Kolumne

Wenn Fans zusammenkommen, entsteht Wärme

Begeistertes Publikum bei einem Open Air Festival
Laura Naumann plädiert für mehr Fan-Sein. © imago stock&people
Von Laura Naumann · 10.11.2018
Es gibt ein Alter, in dem man andere anhimmeln darf. Und dann kommt ein Alter, in dem man lieber selber was reißen sollte. In ihrer Kolumne wünscht sich die Dramatikerin Laura Naumann ihre frühere Begeisterung für das Können anderer zurück.
Fans kommen Stunden zu früh, um in der erste Reihe stehen zu können, halten es aus, dicht gedrängt wie im Fahrstuhl oder an noch schlimmeren Orten auszuharren, man kennt sie singend, tanzend, kreischend, weinend und verkleidet — sie stellen ihre Begeisterung offen zur Schau. Sie pfeifen auf Mäßigung.
Beim Konzert von Lana del Rey Anfang des Jahres, war ich vor allem berührt von den vielen unglaublich textsicheren bärtigen Männern zwischen 30 und 40 und den Gruppen von als Lana del Rey verkleideten Teenagern und ihren Softshelll-Jacken tragenden erwachsenen Begleitpersonen. Ich durfte an diesem Abend ein Revival meines eigenen inneren Fangirls, das ich sehr weit verdrängt hatte, erleben — dank Cat Power, die den Abend als Supporting Act eröffnete und, ein Räucherstäbchen in der Hand haltend, ein so nervöses und hinreißendes Cover von Lanas White Mustang sang, dass ich umgekippt wäre, hätte ich keinen Sitzplatz gehabt. Ich habe dann in den nächsten Wochen jedes Lied gehört, was Cat Power jemals gemacht hat und versucht, es auf der Gitarre zu lernen. Ich kann gar nicht Gitarre spielen. Damit habe ich sehr viel Zeit verbracht, in der ich eigentlich hätte ein Stück schreiben sollen und mich dann, wenn ich jemandem erzählt habe, was ich eigentlich grad den ganzen Tag so mache — geschämt. Aber warum eigentlich?

Als junger Mensch sehr ausgiebig und vielfältig Fan

Laura Naumann
Laura Naumann, Dramatikerin und Performerin © Deutschlandradio / Marielle Schavan
Es gibt ein Alter, in dem ist es irgendwie okay, Fan zu sein. Und dann kommt das Alter, in dem man lieber selber was reißen sollte, statt andere anzuschmachten. "Wenn du die Energie, die du investierst, dir die Wände mit Postern zuzupflastern, nutzen würdest, was zu machen, wärst du schon längst berühmt" – klappt dann zwar allerdings echt bei den wenigsten, weil 1. Talent, 2. Glück und 3. nur weil man Serena Williams bewundert, heißt das ja nicht gleich, dass man tatsächlich selber täglich einem kleinen, gelben Ball nachjagen will während die Welt dabei zuguckt. Oder Gitarre spielen. Das ist das eine.
Das andere ist — Scham. Ich war als junger Mensch sehr ausgiebig und vielfältig Fan – das fing mit Katarina Witt an, als ich vier war, nahm extreme Ausmaße an mit der Pop-Sängerin Anastacia im Alter von 14, dann kamen die expressionistische Lyrik und die Mann-Geschwister, parallel dazu allerdings auch die gesammelten Weisheiten von Meister Yoda aus Star Wars Episode 1 bis 6. Ich habe lange an einem Fan-Brief an Emma Thompson getüftelt und sehr viel Harry Potter Fan-Fiction geschrieben, als ich eigentlich schon zu alt dafür war.
Und als ich dann total begeistert von Barbra Streisand war, was wirklich niemand verstehen konnte und mir cool sein doch immer wichtiger wurde, setzte die große Scham ein und ich beschloss, mich zu meiner eigenen Sicherheit vorerst nicht mehr so sehr beeindrucken zu lassen. Ich wurde erwachsen. Ich wurde cool. So cool, dass ich, Jahre später, am Tag, als Michael Jackson starb und meine damalige Freundin, riesiger Fan, am Boden zerstört war, völlig verständnislos und nahezu kalt reagierte.

Fan sein bedeutet, sich hinzugeben

"Cool sein" war schon immer ein Feind der Liebe. Wohingegen ein Fan ein Fan der Liebe ist. Und sollte das nicht eigentlich cool sein? Gefühle sind nicht peinlich. Scham ist scheiße. Begeisterung ist etwas Großartiges. Es ist eine Fähigkeit. Fan sein bedeutet, sich begeistern zu können für Dinge, die außerhalb von einem liegen. Für jemanden oder etwas, der die das keine Ahnung hat von der eigenen Existenz. Was für eine Befreiung. Fan sein bedeutet, sich hinzugeben an etwas, was nicht auf einen gewartet hat. Und das zu wissen. Es bedeutet, komplett zweckbefreite Zeit zu verbringen — was sich ja streng genommen niemand leisten kann. Klar ist es gefährlich, wenn Fandom zu Fanatismus wird oder Menschen Fan von Dingen oder Menschen werden, die anderen Menschen schaden. Es wäre gut, wenn wir uns darauf einigen könnten, das nicht zu tun. Und dann mehr Fanbriefe schreiben, statt Hasskommentare.
Wenn Fans zusammenkommen, entsteht Wärme, weil Liebe geteilt wird. Für Musiker*innen, Sportler*innen, Games, Comics, Bäume, Europa-Abgeordnete, oder die Frau, die die Shitty Robots baut. Es gibt Millionen Dinge, die es zu lieben lohnt und Fan-Communities sind, im Gegensatz zu Nationalstaaten zum Beispiel, die ja auch manche heiß lieben, nicht exklusiv. Fans teilen. Schön, wenn sie sich mitteilen. Wie Molly Nilsson neulich beim Release-Konzert ihres neuen Albums "2020". Vor einem Saal voller Fans spielte sie einen neuen Song names "I'm Your Fan", den sie geschrieben hat, weil sie, wie sie sagte, selbst schon immer ein Fan war.
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