Kommentar zu UN-Millenniumszielen

"Es wird nicht besser!"

Ein Mann geht in Liberias Hauptstadt Monrovia an einer roten Wandmalerei vorbei, die vor dem Ebola-Virus warnt
Eine Wandmalerei in Liberias Hauptstadt Monrovia warnt vor dem Ebola-Virus. © picture alliance / dpa / Ahmed Jallanzo
Von Rupert Neudeck · 31.08.2015
Bekämpfung von Infektionskrankheiten, weniger Armut und Hunger - um diese Millenniumsziele zu erreichen, reiche es nicht, Statistiken zu erstellen. Zumal nicht einmal überall auf der Welt Statistiken erhoben werden, kommentiert Rupert Neudeck. Die Ziele sollten auch vielmehr Schritt für Schritt umgesetzt werden.
Die Millenniumsziele sind ein weiterer Versuch, uns mit statistischen Mitteln vorzugaukeln, dass alles nur besser wird. Es wird aber nicht besser, wie uns die Ebola-Krise gezeigt hat. In weiteren Teilen der 54 afrikanischen Staaten, von denen zwei total gescheitert sind und als Staaten nicht mehr existieren, gibt es keine Gesundheitsversorgung, die diesen Namen verdient.
Die Ebola-Krise hat erneut bestätigt, dass es unserer "ersten Welt" im Norden nur darum geht, dass die Krankheitserreger nicht auf unseren Kontinent rüberschwappen. Wenn das nicht plötzlich bei uns an die Alarmglocke gehängt worden wäre, wäre die Anstrengung nur zu einem Rinnsal geworden. Es sterben ja auch nur Afrikaner.
Die Senkung der Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren war eines der Millenniumsziele. Und tatsächlich soll sich, die "Rate des Rückgangs der Sterblichkeit bei den Kindern unter fünf Jahren" sich seit 1990 mehr als verdreifacht haben. Ähnliche Zahlen legen die UNO-Agenturen vor, nicht mehr 12,7 Millionen Kinder würden jährlich sterben, sondern "nur" noch sechs Millionen.
Bloß eine höhere Form von Wahrsagerei
Man muss zu den Zahlen sagen, dass sie in doppelter Weise eine höhere Form der Wahrsagerei beinhalten. Es gibt in weiten Teilen der Welt außerhalb Europas und der USA nichts, was einem Statistischen Landesamt auch nur nahe kommt. Es sind alles nur erdachte Hochrechnungen, bei denen ganze Länder in Afrika ausfallen. In Somalia, wie in Libyen, wie auch in der Zentralafrikanischen Republik gibt es kein staatliches und administratives Leben mehr, ja schlimmer: Es gibt diese drei Länder nur noch in der Geographie, nicht mehr als Staat. Es gibt also auch keine Institution, die irgendetwas messen könnte.
Besser wäre es gewesen, die uns bekannte UNO-Welt hätte sich ein Land in Afrika vorgenommen und dort eine Gesundheitsversorgung der ersten Wahl und der ersten Welt errichtet – eine, die sich nicht auf das mitleiderregende Feld sterbender Kinder beschränkt.
Das Gleiche könnte man den nationalen Politikentwürfen vorgeben, zumindest denen der Länder in Europa, die zu einen relevanten Etat für Entwicklungspolitik aufweisen. Wenn man damit eine Partnerschaft mit einem Land ausrüstete, würden die 6,8 Milliarden Euro aus dem Haushalt des BMZ etwas bringen. Das Land würde erleben, dass wir sein Partner sind. Und die anderen größeren Geberländer, die vier skandinavischen, die Niederlande, Italien, Spanien, Großbritannien und Frankreich könnten das auch machen. Damit wäre auch jeder Konkurrenzmechanismus ausgeschaltet und es würden wirklich Leuchttürme entstehen.
Ich kann das Bedürfnis nach solchen globalen Schätzzahlen verstehen. Mir wurde das bei der Minenräumtätigkeit deutlich, bei der irgendeine UNO-Agentur auch fest und steif behauptet, sie würde, wie viel Minen im Boden von Angola, Somalia, Kambodscha usw. liegen. Natürlich wissen die UNO-Töchter, wie man sie scherzhaft nennt, das überhaupt nicht.
Unerträgliche Schere zwischen Armen und Reichen
Die Millenniumsziele waren in einer Hinsicht ein großer Erfolg: Sie waren Werbung für die Agenturen der UNO. Dass sich die hässlichsten und an keinem Entwicklungsziel interessierten Präsidenten aus Afrika, weniger die aus Asien und Lateinamerika, für solche Ziele einsetzen, zeigt nur, dass sie versuchen, ein Stück des Glorienscheines abzubekommen.
Da sie selbst für das Ziel gar nichts, aber auch nichts tun müssen, blieb das Unternehmen Millenniumsziele ein PR-Gag, einer wie ihn die Welt, die erste und die afrikanische, schon oft erlebt haben. Dass sich Millionen junger Afrikaner auf den Weg nach Europa machen, spricht nicht dafür, dass sich etwas in der unerträglichen Schere zwischen der reichen und der Armen Welt geändert hat.
Deshalb brauchen wir weniger Zahlenspiele und pompöse Gipfelkonferenzen der UNO, sondern das Bemühen, schrittweise, in einem Land nach dem anderen Schuleinrichtungen und Gesundheitsinstitutionen aufzubauen und den Verkehr und die Energie zu fördern. Nur dadurch werden diese Staaten sich zu Partnern in der Weltgemeinschaft weiterentwickeln.
Diese Kritik an der Umsetzung des Millenniumszieles zur Senkung der Kindersterblichkeit mindert nicht die Bewunderung, die man für alle hegen muss, die sich an der realen Reduktion beteiligen.
Mehr zum Thema