Kommentar zum Terrorismus in Europa

Die Antwort ist Teilhabe

Zahlreiche Menschen stehen am 19.08.2017 auf der Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona (Spanien) im Kreis um niedergelegte Blumen und Kerzen. Auf der Straße war am 17.08. ein Lieferwagen in eine Menschenmenge gefahren. Bei dem Terroranschlag auf der Promenade wurden mindestens 13 Menschen getötet und zahlreiche verletzt. (zu dpa "Kerzen, Blumen und Stofftiere - Barcelona gedenkt der Terroropfer" vom 19.08.2017) Foto: Matthias Balk/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Zahlreiche Menschen haben auf der Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona Blumen und Kerzen niedergelegt, um den Opfern des Terroranschlags zu gedenken. © dpa
Von Gerwald Herter · 26.08.2017
Ein wichtiges Ziel von islamistischen Terroristen ist es, unsere Gesellschaften zu spalten. Deshalb muss eine unserer wichtigen Antworten auf Terrorismus sein, allen eine Teilhabe an unserer Gesellschaft zu ermöglichen, meint der Sicherheitsexperte Gerwald Herter.
Schuld sind die Terroristen! Dass 13 Menschen beim Attentat von Barcelona ihr Leben verloren, darunter ein australischer Junge, der nur sieben Jahre alt wurde, ist nicht die Schuld unserer Gesellschaften. Allerdings können auch wir einen Beitrag dazu leisten, dass Terrorgruppen weniger Zulauf bekommen.
Mehr als eine Woche nach dem Anschlag deutet vieles darauf hin, dass eine islamistische Terrorzelle ein Attentat geplant hatte, das noch viel größer hätte werden sollen. Doch die Nutzung von Gasflaschen und selbst gekochtem Sprengstoff scheiterte am Unvermögen der Terroristen und dem Vorgehen der spanischen Sicherheitsbehörden.
Eine terroristische Zelle also, keine Einzeltäter, die mehr oder weniger improvisierten, wie das bei vielen Anschlägen vor Barcelona geschehen ist: in Berlin, Würzburg, Hamburg und möglicherweise auch danach - im finnischen Turku und im sibirischen Surgut.

Analyse nach Terror-Tat von Barcelona sinnvoll

Dieses Muster - eine Gruppe junger Männer, die offenbar von einer charismatischen Figur radikalisiert wird, auch in diesem Fall einem Imam – es war schon fast in Vergessenheit geraten. Dass nun, nach dem Attentat von Barcelona, darüber spekuliert wird, wie es hätte verhindert werden können, ist unterm Strich nützlich. Die Gruppe hatte ihre Tat lange vorbereitet, einige Mitglieder waren in Frankreich unterwegs. Der mutmaßliche Drahtzieher lebte eine Zeit lang in Belgien. Der Imam hatte wegen eines Drogendelikts in Spanien eine Haftstrafe abgesessen und war dabei mit einem Attentäter von Madrid in Kontakt gekommen.
Die Analyse der Tat-Vorbereitung und der Tat in Barcelona selbst wird spanischen und anderen europäischen Sicherheitsbehörden Hinweise geben - Hinweise darauf, wo ihre Abwehrstrategien ergänzt werden müssen, wo sie falsch lagen. Das ist Aufgabe von Geheimdiensten und Polizei, aber auch der Politik. Nach jedem neuen Attentat werden Forderungen nach mehr europäischer Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung laut. Da gibt es noch immer erhebliche Defizite. Ein Schwerpunkt muss deshalb zwingend auf dem effektiveren Austausch von Daten zwischen verschiedenen Ländern und Behörden liegen.

Aus Lösungsansätzen müssen Lösungen werden

Terroristische Gruppen operieren oft transnational, die allermeisten Sicherheitsbehörden national oder sogar nur regional. Dadurch entstehen operative Defizite, wie Informations- und Zeitverluste. Schon vor Jahren wurde dieses Problem erkannt, aus Lösungsansätzen müssen endlich Lösungen werden.
Absolute Sicherheit aber kann niemand garantieren, kein Politiker, kein Polizist und kein Geheimagent – gleichgültig, mit welchem Aufwand Terrorabwehr in Europa betrieben wird.

Vor islamistischer Ideologie schützen

Noch einmal: Schuld sind die Terroristen! Dennoch bleiben auch unseren Gesellschaften Aufgaben, die wir besser erfüllen können. Barcelona erinnert auch daran: So stammen die meisten der mutmaßlichen Täter aus marokkanischen Familien, etwas, das sie mit einigen der Attentäter von Brüssel oder Paris verbindet. Kein Wunder, dass diese Tatsache nun in den Vordergrund rückt.
Wer nach echten Erklärungen sucht, wird die aber kaum in der Zugehörigkeit der Täter zu einem bestimmten Land finden. Ganz im Gegenteil: Offenbar ist es die Zerrissenheit von Identität, der Einfluss unterschiedlicher Kulturen, Ausgrenzung, wirtschaftliche Armut und Kontakt zu kriminellen Milieus, die junge muslimische Migranten für die Islamistische Ideologie anfällig machen. In Barcelona und Cambrils waren es Marokkaner, in Großbritannien waren es vor Jahren junge Männer aus pakistanischen Familien, die schon in der zweiten oder dritten Generation in London oder Birmingham lebten. Und zwar, ohne das Gefühl echte Briten zu sein!

Teilhabe aller an unserer Gesellschaft

Eine Studie hat Deutschland in dieser Woche bescheinigt, bei der Integration von Muslimen auf einem guten Weg zu sein, wenn auch noch viel zu tun bleibt. In welcher Gesellschaft wir auch immer leben wollen: Ein wichtiges Ziel von islamistischen Terroristen ist es, unsere Gesellschaften zu spalten. Deshalb muss eine unserer wichtigen Antworten auf Terrorismus sein, allen, die hier leben, eine Teilhabe an unserer Gesellschaft zu ermöglichen.
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