Kontroverse zwischen Ulrike Guérot und Michael Bröning

Hat der Nationalstaat eine Zukunft?

Flaggen bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang
Jede Menge Flaggen, Symbol für Zugehörigkeit, aber auch Ausgrenzung: Brauchen wir ihn noch, den Nationalstaat? © imago sportfotodienst
Moderation: Stephanie Rohde · 13.05.2018
Migration, Datenschutz, Klimawandel, soziale Spaltung: Globale Probleme scheinen manchmal kaum lösbar zu sein. Ist der Nationalstaat für die Beantwortung transnationaler Fragen zum Hindernis geworden? Oder aber weiterhin das einzig vernünftige Modell?
Müssen wir den Nationalstaat überwinden oder ihn stärken? Unterschiedlicher könnten die Perspektiven von Ulrike Guérot, Direktorin des European Democracy Lab, und Michael Bröning von der Friedrich-Ebert-Stiftung kaum sein. Im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur skizzierten beide ihre philosophisch-politischen Konzepte.
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot bei der Veranstaltung Democracy Lecture 2017 im Haus der Kulturen der Welt am 28.06.2017
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot© imago stock&people
Ulrike Guérot ist überzeugt davon, dass "der Nationalstaat gerade vor unseren Augen dekonstruiert wird" und wir "die Republik wieder entdecken müssen" – so wie sie von "Platon, bei Aristoteles, bei Kant und Rousseau" vorgedacht worden sei. Nur so könne man der sozialen und politischen Spaltung im europäischen Raum wirkungsvoll begegnen.

"Das Nationale konfiguriert nicht mehr das politische Denken"

Michael Bröning hingegen hält es für "politisch brandgefährlich, den Nationalstaat überwinden zu wollen". Ihm zufolge ist der Nationalstaat das einzige Modell, dem es bislang gelungen ist, soziale Umverteilung erfolgreich zu organisieren: "Es gibt Nationalstaaten, die keine Sozial- und keine Wohlfahrtsstaaten sind, aber Sie werden auf der Welt kein Beispiel für einen Wohlfahrtsstaat finden, der kein Nationalstaat ist."
Glaubt an die Zukunft des Nationalstaats: Michael Bröning
Glaubt an die Zukunft des Nationalstaats: Michael Bröning© Copyright: Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Interessen einer rumänischen Putzkraft in England hätten mit denjenigen eines englischen Brexit-Befürworters überhaupt nichts gemein, hält Guérot dagegen. "Das Nationale konfiguriert nicht mehr das politische Denken", ist sie überzeugt und plädiert deshalb für ein Konzept der transnationalen Politik nach dem Motto "Politics tops Nations".

In welchem Rahmen können wir heute Heimat und Demokratie denken? Wie Rechtsgleichheit mit dem Bedürfnis nach kultureller Eigenheit vereinbaren? Und wie internationale Zusammenarbeit verbindlicher organisieren? Das sind weitere Fragen, die in unserem "Sein und Streit"-Gespräch ausführlich zur Sprache kamen.

Mehr zum Thema