Klubszene in der Coronakrise

Was Klubs und Impfzentren gemeinsam haben

06:23 Minuten
Der Schriftzug "Morgen ist die Frage" des Künstlers Rirkrit Tiravanija hängt an der Fassade des Techno Clubs Berghain in Berlin Friedrichshain.
Die Türen sind zu, die Musik ist aus: "Morgen ist die Frage" heißt es auf dem Berliner Club Berghain. © Imago / bildgehege
Gesine Kühne im Gespräch mit Max Oppel · 29.04.2021
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Die Musikjournalistin und DJ Gesine Kühne war früher nachtaktiv. Nun sind die Klubs seit 14 Monaten dicht und sie arbeitet in einem Impfzentrum. Diese profitierten von den Erfahrungen der ehemaligen Nachtarbeiter, wie Kühne berichtet.
Am Samstag ist 1. Mai, Tag der Arbeit. In Berlin und anderswo sind Demos von Kulturschaffenden angekündigt. Viele von ihnen sehen die aktuellen Coronamaßnahmen quasi als ein Berufsverbot. Viele haben die Nase voll, denn seit 14 Monaten sind unter anderem die Klubs geschlossen. Das hat das Leben vieler Menschen verändert: für die DJs, Booker, Bouncer, Barleute und Klubbetreiber – aber auch für Musikjournalisten, die von Konzerten und Events berichten.

Das Gefühl, anderen zu helfen

Wenn das Nachtleben auf einmal aufhört, dann heißt es früh aufstehen. Zumindest für Gesine Kühne. Früher arbeitete sie als Musik- und Modejournalistin, hat Künstler gebucht und selbst aufgelegt, heute verdient sie ihr Geld im Impfzentrum im ehemaligen Flughafen Tegel in Berlin. "Es tut gut, dort zu sein", sagt Kühne. Und dieses Gefühl teilt sie mit anderen, die früher auch im Nachtleben arbeiteten und nun eine sinnvolle Aufgabe hätten – und so auch Geld verdienten.
Die Impfzentren würden zudem von den Erfahrungen der Klubleute profitieren, berichtet die Journalistin. Veranstalter könnten nämlich mit großen Menschenansammlungen umgehen, blieben freundlich und fröhlich, auch wenn es mal stressig sei. "Die Menschen, die geimpft werden, sind so dankbar. Das ist ein bisschen wie beim Auflegen, da ist das Tanzpublikum auch sehr dankbar", fasst Kühne die Gemeinsamkeiten zusammen.
Die Arbeit im Gesundheitsbereich gebe auch persönlichen Halt. So kenne sie einen DJ, der mit der Pandemie in ein Loch gefallen sein, als klar wurde, dass die Klubs so schnell nicht wieder öffnen würden. Ihn hat Kühne für den Podcast "Electronic Beats" befragt, in dem es um die Krise der Klubkultur geht. Doch auch er sei nun in Tegel gelandet und arbeite nun im Impfzentrum.

Fehlende Räume

Das könne indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch die Coronapandemie auch die sozial wichtigen Orte, die die Klubs waren, weggefallen sind. Dies betreffe unter anderem die queere Community. Aber auch für viele andere waren es soziokulturelle Räume, in denen enge persönliche Beziehungen gepflegt wurden. Gerade "eine Stadt wie Berlin besteht aus Wahlverwandtschaften", unterstreicht Kühne.
Wie viele der ehemaligen Feierstätten die Krise überleben, sei – trotz der vom Berliner Senat angekündigten Hilfen – bislang noch nicht abzusehen. "Ich denke, dass die Großen durch die Krise kommen", sagt Kühne. Was sie momentan beobachte, sei, dass viele DJs über ein zweites Standbein nachdenken, "denn irgendwann ist auch die Zeit in den Impfzentren vorbei".
(rzr)
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