"Königskinder" von Alex Capus

Kurzes Glück in den Bergen

"Königskinder" von Alex Capus
Capus braucht nur wenige Worte, um anschaulich das vorrevolutionäre Leben im Schloss von Versailles darzustellen. © Carl Hanser Verlag/imago/imagebroker
Von Johannes Kaiser · 18.08.2018
Um eine Liebe zur Zeit Ludwigs XVI. geht es in "Königskinder". In den Bergen treffen sich ein Hirtenjunge und eine Bauerntochter. Was sich wie ein Groschenroman anhört, entpuppt sich als eine herzerwärmende Geschichte des Schweizer Autors Alex Capus.
Alex Capus faszinieren ungewöhnliche, wenn auch oftmals unbekannte Figuren der Zeitgeschichte. Ihnen hat er so manches literarische Denkmal gesetzt. Und er liebt seine Figuren, ist ihnen geradezu zärtlich zugetan. So auch diesmal. Die Geschichte beginnt auf einem eingeschneiten Schweizer Gebirgspass. Der Wagen des jungen Paares Tina und Max ist von der Straße in einen Graben an der Bergseite abgerutscht. Aussteigen und zu Fuß weiterlaufen wäre selbstmörderisch. Während sie langsam einschneien, erzählt der Mann, um ihnen die Zeit bis zum Morgen zu vertreiben, eine Geschichte aus der Gegend. Die handelt vom Hirtenjungen Jacob, einem jungen Waisenknaben, der Ende des 18. Jahrhunderts in einer kleinen Hütte auf der Alp lebte und sich sein karges Brot durch das Hüten der Kühe eines Talbauern verdiente.

Es funkt sofort

Der schüchterne, fast stumme Junge verliebt sich in Marie-Françoise, die Tochter des grobschlächtigen Bauern. Es funkt sofort zwischen den beiden. Doch der Bauer würde einer Heirat nie zustimmen. Deshalb verdingt sich Jacob bei der französischen Armee, kehrt nach Jahren gut entlohnt in die Heimat zurück. Dort nimmt er Marie-Françoise gegen den Willen des Bauern mit auf seine Berghütte. Doch wissen beide, dass ihr Glück nur von begrenzter Dauer ist.
Und dann greift das Schicksal in Form der Prinzessin Elisabeth ein, der Schwester des französischen Königs. Der hat man Jacob als Hirten für ihre Schweizer Kühe empfohlen. Er bekommt einen Marschbefehl zum Landgut der Prinzessin und macht sich rasch unverzichtbar. Aber Elisabeth merkt, dass er tief im Inneren unglücklich ist. Kein Wunder, er vermisst seine geliebte Marie-Françoise. Und jetzt heckt die Prinzessin einen Plan aus, die beiden Liebenden zu vereinen. Sie sind ihre "Königskinder".

Geschichte mit Happy End

Ohne die Pointe zu verraten, so viel kann hier doch gesagt werden: Alex Capus gönnt seinen Lesern in all seinen Geschichten ein Happy End. Doch nie wirken seine Schlüsse aufgesetzt oder gar kitschig. Ganz im Gegenteil: Er erreicht, dass wir seinen beiden Liebenden ein kleines bescheidenes Glück wünschen. Am nächsten Morgen werden die Eingeschneiten von der Schneefräse aus ihrem Autoiglu befreit.
Capus ist ein Meister der atmosphärischen Beschreibung. Er braucht nur wenige Worte, um anschaulich und detailreich, bisweilen deftig das Leben in den Bergen ebenso wie das vorrevolutionäre Leben vor und im Schloss von Versailles zu beschreiben. Man hat sofort ein Bild vor Augen. Seine knappen Schilderungen sind dicht und plastisch.
Ganz moderner Erzähler unterbricht Capus seine Geschichte immer wieder. Tina, die Freundin des Erzählers Max, fragt nach dem historischen Hintergrund, bezweifelt den Wahrheitsgehalt, mokiert sich über erzählerische Freiheiten. Doch diese Einschübe haben nichts Aufgesetztes. Das Stilmittel des Hinterfragens hemmt den Erzählfluss nicht, sondern steigert eher die Neugier auf den Fortgang der Geschichte. Ob sie wahr ist, wird so völlig unwichtig. Eine herzerwärmende, geradezu märchenhafte Erzählung.

Alex Capus: "Königskinder"
Carl Hanser Verlag München, 2018
176 Seiten, 21,00 Euro

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