Konflikte

Wie geht Frieden?

Frauen und Kinder malen ein Wandbild mit einer Taube an der Straße nach Planadas in Kolumbien.
Frieden schaffen - ein überaus mühseliger Prozess, sagt Konfliktforscherin Thania Paffenholz. © AFP/ Guillermo Legaria
Thania Paffenholz im Gespräch mit Ute Welty · 03.09.2016
Blutige und verfahrene Gewaltkonflikte erschüttern zahlreiche Länder. Wie man ihnen beikommen kann, damit beschäftigt sich ab heute der Global Peacebuilder Summit nahe Berlin. Es gibt sogar eine Art Friedensformel, sagt Konfliktforscherin Thania Paffenholz.
Syrien, Ukraine, Libyen - die Brutalität von Kriegen und Konflikt kennt viele Namen. Viele Jahre ziehen sich die Kämpfe meistens hin, oft ohne eine erkennbare Annäherung der Kontrahenten. Manchmal täuscht dieser Eindruck jedoch, erklärt Konfliktforscherin Thania Paffenholz, eine der Teilnehmerinnen des Global Peacebuilder Summit, der heute in Paretz bei Berlin beginnt.
In den Nachrichten werde nur berichtet, wenn ein Friedensabschluss oder etwas Dramatisches passiere und ansonsten herrsche Schweigen, so Paffenholz im Deutschlandradio Kultur. Dabei sei die Zeit dazwischen eigentlich die Phase, wo die Arbeit geschehe - wo Akteure beraten und Verhandlungsergebnisse vorbereitet würden. Dem Friedensabkommen in Kolumbien etwa seien vier Jahre zähe Verhandlungen vorausgegangen. "Das ist die harte Arbeit, die man leisten muss."

"Man ist oft sehr frustriert"

Frieden herzustellen sei ein mühseliger Prozess, für den man einen langen Atem brauche, so Paffenholz. "Man ist oft sehr frustriert, weil sich einfach ganz wenig bewegt. Da braucht man sehr viel Durchhaltevermögen." Zwar gebe es so etwas wie eine Friedensformel - Bedingungen, die die Bereitschaft zu Verhandlungen begünstigen.
Durch den Vergleich vieler Friedensprozesse wisse man, dass dies etwa dann eintrete, wenn die Parteien militärisch geschwächt seien oder autoritäre Regierungen durch Massendemonstrationen unter Druck stünden. Dennoch bleibe die Situation meist sehr komplex und abhängig vom politischen Willen der Akteure. Paffenholz: "Jedes Land oder jeder Akteur hat andere Möglichkeiten, sich hier einzusetzen."

Hier das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Bürgerkrieg, Völkermord, Gewalt gegen Frauen, ethnische oder religiöse Konflikte – so vielfältig die Gründe für Unfrieden sind, so vielfältig auch die Gründe, sich für Frieden einzusetzen. Und genau das tun die Forscher und Aktivisten, die sich ab diesem Wochenende in Paretz und in Berlin treffen, um dann in ländlicher wie auch in städtischer Umgebung genauer nachzudenken darüber, wie Frieden gestiftet werden kann. Am Global Peacebuilder Summit nimmt auch Thania Paffenholz teil. Die Konfliktforscherin war unter anderem beteiligt an UN-Missionen in Afrika und baute das Schweizer Kompetenzzentrum für Friedensforschung mit auf, das eben in der Schweiz auch den Außenminister berät. Guten Morgen, Frau Paffenholz!
Thania Paffenholz: Guten Morgen!
Welty: Am Ende dieses Treffens, wenn wir schon mal an das Ende denken, am Ende dieses Treffens von Friedensstiftern steht ja auch ein Treffen mit einem Außenminister, nämlich mit Frank-Walter Steinmeier. Wissen Sie jetzt schon, was Sie dem gerne sagen möchten?
Paffenholz: Ich glaube, es geht hier vor allem darum, bei dem Treffen mit dem Außenminister, noch mal klarzumachen, dass Friedensförderung auf verschiedenen Ebenen stattfindet, eben nicht nur auf der Ebene zwischen staatlichen Akteuren, Länder zu Länder oder Konfliktparteien zu Konfliktparteien, sondern dass eben zivilgesellschaftliche Akteure auch eine wichtige Rolle hier spielen. Und in dem Summit werden sich ja vor allem auch zivilgesellschaftliche Friedensstifterinnen und Friedensstifter treffen. Ich glaube, das ist eine zentrale Message. Das andere wird sicher auch sein, über die Rolle Deutschlands in der Welt zu reden und welchen Beitrag Deutschland als Nation, die auch sich für Friedensstiftung einsetzen möchte, dann dort wahrnehmen kann.
Welty: Welche Rolle ist das denn und welchen Teil kann Deutschland leisten?
Paffenholz: Ich denke, wir haben in Deutschland ja ein Land, das ein wichtiger Akteur ist im Rahmen der EU, im Rahmen der Organisation für Kooperation und Zusammenarbeit in Europa, der OSZE, wo ja auch der Außenminister selbst sich in dem Konflikt in Ukraine sehr aktiv eingesetzt hat. Oder Deutschland hat sich eingesetzt sehr aktiv auch für die Iran-Friedensgespräche. Und das war aber etwas, eine Neuheit im Grunde für Deutschland, weil Deutschland aufgrund seiner Historie sich ja bis vor, sage ich mal, vielleicht zehn Jahren oder so sehr zurückgehalten hat und eher im Rahmen der UN oder auch der EU ein verlässlicher Bündnispartner war und mit anderen mitgegangen ist. Und ich denke, Deutschland ist jetzt uns sehr positiv auch aufgefallen in den letzten Jahren durch mehr Eigeninitiative und auch mehr Dynamik, selbst eigene Beiträge zu leisten und den Frieden wirklich breiter abgestützt zu fördern.
Welty: Sie haben Frank-Walter Steinmeier angesprochen und sein Engagement in Sachen Ukraine. Gerade dieses Engagement macht ja sehr deutlich, dass das Geschäft mit dem Frieden manchmal ein sehr, sehr mühseliges ist. Wie schwer ist es für Sie als Forscherin und Aktivistin, sich Gehör zu verschaffen, weil beispielsweise wieder Islamisten in Nigeria Schülerinnen entführen oder eben auch Menschen in Syrien jeden Tag ausgebombt werden?

Viel Schweigen in den Nachrichten

Paffenholz: Also, das … Wenn Sie sagen wollen, das ist sozusagen ein Geschäft mit dem Frieden … Das ist sehr mühsam und es braucht vor allem einen langen Atem. Das, was man ja so sieht in den Nachrichten, sind oft die, dann, wenn etwas erfolgreich abgeschlossen wurde. Eben die Iran-Verhandlungen sind erfolgreich abgeschlossen worden, das ist in den Nachrichten. Oder Syrien ist in den Nachrichten, wenn wieder was passiert. Und wir hören dann in den Nachrichten sehr viel Schweigen, wenn eigentlich nichts passiert. Aber das ist eigentlich die Phase, wo man, wenn man sich mit uns, wir, sowohl mit Forschung, was wir jetzt nicht so viel machen, ist, ich sage jetzt mal, Aktivismus, das überlassen wir den Nichtregierungsorganisationen, aber Politikberatung machen, dann sind das die Phasen in der Vorbereitung von solchen Ergebnissen, die dann hoffentlich irgendwann stattfinden. In Kolumbien haben vor zehn Tagen – vielleicht haben Sie das in den Nachrichten gehört –, ist ein Friedensabkommen unterzeichnet worden zwischen der Regierung und der größten bewaffneten Gruppe, nach 50 Jahren Bürgerkrieg, dem sind vier Jahre zähe Verhandlungen vorausgegangen. Zwei davon waren sozusagen auch im nicht öffentlichen Raum. Das ist die harte Arbeit, die man leisten muss. Aber oft wie jetzt bei der Ukraine ist alles sehr, sehr zäh und man ist oft sehr frustriert, weil einfach sich ganz wenig bewegt. Und da braucht man sehr, sehr viel Durchhaltevermögen und auch immer wieder innovative Ideen, wie man weitermachen kann.
Welty: Gibt es so etwas wie eine Friedensformel?
Paffenholz: Im Grunde kann man sagen: Ja und nein. Und zwar ja auf der einen Seite, weil wir durch – und das ist auch, was wir bei der Forschung natürlich beitragen – gemachte Erfahrungen und durch den Vergleich von vielen, vielen Prozessen natürlich herausdestillieren können: Was ist das, was klappt und was nicht klappt? Aber das ist natürlich sehr komplex und es gibt bestimmte Sachen, zum Beispiel wenn wir sagen: Was klappt denn, um Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen? Dann wissen wir, dass Bedingungen sind zum Beispiel, wenn Parteien militärisch geschwächt sind, ist das eine Bedingung, dass sie kompromissbereiter sind. Wir wissen, dass, wenn beispielsweise Menschen wie im Arabischen Frühling massenhaft auf die Straße gehen und die Autorität ihrer Regierungen infrage stellen, dass das wichtige Momente sind. Jetzt, was heißt das? Können wir diese Momente herstellen, können wir das unterstützen? Oder müssen wir darauf vorbereitet sein, wenn diese Momente kommen, dass wir dann einsteigen? Also, wir wissen viel, aber das dann jeweils auf die Situation umzusetzen, ist natürlich eine Kombination von dieses Wissen anzuwenden, gleichzeitig auch – schauen Sie Syrien an – den politischen Willen zu haben, auf bestimmte Dinge, von denen wir wissen, dass sie greifen, zu tun, und dann auch die politischen Möglichkeiten zu haben. Und da ist natürlich jedes Land oder jeder Akteur hat andere Möglichkeiten, sich hier einzusetzen.
Welty: Lässt sich Frieden erzwingen? Muss es manchmal eine militärische Lösung, eine militärische Unterwerfung geben, damit es Frieden geben kann?

"Politische Lösungen sind eben kompliziert"

Paffenholz: Also, theoretisch ist es möglich, praktisch gibt es natürlich ein paar Beispiele, denken wir einfach an Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn man massiv den Frieden erzwingt, wie das zum Beispiel die Alliierten gemacht haben gegenüber Deutschland, und dann auch militärisch in der Übermacht ist, dann ist das eine kurzfristige Möglichkeit. Das Problem ist: Langfristig – das haben Sie auch an Deutschland selber gesehen –, wie lang war Truppenpräsenz der Alliierten in Deutschland? Ich glaube, bis nach der Wiedervereinigung. Das heißt, man muss ganz, ganz viel politischen Willen und auch den langen Atem haben, einfach dann auch bewaffnet drin zu bleiben. Das ist genau das Problem, das sehen Sie bei Afghanistan: Es gibt in Demokratien wenig politischen Willen, Militär massiv langfristig einzusetzen. Und andererseits wissen wir aus der Forschung, dass es eben in der Regel auch nicht sehr erfolgreich ist, wenn man nur mit militärischen Mitteln reingeht. Langfristig gibt es nur politische Lösungen. Und politische Lösungen sind eben kompliziert. Wir wissen aus der Forschung, dass langfristig, wenn alle Staaten Demokratien wären, dann gibt es wenig Konflikte und … bewaffnete Konflikte, weil, Demokratien untereinander bekämpfen sich nicht. Aber bis es so lange dauert, dass alle Staaten Demokratien sind, das wird natürlich ein langfristiger Prozess sein. Und da kommt man natürlich nur in sehr kleinen Schritten voran. Und die Welt ist natürlich auch komplexer geworden, denken Sie an Syrien, wir haben hier den Islamic State, der mit ganz anderen Mitteln und Interessen arbeitet. Das sind gar keine Akteure, die man mehr an den Verhandlungstisch bekommt, weil sie gar nicht verhandeln wollen. Was macht man jetzt, wenn man weiß, dass nur politische Lösungen für den Aufbau eines neuen syrischen Staates eigentlich richtig sind, aber wir haben Akteure, die gar nicht unbedingt reden wollen?
Welty: Es braucht auf jeden Fall viel Geduld. An diesem Wochenende treffen sich Friedensforscher und Aktivisten aus aller Welt in Paretz bei Berlin und dann in Berlin selbst. Zu ihnen gehört auch Thania Paffenholz, der ich an dieser Stelle danke für das Gespräch, das wir aufgezeichnet haben, und der ich natürlich auf dem Global Peacebuilder Summit viel Erfolg wünsche. Danke schön!
Paffenholz: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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