Kohle-Kompromiss

Drei Milliarden Euro "Schmiermittel"

Brandenburg, Welzow: Ein Schaufelradbagger trägt Braunkohle im Braunkohletagebau Welzow-Süd der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) ab.
Da in Brandenburg in diesem Herbst Landtagswahlen sind, ist der Kohleausstieg dort besonders heikel. © Patrick Pleul/dpa
Christoph Schwennicke im Gespräch mit Miriam Rossius  · 26.01.2019
Der Kohle-Kompromiss sei ein beachtliches Ergebnis, sagte der Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke nach dem Verhandlungsmarathon. Der technologische Fortschritt könne den Ausstieg über den langen Zeitraum auch noch beschleunigen.
Deutschland soll nach dem Willen der Kohlekommission bis spätestens Ende 2038 die Stromgewinnung aus Kohle beenden. Schon innerhalb der kommenden vier Jahre sollen Anlagen mit einer Leistung von über zwölf Gigawatt vom Netz, was rechnerisch etwa 24 größeren Kohleblöcken entspricht.
Darauf einigte sich das von der Regierung eingesetzte Gremium am frühen Samstagmorgen bei nur einer Gegenstimme. Vorausgegangen war eine Marathonsitzung von fast 21 Stunden.
Publizist Christoph Schwennicke
Der Publizist Christoph Schwennicke war zu Gast im Studio von Deutschlandfunk Kultur. © Deutschlandradio / Manfred Hilling
"Ich finde an dem, was da zustande gebracht werden musste, ist das tatsächlich beachtlich", sagt unser Studiogast, der Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke. Schließlich gehe es um eine große Zahl von rund 60.000 Beschäftigten in der Kohleindustrie.
Außerdem habe der überhastete Atomausstieg enormen Druck aufgebaut, denn übergangsweise könne die Energiewende nur mit Kohle bewältigt werden. Wegen dieser beiden Faktoren sei der Kohleausstieg nicht so schnell möglich.

Aus den Landtagswahlen heraushalten

Bei dem Kohle-Kompromiss werde jetzt "gehörig Schmiermittel eingesetzt", sagte Schwennicke und verwies auf die drei Milliarden Euro, die der Bund an die betroffenen Bundesländer jährlich zahlen soll. Darunter sei auch Brandenburg.
"Da ist bekanntlich im Herbst Landtagswahl, also da war der politische Druck einfach auch sehr groß, dieses Thema aus den Landtagswahlen rauszuhalten."
Da von langen Zeiträumen über Jahrzehnte die Rede sei, dürfe man auch den technologischen Fortschritt nicht außer acht lassen. "Es können auch Durchbrüche in der Energietechnologie kommen, die wir noch nicht absehen können." Schwennicke nannte als Beispiel eine mögliche größere Effizienz von Windrädern.
Etwa 10.000 Schüler demonstrieren unter dem Motto 'Fridays for Future' für mehr Klimaschutz weltweit am Kanzleramt.
Jeden Freitag demonstrieren Schüler und Schülerinnen für mehr Klimaschutz, wie hier in Berlin. © dpa
Als Vater einer 19-jährigen Tochter bekundete der Cicero-Chefredakteur Verständnis für den Protest von Jugendlichen gegen die Klimapolitik. "Es ist das gute Recht der Jungend, ungeduldig zu sein", sagte er.
"Dass Schülerinnen und Schüler auf die Straße gehen und sagen, uns ist die Umwelt wichtig, es ist unsere Welt, in der wir leben, das ist völlig in Ordnung."
Vermutlich hätten sie dabei aber nicht alles im Blick, beispielsweise nicht die Arbeitsplätze ihrer eigenen Eltern. Diese Position werde dann von anderen vertreten.
Es sei bemerkenswert, dass diese junge Generation ein Umweltbewusstsein schon quasi in sich trage, anders als die Vorgängergeneration. "Da hat sich etwas grundsätzlich geändert in unserer Gesellschaft", sagte Schwennicke.
Gleichwohl glaube er nicht an den Liedtext von Herbert Grönemeyer "Die Welt gehört in Kinderhände".
(gem)

Christoph Schwennicke ist seit Mai 2012 Chefredakteur des politischen Magazins "Cicero". Er wurde 1966 in Bonn geboren, absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München und studierte Germanistik, Politikwissenschaften sowie Journalistik in Bamberg. Nach ersten journalistischen Stationen bei der "Badischen Zeitung" wechselte er zur Süddeutschen Zeitung und leitete dort von 2005 bis 2007 das Parlamentsbüro. Danach war er beim "Spiegel" stellvertretender Büroleiter der Hauptstadtredaktion.

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