Konsum in der DDR

Bückware und leckende Milchtüten

Konsum-Logo in Görlitz
Logo der DDR-Konsumgenossenschaft "Konsum" in Görlitz. © picture alliance / dpa / Foto: Peter Zimmermann
Von Jens Rosbach · 02.09.2015
Die Versorgung der DDR-Bevölkerung war, im Vergleich zu Westdeutschland, eine Mangelversorgung. Am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung ist dazu die Ausstellung "Kollektivverpflegung" zu sehen – mit Fotos aus der Konsumgenossenschaft.
DDR-Werbespot:"Tausend kleine Dinge machen erst das Leben schön. Viele kleine Dinge machen es erst angenehm. Mit 1000 kleinen Dingen aus ihrer Konsumgenossenschaft… "
So viel Harmonie gab's nur in der Konsum-Fernsehwerbung. Die nüchterne Verkaufsrealität klang anders. Massenhaft schepperndes Leergut, zurückgegebene Bier- und Brauseflaschen, die einen muffig-säuerlichen Geruch von sich gaben. Und: missmutige Verkäuferinnen, die tagaus tagein zeterten: Ham-wa-nich! Oder den Kunden anmotzten, man solle die Verpackung doch bitteschön von zu Hause mitbringen!
DDR-Radioaufnahme:"Und wo sind Ihre Tüten?! / Tüten? / Sind Sie nicht Verkäuferin, Fachverkäuferin? / Na und? Bloß gut, dass nicht alle Kunden so bequem sind wie Sie!"
Dieser Konsum-Dialog schaffte es sogar in eine Satiresendung des DDR-Radios. Kein Wunder: Bestimmte die Verkaufsgenossenschaft doch den Alltag eines jeden Ostdeutschen, schon seit 1945.
"In der damaligen Sowjetischen Besatzungszone hat die Sowjetische Besatzungsmacht die Konsumgenossenschaft eingesetzt, um die Lebensmittel zu verteilen."
So Andreas Ludwig, Historiker am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung.
"Lebensmittel und wichtige Verbrauchsgüter – wie Kohle und Kleidung und Schuhe – waren natürlich rationiert, schon seit dem Krieg und das lief über Marken, die man zugeteilt bekam und die man in Geschäften einlösen konnte, so die Dinge im Laden noch vorhanden waren."
Ludwig hat in einem Berliner Konsum-Archiv tausende Fotos entdeckt: schwarz-weiß-Bilder, die einst für Dokumentations- und Werbezwecke eingesetzt wurden. Das Besondere: Die Abbildungen sind wenig propagandistisch; sie spiegeln jede Menge Einkaufs-Tristesse wider. So zeigt ein Foto eine typische Menschenschlange vor einem Weintrauben-Stand. Ein anderes Bild verdeutlicht das unverhältnismäßig breite Alkoholangebot im DDR-Konsum: endlose Reihen von Weinbrand, Likör- und Wodkasorten. Trotz Mangelwirtschaft – Schnaps gab‘s immer.
Rund fünf Millionen Genossenschaftsmitglieder
Meine Erinnerungen ranken sich vor allem um Milch, die in dünnen Plaste-Beuteln abgefüllt war – und gern leckte. Wer einen löchrigen Beutel erwischte, der zog eine Milchtropfen-Spur bis zu seiner Wohnungstür. Und dann gab es noch die "Konsum-Marken". Die rund fünf Millionen Genossenschaftsmitglieder erhielten bei jedem Einkauf grüne, blaue, rote und schwarze Rabattmarken, die in ein handgroßes "Konsum-Heft" eingeklebt werden mussten. War es voll, bekam man Bargeld zurück – mitunter im Wert einer Weihnachtsgans.
Noch prägender war aber das, was es nicht gab. Tag für Tag ging es auf Einkaufs-Jagd, um etwas – zufällig - zu ergattern.
DDR-Radioaufnahme: "Mutti, guck mal, die Leute haben Ketchup im Wagen! / Dann saus doch mal los! / Ich hab gleich acht Flaschen geschnappt!"
Der Konsum war eine Konkurrenz zur staatlichen HO: Handelsorganisation. Beide Verkaufseinrichtungen wurden aber ab den 60er-Jahren vom selben Großhandel versorgt - bzw. unterversorgt. Mit entsprechenden Kundenbeschwerden – mit denen sich das SED-Politbüro immer wieder auseinandersetzen musste.
"Zum Beispiel gab es 1977 eine berühmte Kaffeekrise, der Weltmarktpreis für Kaffeebohnen stieg und die meisten Bohnen kamen eben aus Südamerika und mussten in Dollar bezahlt werden. Das führte dazu, dass das Politbüro beschloss, dass der Anteil an Zichorie, also an Malzkaffee steigt. Da wurde Getreide benutzt als Substitut und der Kaffeegehalt sank, die Kaffeepreise stiegen. Das hat sofort zu Ärger geführt – vor allem im sächsischen Raum, was das Kaffeeland ist."
Das Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung zeigt in seiner Fotoausstellung nicht nur den typischen Verkaufsalltag. Sondern auch Eindrücke von tristen Fabriken, die dem Konsum angeschlossen waren, wie Backwaren- oder Schuhfabriken, und öde Dorf-Gaststätten, die die Genossenschaft betrieb. Es handelt sich um körnige Bilder von bröckelnden Fassaden, von melancholischen Orten im ostdeutschen Nirgendwo. Aufnahmen, die es nie in die offiziellen Medien geschafft haben – wo der Konsum, bis zum Ende der DDR, immer als Einkaufsparadies dargestellt wurde.
DDR-Werbespot: "1000 Kleine Dinge, braucht man jeden Tag im Haus. Ohne sie kommt man im Leben einfach nicht mehr aus. Mit 1000 kleinen Dingen aus ihrer Konsumgenossenschaft…"


Weitere Informationen zu der Ausstellung "Kollektivverpflegung" finden Sie auf der Homepage.