Kloster Himmerod in der Eifel

Eine Abtei sucht einen Nachmieter

Die Abteikirche des Klosters Himmerod, aufgenommen am 12.10.2017 in Himmerod (Rheinland-Pfalz).
Wie geht es weiter mit dem Kloster Himmerod? © picture alliance / Harald Tittel
Von Anke Petermann · 28.03.2018
Im 12. Jahrhundert errichtet, mehrfach zerstört und wiederaufgebaut: Das Kloster Himmerod hat eine bewegte Geschichte. Und trotz des Besucherandrangs ist der Erhalt der Stätte erneut in Gefahr.
Drei Dutzend Wanderer sammeln sich, während hinter der imposanten barocken Abteikirche die Sonne aufgeht. "Frühlingserwachen" heißt die Wanderung im Bogen um den weitläufigen Kloster-Campus mit Kapellen, Museum, Gärtnerei und Fischerei. Karl Schleidweiler ist eines von tausend Mitgliedern im Förderverein von Kloster Himmerod. Vier Jahreszeitenwanderungen bietet er an – um Besucher in die Abtei und Umsatz in die vom Förderverein betriebene Klostergaststätte zu bringen.
"Wie lang gibt's das Kloster, ist doch schon ewig?"
"Das Kloster ist 1134/35 gebaut. Bernhard von Clairvaux und der Erzbischof Albero sind durch die Eifel geritten und haben diese Stelle entdeckt."
Den schon bestehenden Hof in einer sonnigen Senke des stillen Salmtals hatte damals ein Mann namens Heimo gepachtet.
"Und daher kommt auch der Name Himmerod."

Unübertroffene Orgelkonzerte

Das alles ist Günter Boncelet neu. Der Westfale zog mit seiner Frau erst vor kurzem an die Mosel. Himmerod besuchen die beiden seither regelmäßig.
"Die Orgelkonzerte, die sind unübertroffen. Die Akustik und vor allem diese Klais-Orgel, das ist schon was sehr besonderes."
Gebaut 1962 von einer renommierten Bonner Werkstatt.
"Und dann die Lage des Klosters – irgend so ein Organist aus London hat ja mal gesagt, 'das ist hier in der Mitte von nirgendwo'. Und das hat aber auch seinen Charme. Die Umgebung hier - und wie es liegt. Und dann eben diese Möglichkeit, hier so viel hochwertige Kultur zu erleben, ist schon außergewöhnlich. Und jetzt geht es im Moment leider nicht. Aber man hat ja Hoffnung. Die Renovierung ist fertig – geht wieder los, prima Sache."
Tatsächlich: In der Kirche bauen Arbeiter die Gerüste ab. Trotz Absperrgittern stören dabei immer wieder Neugierige. Viele Himmerod-Besucher reisen von weither an und wollen unbedingt einen Eindruck vom Innenleben der größten rheinischen Barockkirche erhaschen.
Monatelang musste sie nach einem Schwelbrand innen gereinigt und neu verputzt werden. Ein Versicherungsschaden, der auch das Reinigen der Klais-Orgel umfasst. Am 27. Mai wird der Bischof von Trier die Kirche feierlich wiedereröffnen. Zuvor, Anfang April, lädt der Förderverein zur Mitgliederversammlung.
"Da bin ich natürlich wieder dabei, gerade dieses Jahr."

2017: Das Aus für den Konvent

Noch stehen Förderer wie Matthias Schmitt aus dem Bitburger Land unter Schock.
"Gerade weil ich die Versammlung vom letzten Jahr in Erinnerung habe, da waren noch große Ideen und Pläne."
Dann das überraschende Aus für den Konvent Ende 2017, der Wegzug der Mönche. Die Zisterzienserabtei hat eine bewegte Geschichte: geplündert und neu gebaut während des Dreißigjährigen Kriegs im 17. Jahrhundert, die barocke Abteikirche fertiggestellt Mitte des 18. Jahrhunderts. Unter Napoleon säkularisiert und zur Ruine verkommen. Wiederaufgebaut, erst Anfang dieses Jahrzehnts von Privatpersonen und Förderverein aus der Insolvenz gerettet. Die wirtschaftliche Lage nannten die scheidenden Mönche angespannt. Karl Schleidweiler bläst zum Aufbruch Richtung Eifelsteig und fasst kurz zusammen, was ihm wichtig ist:
"Es geht um diesen Ort Himmerod, egal ob da jetzt ein Konvent ist oder nicht, es geht einfach um den Erhalt dieser Stätte. Ich mein', Himmerod war immer ein Anziehungspunkt, auch in den über 100 Jahren, als es nicht besiedelt war, sind die Leute von weither gekommen und haben die Ruinen da bewundert, und dass es dazu nicht mehr kommen soll, das wollen wir versuchen, mit dem Förderverein zu verhindern."
Getreide, Wein und ein leistungsfähiges Scriptorium, die Schreibstube, begründeten im Mittelalter den Wohlstand von Kloster Himmerod, schildert Fördervereinschef Thomas Simon. Und heute?
"Die Ländereien sind verpachtet, auch der Wald als Jagd, und daraus hat das Kloster in gewissem Maß Pachteinnahmen. Die Scriptorien gibt es seit dem Buchdruck nicht mehr. Die Dienstleistung heute: Ein Kloster bietet dem interessierten Gast Räume, in dem er übernachten kann."

Der Charme der Abgeschiedenheit

Mit dem "0-Sterne Luxus der Nicht-Erreichbarkeit", schmunzelt Simon. Den auch der ein oder andere DAX-Vorstand mal schätze.
"Kein Handy-Empfang, kein Telefon, kein Fernseher, Dusche und Toilette über den Flur."
Pater Stephan, letzter Mönchspriester von Himmerod, kommt soeben aus der Pfortenkapelle. Cremeweißes Gewand, bloße Füße in groben Sandalen, freundliches Lächeln, aufgeschlossen. Und deshalb auch nach dem Wegzug der anderen nicht einsam.

"Nix von einsam, nein, nein ich bin ja im Gästehaus beschäftigt und habe mit ganz vielen Gästen das ganze Jahr zu tun, betreue die Gäste, mit Meditation. Ich schreibe ziemlich viele Bücher, ich lese daraus vor, wir sprechen darüber, und, und."
Am Abend lädt der hochgewachsene 84-Jährige zur monatlichen "Himmeroder Nacht" in die Kapelle,
"… und dann gehen wir hier durch den Hof, beten zusammen das Abendgebet, und dann ziehen wir durch den Kreuzgang mit Lichtern und Liedern."
Wer Himmerod kennenlernt, kommt immer wieder, weiß Pater Stephan nach sechs Jahrzehnten in diesem Kloster.
"Das ist hier ein Ort, wo ich angenommen bin, wo ich Menschen treffe, die alle in der Regel sehr freundlich sind, die mich aufnehmen, leise, ohne jemanden zu überfahren."
Pater Stephan Senge steht am 21.11.2017 in der Kapelle des Klosters Himmerod bei Großlittgen in der Südeifel (Rheinland-Pfalz) vor einem Wandkreuz.
Pater Stephan Senge ist nach dem Rückzug der Zisterzienser als letzter Mönch im Kloster Himmerod geblieben.© picture alliance / Harald Tittel

Ein Platz für Sinnsuche und Neuorientierung

Die 40.000 Besucher, davon etwa 12.000 Übernachtungsgäste im Jahr, kommen mit ganz unterschiedlichen Interessen, beobachtet der Vorsitzende des Fördervereins, selbst seit Messdienerzeiten angezogen von diesem Ort.
"Der eine möchte die Musik genießen, das tolle Orgelkonzert von einem internationalen Organisten. Jemand anderes möchte einfach für eine Woche aus dem Alltag abschalten und will nicht erreichbar sein."
Viele kommen zur Sinnsuche und Neuorientierung. Und erleben eine gelassene, liberale Spiritualität, so in etwa beschreibt es Thomas Simon.
Deftiges finden Schleidweilers 36 Wanderer nach 14 Kilometern durch die Eifel in der Klostergaststätte: Mönchsklöße mit Speck. Manche werden auf den Förderverein aufmerksam. Die tragende Säule des Klosters ist allerdings nicht der Förder- sondern der Trägerverein. Doch da gibt es ein Problem.
"Der Trägerverein kann ja in seiner jetzigen Form nicht weiter bestehen, weil ja die Mönche den Konvent verlassen haben", erläutert Kirchenrektor Reinhold Bohlen im riesigen, quadratisch um einen Innenhof angeordneten Konventgebäude.
"Und wenn nach deutschem Vereinsrecht die Mitglieder unter drei Personen sinken, muss der Verein liquidiert werden. Die Option kann nur sein, den Verein dann durch eine Satzungsänderung instand zu setzen, andere Mitglieder zu gewinnen, und das sollen eben diese juristischen Personen sein."

Das Bistum Trier, das Zisterzienserkloster Marienstatt im Westerwald – und als dritte Körperschaft?
"Schauen wir mal", sagt Professor Bohlen. Den 71-Jährigen hat der Bischof von Trier Anfang des Jahres mit dem Übergabeprozess betraut. Hinter den Kulissen ist längst davon die Rede, den Bischöflichen Stuhl in das Träger-Trio mit einzubeziehen. Warum die Öffentlichkeit davon noch nicht wissen soll, darüber lässt sich nur spekulieren: Keine Begehrlichkeiten wecken? Nach dem Finanzskandal um den Limburger Bischof Tebartz waren die hohen Vermögenswerte der katholischen Kirche und der Bischöflichen Stühle ein kontroverses Thema. Defizite aus der Bischofsschatulle zu begleichen, scheint möglich. Aber ist das gewollt? Wegen mangelnden Brandschutzes stehen Gästezimmer im Konventgebäude leer. Die Einnahmen fehlen, um eine Million Euro an jährlichen Kosten für den Klosterbetrieb zu decken.
Der bisherige Abt von Himmerod, Pater Johannes Müller.  Nach der beschlossenen Auflösung des Mönchskonvents wurde das Kloster an das Bistum Trier übergeben.
Der bisherige Abt von Himmerod, Pater Johannes Müller. Nach der beschlossenen Auflösung des Mönchskonvents wurde das Kloster an das Bistum Trier übergeben.© picture alliance / Harald Tittel

Die Einnahmen brechen weg

"Die Million ist ziemlich realistisch, das was die Mönche, also der Konvent von sechs, sieben Personen, in den vergangenen Jahren mit dem, was sie hier an Gästearbeit, die sie hier betrieben haben, und anderen Sachen, benötigt haben."
Bilanziert Thomas Simon. Der Fördervereinschef führt eine IT-Firma. Auch für Himmerod wünscht er sich unternehmerisches Denken, klare Finanzpläne und räumt ein:
"Ich sehe noch nicht ganz, wie das in Zukunft funktionieren soll. Dem Förderverein ist wichtig, dass die Gästearbeit fortbesteht, weiter ausgebaut werden kann, weil das einnahmeseitig der größte Anteil ist."
Der Bischof persönlich will eine Nachfolge-Gemeinschaft finden. Und da es in Deutschland kaum Anwärter gibt, auch im Ausland suchen.
"Wenn ihm das gelingt, muss man überlegen, was braucht diese neue Gemeinschaft, wovon möchte sie leben", so der neue Kirchenrektor.
"Und dann muss man sehen, was macht man mit den ganzen Liegenschaften."
Es wirkt so, als habe das Bistum keine Eile. Nur: wie lange geht das Verwalten des Status quo gut? Wann wird ein Sanierungsstau bedrohlich? Die 20 Meter hohen Fenster der Abteikirche sind stark beschädigt, hat sich unlängst herausgestellt. Doch für die kommenden Jahre hat man sie foliiert - eine provisorische Lösung, um sie erhalten und die Kirche öffnen zu können. Bis ein Träger wieder in Himmerod investiert. Frage an Kirchenrektor Bohlen:
"Wird es auf jeden Fall weitergehen oder ist ein Hauch von Ungewissheit dabei?"
"Beides. Himmerod soll leben – ist ganz klar, insofern Bischof Stephan Ackermann ja gesagt hat, er möchte Himmerod als geistlichen Ort erhalten. In welcher Art und Weise, wird man sehen müssen."
Draußen zwitschern die Vögel zwitschern über der Streuobstwiese – Kloster Himmerod hofft auf ein Frühlingserwachen.
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