stadt Biberach in guter Absicht ein besonderes Programm auf den Weg brachte:
"Darum geht’s: Preiswertes Wohnen für Familien zu ermöglichen, kleine Grundstücke, relativ günstige Preise dafür, und dann auch Häuser zu realisieren, die dann preiswert gebaut werden können."
... erinnert sich Baubürgermeister Christian Kuhlmann. Inhalt des Programms: Die Stadt verkauft städtische Grundstücke an interessierte Familien – und vermittelt "Huckepack" auch noch den Architekten und den Bauunternehmen mit dazu. Und das für rund 320.000 Euro pro Reihenhäuschen, angesichts der Immobilienpreise in Oberschwaben ein regelrechtes Schnäppchen. Als Andreas Kopf und Xufeng Kong von dem Programm erfuhren, waren sie regelrecht begeistert, bewarben sich - und bekamen von der Stadt den Zuschlag. Allerdings: Wenige Monate nach Baubeginn kamen die ersten Zweifel. Andreas Kopf:
"Also, das lief alles so unrund, dass es zeitlich nicht vorwärts ging, dann haben die Maße der Terrasse und der Stockwerke mit dem Wohnraum nicht so richtig zusammengepasst. Mitte August haben wir festgestellt: Die wollten diesen Balkon nicht mehr aus Beton bauen, was wir ursprünglich geplant haben. Die wollten das Dach aus Holz bauen, nicht mehr aus Beton. Also das sind lauter so komische Sachen."
Baufirma meldet Insolvenz an
Komische Sachen, die die Betroffenen alsbald in diverse Anwaltskanzleien führten – und ins Rathaus Biberach, wo das Programm "Günstiges Eigenheim für Biberacher Familien" ausgetüftelt worden war. Ergebnis: Die Stadtverwaltung schickte Gutachter auf die Baustellen. Ernüchterndes Ergebnis:
"Da wurden wir drauf aufmerksam gemacht, dass in den Ausbaugewerken große technische Probleme, qualitative Probleme auftraten. Und das stimmte. Das haben wir überprüft."
So Baubürgermeister Christian Kuhlmann – für die Stadt eine äußerst unangenehme Situation. War sie es doch, die Grundstücke, Architekten und Baufirma im Paket vermittelt hatte. Dann der Versuch, zu retten, was zu retten ist: Gespräche mit den betroffenen Bauherrn, mit der Baufirma, mit dem Architekten – vergebens. Das Bauunternehmen meldet Insolvenz an. Die betroffenen Bauherren haben statt eines Eigenheims – eine Bauruine. Xufeng Hong, Biberacher mit chinesischen Wurzeln:
"Ich bin nicht nur enttäuscht, ich bin eigentlich sauer auf die Stadt. Wir haben der Stadt auf Treu und Glauben geglaubt, dass das funktionieren würde. Und so sind wir in das Projekt eingestiegen."
"Die Betroffenheit der Hauskäufer können wir absolut nachvollziehen", betont Baubürgermeister Christian Kuhlmann. Nur: Dass die Stadt an alldem die volle Schuld trage, weist er zurück. Schließlich habe bei einer zweiten Reihenhauszeile mit demselben Konzept, aber mit anderem Bauträger alles bestens geklappt. Dennoch hat die Stadt nun jedem betroffenen Bauherren einen Zuschuss von 100.000 Euro angeboten, um die Bauruinen doch noch in schmucke Reihenhäuser zu verwandeln. Doch reicht das dafür aus? Bauherr Andreas Kopf:
"Leider überhaupt nicht. Was immer wieder vergessen wird, ist der juristische Schaden: Der beträgt nochmals 100.000 Euro. Rechtsanwälte, Gutachter."
Einfach "Pech gehabt"?
Hinzu kommt: Andreas Kopf muss bis zum heutigen Tag weiterhin Miete für seine alte Wohnung zahlen. Er und Xufeng Kong haben das städtische Angebot deshalb ausgeschlagen und fordern: Die Stadt müsse zum Schadensausgleich mehr beitragen. Die mag sich mit dieser Forderung aber nicht so recht anfreunden. Baubürgermeister Christian Kuhlmann:
"Wichtig ist mir immer wieder zu betonen: Die Stadt kann nur rechtlich dafür eintreten, was sie auch zu verschulden hat. Wir können nicht für ein privatrechtliches Versäumnis einer Baufirma eintreten. Das ist ganz einfach Pech gehabt."
Einfach nur Pech gehabt? Das ist für Andreas Kopf zu wenig. Denoch will er vorerst nicht vor Gericht gehen, sondern hofft vielmehr auf eine gütliche Einigung mit der Stadt, der er im Zuge des Projektes schließlich voll vertraut habe:
"Man lässt Familien, wenn man so ein Projekt ausruft, da einfach so eiskalt stehen. Also das klingt dann schon schrill in den Ohren der Bürger."