Konfliktherd

Auf dem Balkan blüht wieder der Nationalismus

Anhänger der Oppositionsparteien demonstrieren in Pristina gegen die Regierung.
Unruhige Balkan-Region: Demonstration in Pristina, Hauptstadt des Kosovo, gegen die Regierung. © picture alliance / EPA / Valdrin Xhemaj
Dusan Reljic im Gespräch mit Nana Brink · 09.02.2017
Der Konflikt auf dem Balkan schien längst überwunden - jetzt sprechen führende Politiker in Serbien bereits davon, bestehende Grenzen neu zu ziehen. Für den Politikwissenschaftler Dusan Reljic ist dieser Nationalismus eng mit der desolaten wirtschaftlichen Situation verknüpft.
Die Beziehungen der jugoslawischen Nachfolgestaaten auf dem Balkan sind so schlecht wie seit über zwei Jahrzehnten nicht. Im Balkan - in Bosnien, Serbien und Kosovo - denken führende Politiker darüber nach, Grenzen wieder neu zu ziehen und malen sogar die Gefahr eines neuen Krieges an die Wand.
Serbiens Staatsoberhaupt Tomislav Nikolic will im Falle eines Falles selbst an der Spitze der Armee ins Kosovo einmarschieren, weil dort die Albaner angeblich Krieg gegen die serbische Minderheit planen.

Die Konflikte waren immer da

Die Konflikte in der Region seien eigentlich nie verschwunden – die EU-Krise, die uns Mitteleuropäer so sehr beschäftige, habe aber die Aufmerksamkeit davon abgelenkt, sagt Dusan Reljic, Leiter des Brüsseler Büros des Think Tanks Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Das der Nationalismus in der Region blüht und gedeiht, wundert den Politologen nicht: Albaner lebten auf fünf Staaten verteilt und der wirtschaftliche Aufbau sei in Ländern wie Kosovo, Bosnien, Serbien und Albanien nicht gelungen – nur Länder wie Slowenien und Kroatien hätten stabile Verhältnisse schaffen können:
"Dort, wo es ein eindeutiges Ergebnis gegeben hat – zum Beispiel in Slowenien und Kroatien, das sind beides Staaten, die der Nato beigetreten sind, die in der EU sind und wo es eine große Identität zwischen politischen und ethnischen Grenzen gibt, das heißt, wenige Minderheiten – dort ist die politische Situation stabil."

Nationalismus führt kein "Eigenleben"

Für Reljic hängen Nationalismus und mangelnde wirtschaftliche Prosperität eng zusammen – Nationalismus führe "kein Eigenleben", sondern sei Ausdruck der sozialen und ökonomischen Verhältnisse. "Hätte es in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien ein Bruttosozialprodukt wie in der Schweiz gegeben, dann hätten die politischen Führer dort keine Chance gehabt." Und vermutlich wäre es nicht zum blutigen Krieg gekommen.
Die Europäische Union habe in den Balkan-Krisenländern eine große Anziehungskraft – die Mehrheit der Bevölkerung hätte gerne einen Beitritt ihres Landes und halte den EU-Raum für ein erstrebenswertes Wirtschaftsmodell. Die Menschen in Südosteuropa versprächen sich davon Integration und Wachstum, so Reljic.
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