Kongress europäischer Rechtspopulisten

Im Abwehrkampf gegen die freie Presse

Beatrix von Storch beugt zu Marcus Pretzell herüber.
Rechtspopulisten aus Deutschland im Europaparlament: Beatrix von Storch und Marcus Pretzell © dpa / EPA / Patrick Seeger
Georg Link im Gespräch mit Nana Brink · 16.01.2017
Von einer Konferenz der europäischen Rechtspopulisten sollen nur ausgesuchte Journalisten berichten, kritischen Geistern wird der Zutritt verweigert. Auch der SWR-Journalist Georg Link muss draußen bleiben. Das habe mit Demokratie und freier Presse nicht mehr viel zu tun, kritisiert er.
Am 21. Januar wollen sich die europäischen Rechtspopulisten in Koblenz treffen. Veranstalter ist die Fraktion "Europa der Nationen und Freiheit" (ENF) des Europäischen Parlaments, und eingeladen wurde alles, was Rang und Namen in der rechtspopulistischen Szene hat, so die Französin Marine Le Pen (Front National), der Niederländer Geert Wilders (Partij voor de Vrijheid), der Italiener Matteo Salvini (Lega Nord) und AfD-Chefin Frauke Petry.
Ihr Ehemann Marcus Pretzell sitzt in der ENF-Fraktion und hat vorab dafür gesorgt, dass unliebsame Journalisten draußen bleiben. Ausgeschlossen von der Konferenz wurden die "GEZ-Medien", also alle öffentlich-rechtlichen Sender, das "Handelsblatt", eine "Spiegel"-Journalistin und ein "FAZ"-Autor.
Der SWR-Journalist Georg Link nennt den Vorgang "sehr erstaunlich". Erstaunlich auch deswegen, weil die Tore offenbar nicht nur AfD-kritische Berichterstatter geschlossen bleiben sollen. Unter den Journalisten, die nicht akkreditiert worden seien, gäbe es auch solche, die bisher noch gar nicht mit "pointierten" Berichten über die AfD aufgefallen seien, so Link. Die ausgeschlossenen Medien seien also willkürlich ausgewählt worden, kritisierte er:
"So ein bisschen a la Trump: 'You are fake news. Und Sie dürfen keine Fragen stellen.' Und jetzt sagt man halt: Die dürfen gar nicht rein."
Das Vorgehen der Kongress-Veranstalter habe mit Demokratie und freier Presse nicht mehr viel zu tun, betonte Link, der auch im Vorstand der rheinland-pfälzischen Landespressekonferenz sitzt. Der hat sich in einem offenen Brief an Pretzell gewandt. (ahe)


Das Interview im Wortlaut:

Nana Brink: Das wird ein Spitzentreffen der europäischen Rechtsausleger. Nächstes Wochenende treffen sich ranghohe Vertreter der ENF, das ist die Fraktion Europa der Nationen und Freiheit des EU-Parlaments, und dazu kommen wollen auch prominente Politiker der europäischen Rechten wie Marine Le Pen vom Front National oder Geert Wilders, aber auch AfD-Chefin Frauke Petry will dabei sein.
Massive Kritik gibt es jetzt schon im Vorfeld an den Akkreditierungsbedingungen für Journalisten. Sie sollen nämlich, zumindest die öffentlich-rechtlichen Medien - und auch andere Medien wie das "Handelsblatt" und "Der Spiegel" - keinen Zugang haben. Georg Link ist Fernsehjournalist beim SWR, Vorstand der Landespressekonferenz Rheinland-Pfalz, und ich grüße Sie jetzt.
Georg Link: Guten Morgen!
Brink: Sie haben sich beschwert. Was hat Sie besonders gestört?
Link: Besonders sauer waren wir eigentlich darüber, dass ausgesiebt wurde, persönlich, also man hat seitens der AfD oder von Herrn Pretzell gesagt, die "GEZ-Medien", so wird das genannt, also GEZ, die Gebühreneinzugszentrale, die frühere, die also die Gebühren erhebt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die "GEZ-Medien" müssten außen vor bleiben, und jetzt auch natürlich, Sie haben es ja eben auch in der Anmoderation erwähnt, vom "Spiegel" und vom "Handelsblatt" und anderen Medien. Und das ist schon sehr erstaunlich, dass man jetzt anfängt, einzelnen Journalisten die Akkreditierung, den Zugang zu dieser Tagung zu verweigern, das fanden wir schon mal wirklich sehr erstaunlich.

Die "GEZ-Medien" müssen draußen bleiben

Und dann, das zweite Erstaunliche ist, dass, wenn man sich akkreditieren wollte, dann einen Passus anzukreuzen hatte, wo drin stand: Mir ist bekannt, dass der Veranstalter mich jederzeit ohne Angaben von Gründen ausschließen kann von der Veranstaltung. Und das Dritte erscheint vor diesem Hintergrund schon fast als Petitesse: Man musste also seinen Presseausweis hochladen, komplett, Vorder- und Rückseite.
Das ist auch sehr ungewöhnlich, weil auf diesem Presseausweis steht zumindest mal beim Deutschen Journalistenverband, von dem ich den Presseausweis habe, die Privatadresse drauf. Bei allen anderen Veranstaltungen – ich mache das jetzt auch schon seit 30 Jahren, da muss man schlicht die Nummer von dem Presseausweis angeben und die ausstellende Behörde, und das ist es dann. Also, diese Kombination aus diesen drei Punkten ist schon sehr ungewöhnlich, und deswegen haben wir uns aufseiten der Landespressekonferenz Rheinland-Pfalz, deren Vorsitzender ich bin, entschieden, eine geharnischte Protestmail an Herrn Pretzell zu schicken, der die Akkreditierung zu verantworten hat.
Marine Le Pen, Jean-Marie Le Pen
Auch Marine Le Pen (hier im Bild mit ihrem Vater Jean-Marie Le Pen) will zu der Konferenz kommen© picture alliance / dpa / Silvere Gerard
Brink: Marcus Pretzell ist ja ENF-Fraktionsmitglied und Organisator, wie gesagt, dieser Veranstaltung. Ist dieses Procedere anders als sonst? Was haben Sie im Vorfeld erlebt?
Link: Ich habe noch nicht erlebt – also mit der AfD zum Beispiel, also hier jetzt in Rheinland-Pfalz selbst hatten wir mal vor einiger Zeit den Vorgang, dass die bei einem Parteitag, während des laufenden Parteitags bei einem Punkt die Presse ausgeschlossen haben. Da haben wir dann interveniert, und da hat man sich hinterher für entschuldigt sogar und hat gesagt, das sei, weil man noch nicht so geübt sei im Umgang mit der Presse. Und dann haben wir gesagt, okay. Aber dass man jetzt im Vorfeld wirklich hingeht und gezielt Kolleginnen und Kollegen ausschließt, also allein zwei Mitglieder der Landespressekonferenz und sagt, nee, du, Freund, schon mal gar nicht, und – das habe ich ehrlich gesagt noch nicht erlebt.
Brink: Haben die denn irgendeine Begründung geliefert?
Link: Nein, eine Begründung, die gibt es dafür nicht. Das wird einfach mitgeteilt ohne Angabe von Gründen, Sie sind nicht dabei, und fertig. Man hat dann nachgeliefert im Prinzip via Twitter, also den Kurznachrichtendienst, da hat man dann das unterfüttert und gesagt, gut, die "GEZ-Medien", das ist so ein neuer Begriff, den kannte ich bis dahin auch nicht als Ausschlussgrund, die kommen nicht hin, und dann auch die Begründung, dass also jemand, der einem auf den Tisch kotzen würde, dass man den ja nicht unbedingt zu sich nach Hause einladen würde. Das sind so die nachgeschobenen Begründungen via Twitter.

Absagen ohne jede Begründung

Wir selber haben – also ich hab eben gerade noch mal meinen Maileingang gecheckt, überhaupt keine Begründung gekriegt. Ich habe von den Kollegen, die abgelehnt worden sind, die Mails bekommen, das ist ohne Angabe von Gründen. Das sind auch Kollegen, die eigentlich bisher noch gar nicht pointiert auch über die AfD oder über die Rechtspopulisten berichtet haben.
Ich denke, das ist natürlich auch wieder möglicherweise auch eine Strategie, eine bestimmte Empörungswelle praktisch aufbranden zu lassen, indem man so eine Strategie fährt auch gegen Leute, die eigentlich noch gar nicht "auffällig" in Anführungszeichen geworden sind, jetzt besonders pointiert berichteten … Es ist wirklich einfach willkürlich mal gewählt, so ein bisschen à la Trump, "you are fake news", Sie dürfen keine Fragen stellen. Und jetzt sagt man halt, die dürfen gar nicht rein zu dieser Veranstaltung.
Brink: Aber nicht, dass Sie mich falsch verstehen jetzt, aber haben die als Veranstalter nicht auch Rechte, können die nicht dann auch bestimmen, wer daran teilnehmen darf und wer nicht?
Geert Wilders, Vorsitzender der rechtspopulistischen Partei für die Freiheit
Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders warnt regelmäßig öffentlichkeitswirksam vor der Islamisierung Europas - auch er will in Koblenz dabei sein© imago/Belga
Link: Da sind wir dann bei der Frage, was ist freie Presse, und was ist nicht freie Presse. Wenn wir also jetzt sagen, man darf bestimmte Gruppen von der Berichterstattung ausschließen, dann hat das mit Pressefreiheit, freier Presse und letztendlich mit unserer Demokratie, finde ich, nicht mehr allzu viel zu tun.
Brink: Was haben Sie denn für eine Handhabe?
Link: Was meinen Sie denn mit Handhabe?
Brink: Was kann man dagegen tun, wenn Sie sagen, was bedeutet denn das für die politische Berichterstattung, also was tut man dagegen, was kann man tun?
Link: Schlussendlich, wie Sie schon sagen, sie haben natürlich das Veranstaltungsrecht, sie sind Veranstalter, und wenn sie sagen, einzelne kommen nicht rein, dann haben sie natürlich gelitten, jetzt mal zum Beispiel für den SWR, wenn es heißt, für den Südwestrundfunk, es kommen von dieser Sendeanstalt keine Journalisten rein, dann kommen keine rein, dann kann man sich noch auf das Hilfsmittel, das jetzt angekündigt worden ist, eines Livestreams bedienen. Dann ist man aber nicht in der Halle drin. Das ist natürlich eine schwierige Situation. Ich hab da im Moment keine Lösung, wie das gehen soll.

Die lokale Zeitung darf zuhören

Man kann natürlich vor der Halle sich die Proteste angucken und darüber berichten, aber über den Kongress selbst, wenn Sie als Journalist nicht die Möglichkeit haben, da Augen- und Ohrenzeuge zu sein in der übrigens sehr großen Rhein-Mosel-Halle, die wir alle bestens kennen als Veranstaltungsort auch von größeren Parteitagen, dann können Sie natürlich keinen Bericht machen und können nicht sagen, wie das da vorgegangen ist. Dann können Sie noch andere Kollegen schalten oder die fragen, die dabei sind, also die lokale Zeitung, die "Rhein-Zeitung", die hat Zugang bekommen, die sind akkreditiert worden, dpa ja wohl auch. Also dann müssten Sie praktisch mit denen reden und die schalten oder wie auch immer Sie das dann auflösen.
Brink: Georg Link, im Vorstand der Landespressekonferenz Rheinland-Pfalz. Vielen Dank, Herr Link, für das Gespräch!
Link: Gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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