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Bundesparteitag
Die FDP und die Frauen

In drei ostdeutschen Bundesländern muss die FDP bald darum kämpfen, in den Landtag einzuziehen. Gelingen soll das unter anderem mit Frauenförderung ohne Quote, außerdem mit Klimaschutz ohne Verbote und einer ostdeutschen Migrationspolitikerin als Generalsekretärin.

Von Alexander Moritz | 29.04.2019
FDP-Parteitag: Das Foto zeigt von links nach rechts Michael Theurer, Nicola Beer, Frank Sitta, Katja Suding, Christian Lindner und in der Mitte die neue Generalsekretärin Linda Teuteberg (M), FDP-Generalsekretärin.
Im Zentrum des FDP-Parteitags: Linda Teuteberg, mit 92,8 Prozent zur neuen Generalsekretärin der Partei gewählt (dpa-Bildfunk / Britta Pedersen)
So wurde ein FDP-Parteitag noch nie eröffnet. Mit ein paar Brocken Chinesisch wollte der Parteivorsitzende Christian Lindner einen Akzent setzen: Die Politik müsse deutsche Unternehmen stärken, angesichts der aufstrebenden Wirtschaftsmacht China. Hinter dem Redepult vier chinesische Schriftzeichen: 经济政策 - "Wirtschaftspolitik".
"Diese Sprache ist ein Brocken und deshalb empfehle ich, dass wir alles dafür tun, damit es sich für die Chinesen weiterhin lohnt, auch Deutsch und Englisch zu lernen", so Lindner.
Dafür brauche es das Zukunftskonzept der Liberalen: Bessere Bildung, Unternehmergeist fördern, Steuern senken.
FDP will bessere Frauenförderung
Den Ton dieses Parteitages setzten dann aber andere. Nämlich die, die unter den 662 Delegierten nur spärlich vertreten waren: Frauen. An zwei Tagen diskutierte die Partei ausgiebig über Gleichberechtigung und einen liberalen Feminismus.
"Es wurde endlich mal darüber gesprochen und das ist richtig so, wenn eine Partei nur noch 20 Prozent Frauen hat", stellte FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann in der Debatte fest. Und eine weitere Delegierte fügte hinzu: "Ich habe in meinem ganzen Leben bei keinem Parteitag bisher so viele Frauen auf dem Podium gesehen. Klasse! Das sollte in Zukunft vielleicht auch so sein."
Beschlossen wurde ein politisches Programm zur Frauenförderung. Darin fordert die FDP unter anderem flexiblere Öffnungszeiten von Kitas. Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sollen offenlegen, wie groß die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen sind. Eine starre Frauenquote für Führungspositionen lehnt die FDP weiterhin ab. Dafür gab es breite Zustimmung.
Intensive Debatte um innerparteiliche Vielfalt
Wie Frauen innerhalb der eigenen Partei besser gefördert werden können, darüber entbrannte dann aber eine intensive Debatte.
"In den 80ern waren wir die Partei der großen Frauen, in den 80ern waren wir die Partei von Hildegard Hamm-Brücher. Heute sind wir eine Männerpartei. Daran müssen wir etwas ändern", empörte sich die bayerische FDP-Politikerin Katharina Walter.
Der Parteivorstand hatte vor dem Parteitag beschlossen, dass für alle Parteigremien und Wahllisten Zielvereinbarungen für den Frauenanteil geben solle. Nicht alle sind damit einverstanden.
"Zielvereinbarungen für den Frauenanteil sind einfach nur ein schönerer Ausdruck für Frauenquoten", kritisierte Alena Trauschel von den Jungen Liberalen Baden-Württemberg. "Dabei gab es eine überwältigende Mehrheit gegen jede Form der Frauenquoten. Wer Frauen in der FDP haben will, der sollte diese auch erstmal ernst nehmen."
Doch der Widerspruch blieb in der Minderheit. Der Parteitag stellte sich hinter die Zielvereinbarungen. Nun sollen die einzelnen Parteiverbände festlegen, wie viele Frauen sie mindestens auf wichtigen Posten und Wahllisten haben wollen.
Eine ostdeutsche Frau ist Generalsekretärin
Ein Zeichen für mehr Frauen in der Parteiführung war auch die Wahl von Linda Teuteberg zur neuen Generalsekretärin. Die Juristin aus Brandenburg bekam 92,8 Prozent der Stimmen. Sie sprach sich gegen feste Quoten aus – weder für Frauen, noch für Ostdeutsche:
"Ostdeutschland braucht keine Sonderbehandlung und keine milden Gaben. Wir brauchen das Gleiche wie die ganze Republik: Eine neue Politik. Nur schneller, drängender und entschiedener. Osten und Westen stehen vor gleichen Herausforderungen. Wir haben manchmal unterschiedliche Erfahrungen und Prägungen. Die gilt es ernst zu nehmen und zu verstehen."
Hoffnung auf Einzug in ostdeutsche Landtage
Eine Ostdeutsche als Generalsekretärin soll auch Unterstützung sein für die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. In allen drei Ländern kämpft die Partei darum, überhaupt wieder ins Parlament zu kommen.
Auch der Spitzenkandidat der FDP in Thüringen, Thomas Kemmerich, hofft auf Rückenwind: "Nicht nur, weil sie Brandenburgerin ist, sondern weil sie auch sehr heikle Themen – Migration, was sie im Bundestag bearbeitet – medial in die Öffentlichkeit bringen kann und auf vermintem Terrain sich sehr sicher bewegt und tolle Aussagen treffen kann, die uns Liberalen sehr gut zu Gesicht stehen."
Klimaschutz: Technologieförderung statt Verbote
Weniger kontrovers, aber dennoch bemerkenswert für die FDP: Die Debatte über Klimaschutz. Hier will sich die FDP profilieren – und absetzen, vor allem von den Grünen. Verbotspartei will hier niemand sein. Statt einer Steuer auf CO2 will die FDP den Zertifikathandel ausweiten. Und vertraut ansonsten auf Fortschritte in der Technologie. Klimapolitiker Lukas Köhler:
"Wir müssen natürlich wirtschaftliches Wachstum, Möglichkeiten und Chancen weiter erreichbar halten. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass das nicht mehr über CO2-Ausstoß funktioniert. Und das ist genau der Unterschied, den wir zu Leuten, die auf Verbote und auf Verzicht setzen, machen wollen."
Europakandidatin Beer geschwächt
Um die anstehenden Europawahlen ging es erst zum Ende des Parteitags. Spitzenkandidatin Nicola Beer griff das Thema China wieder auf:
"Vertrauen wir weiter dem Markt? Oder setzen wir beeindruckt von China auf den Staat? Wollen wir wirklich eine Industriepolitik à la Altmaier, in der selbst die Autoindustrie das Elektroauto nur baut, wenn es Hilfen vom Staat gibt? Das kann doch nicht unsere Antwort sein."
Nach der Rede höflicher Applaus, aber keine Begeisterung. Beer geht geschwächt in den Wahlkampf. Die scheidende Generalsekretärin sicherte sich zwar einen Posten als stellvertretende Parteivorsitzende. Allerdings mit einem schwachen Ergebnis von nur 59 Prozent.