Kloster Lorsch

Ein schwieriges Erbe

Die kleine Halle des Klosters in Lorsch. Das Kloster gehört zu den ältesten Bauwerken in Deutschland und wurde 1991 zum Weltkulturerbe erklärt. Das Gebäude aus dem 9. Jahrhundert war einst Teil des Reichsklosters Lorsch.
Die kleine Halle des Klosters in Lorsch. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Anke Petermann · 15.07.2014
Zum 1250-jährigen Bestehen wird das UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Lorsch in Südhessen am kommenden Samstag neu eröffnet. Doch zu sehen ist nicht mehr viel. An der großen Königshalle gehen Touristen oft einfach vorbei.
Auf einer eiszeitlichen Sanddüne thronte die dicht bebaute Klosteranlage Karls des Großen einst über dem Rhein. Landschaftsarchitekten haben zumindest den Eindruck dieses erhabenen Thronens wiederhergestellt, spektakuläre Ausblicke auf Starkenburg und Odenwald-Erhebungen frei geschnitten. Erspüren soll man den Kraftort, an dem ein leistungsfähiges Skriptorium und eine umfassende Bibliothek den Wissenstransfer aus der Antike sicherten, ein Herzstück der karolingischen Bildungsreform. Erleben lässt sich der Ort nicht mehr: Aufgelöst im Zug der Reformation wurde Kloster Lorsch im Dreißigjährigen Krieg verwüstet und diente fortan als Steinbruch. Kein Einzelschicksal, weiß Karl Weber, Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen:
"Es gibt kein baulich erhaltenes Kloster aus dem 8./9. Jahrhundert."
Bedeutende Fragmente
Was in Lorsch steht, sind bedeutende Fragmente: die umgebende Ringmauer, die Ruine der klösterlichen Basilika, deren Umrisse sich als kleine Erhebungen im Rasen abzeichnen. Das wichtigste Fragment: die karolingische Torhalle mit Spitzdach, Säulen und Bogengängen. Auch Königshalle genannt - Hermann Schefers, Leiter der UNESCO-Welterbestätte:
"Es gibt auch Besucher, die schnurstracks daran vorbei laufen zum nächst größeren Gebäude und dort fragen, wo denn die Königshalle sei. Also, man hat da etwas Monumentales im Kopf, das in dieser Form hier nicht anzutreffen ist: es ist eher ein kleines Gebäude, das den Charakter eines Schreins, einer Schatulle hat, die vielleicht mit kostbaren Auflagen, mit kostbaren Intarsien verziert ist, um etwas Kostbares zu bergen. Torhalle, Königshalle – beides sind Begriffe, die eigentlich unsere Hilflosigkeit reflektieren. Wir wissen nicht, was dieses Gebäude für eine Funktion gehabt hat."
Ort der Begrüßung für königliche Besucher oder Ort der Rechtssprechung – Archäologen und Historiker streiten. Forscher an Universitäten zwischen Hamburg und München versuchen, die Geschichte von Kloster Lorsch zu dechiffrieren. Damit das sperrige Fragment für Besucher lesbarer wird, haben der Bund, das Land Hessen und die Kommune insgesamt 13 Millionen Euro locker gemacht.
Rationales, kühles Konzept
Im September wird das Karolingische Freilichtlabor Lauresham eröffnet. Das Model eines einstigen Herrenhofs zeigt das bäuerliche Leben zur Zeit Karls des Großen. Dennoch: Kloster Lorsch bleibt ein schwieriges Erbe, gibt Hessens Kunst- und Wissenschaftsminister Boris Rhein von der CDU zu. Und stellt sich hinter das minimalistische Konzept des Freilegens und landschaftlichen Modellierens von Abdrücken zerstörter Gebäude:
"Es ist natürlich ein rationales Konzept, manche sagen auch ein kühles Konzept, das geht aber auch gar nicht anders bei dieser Ausgangslage. Nichtsdestotrotz wird das angereichert durch ein paar sehr emotionale Punkte, nehmen Sie Lauresham, nehmen Sie den Kräutergraten, das ist ein emotionaler Punkt."
Lavendel, Salbei, Königskerzen, Heil und Würz-Kräuter aus dem Lorscher Arzneibuch, seit 2013 im Weltdokumentenerbe, wachsen hier. Der Beginn der modernen Medizin im Abendland sozusagen - unterhalb des einstigen Hospitals an der Zehntscheune. Draußen der nachempfundene Kräutergarten, drinnen in der Scheune die Schau archäologischer Funde. Die Fragmente von Kloster Lorsch brauchen Erzähler, um verstanden zu werden. Und die soll es geben. Zu jeder vollen Stunde werden Führungen angeboten, sagt Herrmann Schefers, unabhängig von der Besucherzahl. Die Begleiter durchs Fragment kennen sich auch mit den Kontroversen über die Anlage aus.
Mehr zum Thema