Konflikte mit der Literaturwissenschaft

31.10.2011
Roland Emmerich führt mit seinem neuen Film "Anonymus" nach Ansicht des Shakespeare-Übersetzers Frank Günther "ein ziemlich altes Hündchen spazieren". Die These, dass der Earl of Oxford die Shakespeare-Dramen geschrieben habe, gebe es seit Anfang der 20er-Jahre.
Seitdem werde versucht, die Theorie zu beweisen: "Und bis zum Jahr 2011 ist es immer noch nicht gelungen." Emmerich belege seine These im Film ebenfalls nicht - und behaupte "eine unglaubliche Menge von Dingen, die historisch völliger Mumpitz sind".

Dass der Earl of Oxford der Sohn von Königin Elisabeth gewesen sei und mit seiner Mutter seinen eigenen Halbbruder gezeugt habe, sei hanebüchen, gehöre aber zur Verschwörungstheorie um den Earl, sagte Günther. Ansonsten sei der Streifen ein "schöner Kostümfilm" und "großes Kinospektakel": "Es ist ein Film über Sex und Crime und Mord und Inzest und Revolution und was will der Mensch mehr?"

Was ihn an Emmerichs Projekt ärgere, sei die Werbemaschinerie für den Film, sagte Günther. Hier sollten Konflikte mit der Literaturwissenschaft provoziert werden. Die Wissenschaftler würden als "verknöcherte alte Säcke" angesehen, die sich revolutionärem Gedankengut verschlössen. Emmerich stilisiere sich dabei zum Ketzer, der eine unterdrückte Wahrheit ans Licht bringen wolle, aber vom "Shakespeare-Establishment" mundtot gemacht werden solle. Das sei "ein bisschen albern", sagte Günther.

Ansonsten könne man gar nicht genug über Shakespeare wissen, betonte der Übersetzer: "auch aus den seltsamsten Quellen". Günther arbeitet seit den 1970er-Jahren an der Übersetzung von Shakespeare. Vermutlich in zwei Jahren wird er das gesamte Werk ins Deutsche übertragen haben. Seiner Ansicht nach ist die Autorschaft Shakespeares historisch gut belegt.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Sie können das vollständige Gespräch mit Frank Günther, das im Radiofeuilleton lief, mindestens bis zum 31.03.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören.
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