Köhlers Entscheidung

Von Peter Lange · 07.05.2007
Ob diejenigen in der Union, die jetzt die souveräne Entscheidung des Bundespräsidenten loben, ihrerseits souverän reagiert hätten, wäre die Entscheidung anders ausgefallen? Die Söders dieser Republik haben es Horst Köhler schwer gemacht mit ihren ach so zarten Andeutungen, seine mögliche Wiederwahl betreffend. Denn nach den Gesetzen der politischen Logik hätte der Bundespräsident nun gerade den Gnadenakt erweisen müssen, um allen zu demonstrieren: Ich lasse mich nicht unter Druck setzen.
Aber Horst Köhler hat sich eben auch dieser politischen Logik nicht unterworfen. Er, dem sein Biograf Langguth gerade erst bescheinigt hat, dass er sich im Grunde bis heute nicht zur politischen Klasse zähle, hat die Sache vermutlich von vornherein mit sich selbst ausgemacht. Deshalb auch das Treffen mit dem Häftling Christian Klar, entgegen vieler wohlmeinender Ratschläge.

Er ist dabei offenkundig zu dem Schluss gekommen, dass Klar die Gnade einer vorzeitigen Freilassung nicht verdient. Was genau für diese Entscheidung den Ausschlag gegeben hat, das bleibt sein Geheimnis. Aber auch ein Bundespräsident, der sich als unabhängiger Kopf versteht, agiert nicht im luftleeren Raum. Das Schweigen der RAF-Täter bis heute wird eine Rolle gespielt haben, ebenso der Unwille Klars, sich mit den mörderischen Anschlägen wirklich auseinanderzusetzen. Das wird jedem zu lebenslanger Haft verurteilten Kriminellen abverlangt, auch wenn es nicht in tätige Reue münden muss. Im Übrigen haben diejenigen, die ausgerechnet Klar mit seiner verquasten Kapitalismusschelte zu einem Kronzeugen linker Globalisierungskritik stilisiert haben, einen gehörigen Anteil daran, dass sich das Bild des uneinsichtigen Täters verfestigt hat, der zwar Gnade will, aber keine Distanz zu seinen Verbrechen erkennen lässt.

Vielleicht hat Horst Köhler auch Rücksicht genommen auf die Angehörigen der Terroropfer – aber auch hier zeigt er sich insoweit unabhängig, als er auf die Spekulationen über einen womöglich anderen Tathergang im Mordfall Siegfried Buback gar nicht erst eingeht.

Letztlich setzt der Bundespräsident mit dieser Entscheidung ein Signal. Wenn die Justiz mit ihren Mitteln nicht klären kann, welcher RAF-Täter welchen Tatbeitrag geleistet hat, wenn der Rechtsfrieden wegen der Einsichtslosigkeit eines Täters gestört bleibt, dann können Politik und Gesellschaft durchaus darauf zurückkommen, wenn der Anspruch auf Gnade erhoben wird.

Frühere Bundespräsidenten haben RAF-Terroristen begnadigt, wenn sie sich glaubwürdig mit ihren Verbrechen auseinandergesetzt haben. Auf dieser Linie bewegt sich auch Horst Köhler, und insofern ist gegen seine Entscheidung im Fall Klar nichts einzuwenden.