Kommentar zur "Handreichung gegen rechts"

Ideologisch verstiegene Broschüre

04:51 Minuten
Die Broschüre "Alles nur Theater? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts" liegt auf einem Tisch.
In der Broschüre "Alles nur Theater" argumentieren die Macher unsauber und ideologisch, kommentiert Barbara Behrendt. © dpa picture alliance/ Paul Zinken
Von Barbara Behrendt · 02.03.2019
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Tipps für Theater im Umgang mit "Kulturkampf von rechts" - das will eine Berliner Einrichtung mit einer Broschüre erreichen. Aber der Text feuere den politischen Lagerkampf nur an, kritisiert Barbara Behrendt. Eine gute Sache werde so diskreditiert.
Rechtspopulisten und Rechtsextreme agitieren inzwischen einen Raum, den sie lange Zeit nur am Rande zur Kenntnis nahmen: die Hochkultur. Es ist also nur folgerichtig und wichtig für die Akteure der Kultur, Strategien zu entwerfen, wie mit Bedrohungen von rechts umzugehen ist - etwa in einer "Handreichung" mit Tipps und Hilfsangeboten.
Problematisch aber wird es, wenn sich eine solche Broschüre ideologisch derart versteigt, dass sie auch vollkommen legitime konservative Ansichten und Weltbilder unter Rechtsruckverdacht stellt und damit Denk- und Toleranzräume in der offenen Gesellschaft einschränkt.

Konservative Haltung in alter Debatte macht schon verdächtig

In einem zentralen Aufsatz der Broschüre "Alles nur Theater? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts" wird der bekannte liberal-konservative Kritiker Ulrich Greiner, ehemals Feuilleton-, dann Literaturchef der Wochenzeitung "Die Zeit", als warnendes Beispiel für den "Kulturkampf von rechts" gebrandmarkt. Greiner hatte 2013 gegen eine nachträgliche Korrektur von Namen und Begriffen in historischen Kinderbüchern argumentiert, die heute als rassistisch gelten. Fünf Jahre später, so die Autoren, habe Greiner die migrationsfeindliche "Erklärung 2018" unterzeichnet, die unter anderem Uwe Tellkamp gestartet hatte. Somit zeige der "Fall" Greiner exemplarisch, "worum es scheinbar harmlosen Fragen und den berühmten ,Ängsten und Sorgen' wirklich geht".
Doch Greiner hat die "Erklärung 2018" nie unterschrieben. In ihrem ideologischen Eifer haben die Autorinnen und Autoren dieser Kampfschrift von Georg Diez abgeschrieben, dessen Buch mit der Falschaussage längst nicht mehr ausgeliefert werden darf. Auf Nachfrage bestätigt Greiner, dass eine Unterlassungserklärung wirksam ist, die nun auf die Broschüre übertragen wurde. Das heißt: Sie darf so nicht mehr herausgegeben werden.
Die Argumentationslinie der Verfasser zeigt, dass es hier um mehr geht als um einen peinlichen Fehler: Eine konservative Haltung in der Kinderbuchdebatte reicht aus, um einen Intellektuellen des "rechten Kulturkampfs" zu verdächtigen - und vor allem: kritischen Nachfragen per se eine antidemokratische Strategie zu unterstellen.

Khuon und Lederer scheinen Broschüre kaum zu kennen

Auf den letzten Seiten der Broschüre wird zwar vom Gespräch mit Rechten nicht generell abgeraten, doch zuvor wird mit einem geschlossenen, uniformen Weltbild der politische Lagerkampf untermauert: Wer Fragen stellt, ist schon verdächtig, den "Kulturkampf von rechts" zu unterstützen. Doch umgekehrt gilt auch: Wer mit solcher Vehemenz sogar vermeintliche Gegner der Demokratie bekämpft, sollte sich selbst sauberer demokratischer Mittel bedienen - und nicht Falschaussagen und Verschwörungstheorien das Wort reden.
Ulrich Khuon, der Intendant des Deutschen Theaters und Präsident des Deutschen Bühnenvereins, weist im Gespräch jede Verantwortung zurück. Schließlich sei er nur Gastgeber bei der Präsentation der "Handreichung" gewesen. Eine "Handlungsanweisung" im Kulturkampf gegen rechts findet er "richtig", inhaltlich sieht er allerdings "Differenzen" zur Broschüre. Auch Kultursenator Klaus Lederer zieht sich aus der Affäre. Er sei, so sein Pressesprecher, schlicht gefragt worden, ein paar Worte bei der Präsentation zu sagen - das habe er getan, da ihm die Verteidigung der Kunstfreiheit ein zentrales Anliegen sei.
Ob Hausherr und Kultursenator die Publikation überhaupt gelesen haben, bevor sie sie öffentlichkeitswirksam präsentierten? Womöglich hat sich jeder darauf verlassen, die "Mobile Beratung", vom Justizsenat und vom Bundesfamilienministerium jährlich mit über 800 000 Euro gefördert, werde schon wissen, was sie tut. Anders ist diese Fahrlässigkeit kaum zu erklären.
Die "Mobile Beratung" selbst gibt sich per Mail wortkarg - von einer Entschuldigung für die Schlamperei und die Diffamierung Greiners keine Spur. Dass die Autoren an einer Stelle ihrer Broschüre selbst dazu aufrufen, auf "Falschaussagen" und "Schmähkritik" zu verzichten, muss man inzwischen wohl als reines Lippenbekenntnis verbuchen. Hier wird eine gute Sache durch unlautere Methoden diskreditiert.
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