Klimawandel und Kulturerbe

Kein Bewusstsein für die Gefahren

10:12 Minuten
Das Äußere des Umweltmuseums Biosphère in Montreal. Eine transparente Kuppel in einem Parkgelände mit einem kleinen Teich im Vordergrund.
Das Umweltmuseum Biosphère im kanadischen Montréal - Auch Museen müssen sich verstärkt auf den Klimawandel einstellen, sagt Johanna Leissner vom Fraunhofer Institut. © Günther Schwermer / imagebroker / imago-images
Johanna Leissner im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 26.12.2019
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Die Erforschung der Folgen des Klimawandels auf das Kulturerbe ist der Wissenschaftlerin Johanna Leissner ein besonderes Anliegen. Die zuständigen Institutionen hätten aber bisher keinerlei Strategie für den Umgang mit möglichen Gefahren entworfen.
Der Klimawandel bestehe nicht nur aus Überflutungen und extremen Wetterereignissen, sagt Johanna Leissner, Forscherin am Fraunhofer Institut und Expertin für Technologien zum Erhalt des Kulturerbes. Er vollziehe sich zum Teil langsam. Es gehe erst mal darum, die genauen Auswirkungen dieses Wandels kennenzulernen:
"Was kommt in den nächsten 50 bis 100 Jahren auf unser Kulturerbe zu?" Sie könne nicht erkennen, dass die Institutionen, die sich um das Kulturerbe kümmern, Strategien dafür entwickelt hätten.

Kaum Schutzmaßnahmen in Deutschland

Bei einer Konferenz in Italien habe sie feststellen können, dass die italienischen Kollegen in der Forschung über die Auswirkungen des Klimawandels auf das Kulturerbe wesentlich weiter seien. In deutschen Museen, Kirchen und Schlössern würden praktisch noch keine Schutzmaßnahmen getroffen.
"Ich habe noch nichts davon gehört, dass in Deutschland Kulturerbe-Institutionen schon eine Strategie haben, wie sie sich an den Klimawandel anpassen können, was getan werden muss, um zum Beispiel historische Gebäude 'klimafit' zu machen. Aber wir sprechen ja beim Kulturerbe nicht nur über das gebaute Kulturerbe, sondern auch über Kulturlandschaften und historische Gärten. Hier geht es um ganz andere Fragen von ganz existenzieller Bedeutung."
In ihrem EU-Forschungsprojekt mit 27 europäischen Partnern und Ägypten habe man erstmalig Klimamodellierung bis 2100 mit Gebäudesimulationen gekoppelt.
"Mit dieser Kopplung von Klima- und Gebäudesimulationen können wir zum Beispiel erfahren, wie sich das Innenraumklima in historischen Gebäuden und Museen auf Kunst- und Kulturobjekte auswirken wird. Eine weitere Frage, die sehr stark mit der Klimawandeldebatte zusammenhängt, ist, wie viel Energie werden wir brauchen, um eine nachhaltige Klimatisierung in Museen bewerkstelligen zu können. Die haben ja enorm hohe Energierechnungen", sagt Leissner.

Nicht alles wird gerettet werden können

Man werde es aber dennoch nicht vermeiden können, Prioritätenlisten aufzustellen, denn Kulturerbe werde auch teilweise verlorengehen bzw. zerstört werden. "Das bedeutet eine breite Diskussion. Was möchten wir denn erhalten? Welche Kulturgüter haben den wichtigsten Rang und welche müssen zuerst gerettet werden? Und welche können wir vielleicht durch Digitalisierung und Virtualisierung für die Nachwelt aufbewahren?"
Sie sehe es als Teil ihrer Aufgabe an, eine solche Diskussion voranzutreiben. "Deswegen gibt es jetzt auch in Deutschland eine Forderung, dass wir eine sogenannte Klima Task Force einrichten, die sich erstmals damit beschäftigt."
In einem neuen Projekt soll außerdem auch der Frage nachgegangen werden, welche speziellen Auswirkungen extreme Klimaereignisse auf das kulturelle Erbe haben. Und in einem weiteren Gremium soll erarbeitet werden, was auf Deutschland zukommt. Da gebe es regionale Unterschiede, sagt Johanna Leissner, denn die Auswirkungen in den Alpen beispielsweise seien andere als an der Nordsee.
(rja)
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