Kommentar zur Volksbühne Berlin

Weiter warten auf Chris Dercon

Die Rad-Skulptur vor der Berliner Volksbühne.
Die Rad-Skulptur vor der Berliner Volksbühne. © imago/Lem
Von Susanne Burkhardt · 16.05.2017
Mit Spannung und Skepsis erwartet: Der neue Intendant Chris Dercon gab in Berlin endlich bekannt, worauf sich das Volksbühnen-Publikum in der Nach-Castorf-Ära freuen kann. Mehr als eine Reihe reizvoller Projekte ist es erst einmal nicht, kommentiert Susanne Burkhardt.
Warten auf Dercon – so hätte man die letzten Monate überschreiben können, Monate in denen die Wahl des Belgiers zum neuen Intendanten der Volksbühne immer mal wieder zur Disposition stand, zuletzt durch den Berliner Kultursenator Klaus Lederer.
Monate, in denen man durch ein Zeitungsinterview mit Dercon und seiner Programmdirektorin Marietta Piepenbrock zwar schon in etwa wusste, wohin die Reise geht an der Volksbühne der Nach-Castorf-Ära - mit Schlagworten wie: grenzüberschreitend, digitale Spielstätten, Schule des Befremdens, elektrisierende Gleichzeitigkeit, Wertigkeit schaffen, soziales Labor und so weiter. Es blieb aber immer noch diese Hoffnung, das Warten darauf, dass da mehr kommt. Mehr, als diese Mischung aus zum Teil spartenübergreifenden Eigen- und Koproduktionen. Diese wie Dercon es gern und ungeschickt nennt: Kollaborationen.

Eine Reihe reizvoller Projekte

Alles für sich durchaus reizvolle Projekte – das Satelliten-Theatergebäude des Architekten Francis Kéré in Tempelhof, das internationale Taschentheater im wiedergewonnenen Grünen Salon, die Beckett-Einakter mit einem der Hauptdarsteller der Olsen-Bande – einst Fernseh-Kult im Osten. Aber auch wenn Chris Dercon und sein Team heute weitere Details der ersten Spielzeit vorstellten – wie eine digitale Webserie mit Bibiana Beglau, Joachim Krol und Matthias Brandt – so geht das Warten irgendwie doch weiter.
Auf etwas, von dem man sich vorstellen kann, dass es die 800 Plätze füllt, die das große Haus bietet. Etwas, das man so eben nicht auf den Bühnen der vielen Theaterkombinate des Landes oder den üblichen Festivals finden könnte. Es bleibt ein Warten auf Dercon und sein Versprechen, ein Ensemble, ein Repertoire aufzubauen.
Chris Dercon, Intendant der Volksbühne Berlin
Chris Dercon, Intendant der Volksbühne Berlin© Deutschlandradio - Andreas Buron

Eindruck höchster Anspannung

Und es bleibt an diesem Tag der Eindruck eines höchst angespannten, verletzlichen Teams, dem das Misstrauen und der Widerstand der vergangenen Monate schwer zugesetzt haben. Alle Leichtigkeit dahin. Die Pointen versanden.
Er habe die Stimmung unterschätzt – das sagte Dercon heute, sei aber froh, dass es nun endlich nicht mehr nur um seine Person gehe, sondern um Inhalte. Man möchte ihm Erfolg wünschen für seine Vorhaben. Und ein volles Haus. Sein schönes rotes Spielzeitheft trägt den Titel "I want to be free". Das ist natürlich – wie viele der heute gesagten Worte - frei interpretierbar.
Interview mit Volksbühnen-Intendant Chris Dercon:
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