Kongoroman

Mathe-Nerd im Präsidentenbüro

Mathe, Mathematik, Formel, Formeln
Im Mittelpunkt des Romans steht ein junger Mann mit einem Faible für Mathematik. © dpa / pa / Constantini
Von Johannes Kaiser · 14.01.2014
Ein intelligenter junger Mann macht Karriere in der kongolesischen Regierung, teils mit skrupellosen Mitteln. Bofanes Roman ist eine bitterböse Satire auf die Herrschenden - mit einem märchenhaften Happy End.
Celio Matemona ist ein komischer Vogel. Alles beschreibt er mit mathematischen Begriffen, in Parabeln, Sinusbögen, Logarithmen. Seine Bibel ist ein Mathematikbuch. Obwohl er Waise ist wie die meisten seiner Bekannten, hatte er das große Glück, dank eines Paters Abitur machen zu können. Nur zum Hochschulbesuch fehlten ihm die Mittel. So schlägt sich Celio als Spendensammler für eine NGO und als Schreiber und "Gelegenheitsnotar" durch. Er lebt in einem kleinen Verschlag in einer großen Halle, Trennwand an Trennwand mit Dutzenden anderen.
Eines Tages verschafft ihm sein loses Mundwerk einen Job im Kommunikationsbüro der Regierung. Dessen Leiter Tshilombo ist der Chefideologe des Präsidenten, ein Mann fürs Grobe und mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Ihm ist Celios unorthodoxes Denken aufgefallen. Der neue Mitarbeiter soll überlegen, wie das Image des Präsidenten vor den anstehenden Wahlen verbessert werden kann. Celio schlägt gleich mehrere Bauernopfer vor: Die vom Präsidenten ausgehaltenen Oppositionspolitiker sollen mit Gerüchten, die das Fernsehen verbreitet, als sexgeil und geldgierig desavouiert werden.
Die Moral tritt in den Hintergrund
Celios Maßnahmen haben Erfolg, er ist fortan der Star des Büroleiters. Sein Leben nimmt eine dramatische Wendung: Celio tauscht das Klappbett mit dem Luxusapartment, das T-Shirt mit dem Armani-Anzug. Endlich, glaubt er voller Genugtuung, werden seine kreativen Fähigkeiten anerkannt und geschätzt. Da muss die Moral erst einmal zurücktreten. Am Ende, als ein getürkter Staatsstreich aus dem Ruder läuft, findet Celio sie allerdings wieder.
In Koli Jean Bofane erzählt nicht nur vom scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg des mathematikverliebten Celio und den schmutzigen Ranküren seines Chefs, eines Machiavelli im Westentaschenformat. Er stellt uns auch Leutnant Bamba vor, der für den Büroleiter die Schmutzarbeit erledigt, notfalls auch mordet. Skrupel kennt er nicht. Die hat er als Kindersoldat verloren. Allerdings hat er jetzt die Nase voll von solchen Jobs, möchte nur noch einen ruhigen Posten und ein friedliches Familienleben. Ein Zauberer soll ihm dazu verhelfen. Doch das geht gründlich schief.
Frauen spielen so gut wie keine Rolle
In Koli Jean Bofane verknüpft die Geschichten der drei Protagonisten miteinander, so dass deren Lebenswege zugleich die Geschichte des Kongos beleuchten. Geschickt baut er Spannung auf. Ein Wermutstropfen: Frauen spielen so gut wie keine Rolle im Roman. Sie sind Statistinnen: glutäugige Geliebte, raffinierte Ehefrau, gutmütige Mamma.
Bofane, 1954 im Kongo geboren, arbeitete in der Werbebranche und gründete 1991 einen Verlag für Essays und Comics. 1993 floh er vor dem Bürgerkrieg im Kongo nach Belgien. Er liebt Metaphern und eine kräftige, blumige Sprache. Mit viel Ironie karikiert er die Herrschenden und prangert ihre Intrigen an. Eine bitterböse Satire mit einem märchenhaften Happy End. Und ein Lesegenuss.

In Koli Jean Bofane: Sinusbögen überm Kongo
Aus dem Französischen von Katja Meintel
Horlemann Verlag, Berlin 2013
343 Seiten, 19,90 Euro