Kommentar zum Mietendeckel

Ein Maximalpreis fürs Wohnen ist nicht verwerflich

Ein bepflanzter Balkon mit einem gelben Sonnenschirm, fotografiert am 06.07.2017 in Berlin Mitte.
Altbau mit Sonnenbalkon? Viele Wohnungssuchende in Berlin haben ihre Ansprüche reduziert – und wären schon froh, etwas Bezahlbares zu finden. © picture alliance / Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/ZB
Von Panajotis Gavrilis · 30.01.2020
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Heute beschlossen, womöglich bald gekippt – der Berliner Mietendeckel ist ein juristisches Wagnis. Doch der Mut von Rot-Rot-Grün ist nötig, sagt unser Autor: Sollte der Deckel verfassungskonform sein, dann müssen bundesweit die Mieten begrenzt werden.
80 Quadratmeter, 3 Zimmer, bis 700 Euro Kaltmiete: 14 Treffer.
Ändert man allerdings seine Sucheinstellungen auf einem Immobilien-Suchportal und gibt beim Fenster der monatlich zu zahlenden Miete 2.000 Euro an, dann tauchen für Berlin gleich 836 Wohnungen auf.
Wer auf Wohnungssuche ist, vor allem in den Metropolen, kennt diese Verzweiflung. Wohnen ist teuer, viele geben deutlich mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Miete aus. Im Vergleich zu 2015 gaben Verbraucherinnen und Verbraucher im Jahr 2018 im Schnitt vier Prozent mehr für die Miete aus. Die Mieten steigen, kontinuierlich.

Berlin traut sich was

Und nun hat es ausgerechnet Berlin gewagt, diesem Mietenwahnsinn ein Ende zu bereiten. Die rot-rot-grün regierte Hauptstadt hat ihr Experiment "Mietendeckel" endgültig auf den Weg gebracht. Es ist ein Wagnis, aber ein richtiges. Aller Kritik, aller auch berechtigter juristischer Zweifel zum Trotz. Viele Tausende Mieterinnen und Mieter können aufatmen.
Fünf Jahre werden die Mieten eingefroren, heißt: Mieterhöhungen sind tabu. Auch Modernisierungen mit dem Ziel einer Mieterhöhung werden zumindest erschwert – in bestimmten Fällen darf die Miete nach einer Modernisierung nicht um mehr als einen Euro pro Quadratmeter erhöht werden. Das Gesetz sieht auch vor, dass Bestandsmieten gesenkt werden, wenn sie die in der Tabelle festgelegte Obergrenze um mehr als 20 Prozent überschreiten.

Ein bisschen Unattraktivität schadet nicht

Wie groß war und ist das Geschrei der Immobilienwirtschaft und der Opposition: Die Unsicherheit sei groß, Investoren würden abspringen, das ganze Vorhaben würde Berlin unattraktiv machen. Aber vielleicht ist genau das, ein bisschen Unattraktivität, ja gar nicht mal so schlecht für einen Markt, dessen Ziel es vornehmlich ist, Rendite zu generieren.
Und: Dass es wirklich zu einem Investitionsstopp kommt, so wie viele Gegner es als Untergangsszenario beschreiben: eher unwahrscheinlich, da Neubauten vom Mietendeckel ausgenommen sind, ähnlich wie bei der Mietpreisbremse.
Und mal ganz ehrlich: Die Baubranche boomt seit Jahren. Mit Immobilien lässt sich einfach viel Geld verdienen. Im Jahr 2018 wurden Immobilien im Wert von fast 270 Milliarden Euro umgesetzt. Der Umsatz hat sich in fast zehn Jahren in etwa verdoppelt.

Ernste verfassungsrechtliche Bedenken

Berlin startet also ein Experiment. Und ja, es steht juristisch auf wackeligen Füßen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht aus der Luft gegriffen, sie sind ernst zu nehmen.
Darf Berlin das überhaupt? Und ja, es kann gelingen, aus Mietersicht muss es das sogar. Denn scheitert es, müssen Mieter befürchten, dass Vermieter möglicherweise Geld zurückfordern. Politisch wäre ein Scheitern für die rot-rot-grüne Regierung eh ein Desaster.
Es ist ein Wagnis mit ungewissem Ausgang. Aber immerhin haben hier politische Akteure eines bewiesen: Mut. Immerhin nimmt Berlin die Beantwortung der "sozialen Frage" wirklich ernst und handelt. Denn seien wir ehrlich: Alle Versuche wie die Mietpreisbremse waren bisher allenfalls Kosmetik, wirkungslose Instrumente.
Sollte Berlins Mietendeckel verfassungskonform sein, dann spätestens müssen auch bundesweit die Mieten begrenzt werden. Zumindest in angespannten Lagen.
Denn was ist so verwerflich daran zu sagen, Wohnen, ein halbwegs bezahlbares Dach über dem Kopf, hat einen Maximalpreis?
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