Klimaschutz und Weihnachten

Konsumverzicht mit der Moralkeule?

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Ein leerer Einkaufskorb.
Weihnachten wird zur moralischen Frage: Was ist Verbrauch, was ist Verschwendung? © picture alliance/imagebroker
Katja Gentinetta und Quang Anh Paasch im Gespräch mit Axel Rahmlow · 20.12.2019
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Weihnachten ist das Hochfest des Konsums: Wir kaufen mehr, wir reisen mehr, wir essen mehr. Kann man das angesichts des Klimwandels noch guten Gewissens tun oder sollte man lieber mit Verzicht einen Beitrag leisten? Ob das was bringt, ist umstritten.
Im November hat es zwölf Prozent weniger Flüge gegeben als im November 2018, so der Flughafenverband ADV. Woran liegt das? An Flugscham, sagt der schwedische Luftfahrtexperte Stefan Goessling. Menschen fliegen weniger, weil der Flugverkehr dem Klima schadet. Zwar gebe es auch andere mögliche Erklärungen: Eurowings habe Strecken gestrichen, die Lufthansa wurde bestreikt, aber diese seien nicht genug. Da der Klimawandel in diesem Jahr sehr sichtbar wurde mit Bränden und Hitzerekorden im Sommer, hätte sich das auch auf das Verhalten der Reisenden ausgewirkt.
Ein weiterer Grund könnte auch sein, dass die Bahn bessere Angebote auf langen Strecken, wie etwa Berlin-München, macht. Die Bahn will über die Festtage 45 zusätzliche Verstärkerzüge einsetzen. Flugverkehr ist derzeit zwar nur für etwa 2,5 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Die Vereinten Nationen schätzen allerdings, dass die Branche in drei Jahrzehnten der größte Verschmutzer weltweit werden könnte.
Von einer Konsumscham kann aber nicht die Rede sein. Der Handelsverband ging zuletzt davon aus, dass das aktuelle Weihnachtsgeschäft die Umsätze des Vorjahres übertreffen könnte. Durchschnittlich 281 Euro will jeder Verbraucher in Deutschland für Weihnachtsgeschenke ausgeben, fand die Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) heraus. In der gesamten Branche geht der Bundesverband Paket und Expresslogistik von zwölf Prozent mehr Sendungen aus – das sind zusätzlich 75 Millionen. Die Deutsche Umwelthilfe schätzt, dass rund um Weihnachten die Menge an Verpackungsmüll um bis zu 20 Prozent steigt.

Konsumverzicht allein reicht nicht

Was also kann oder sollte der Einzelne tun, um zur Lösung des Umweltproblems beizutragen?
Für Quang Anh Paasch, einem der Sprecher von Fridays for Future, reicht Konsumverzicht nicht, um dem Klima zu helfen. "Wir als Individuen können nicht viel leisten, wenn wir uns alle plötzlich vegan ernähren." Man bereinige damit nur sein Gewissen. Es müsse ein Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Zivilbevölkerung geben. Fridays for Future sei gestartet worden, um die Politik zu ermahnen. Jeder müsse aber trotzdem seinen Konsum hinterfragen. Dieses Umdenken habe die Bewegung erreicht.
Anders sieht es Katja Gentinetta, politische Philosophin, Autorin und Fernsehmoderatorin aus der Schweizer: "Ich glaube, dass der Aufruf zum Verzicht nicht der richtige Hebel ist." Der Verzicht als solcher entspreche dem Menschen nicht. "Der Mensch will mehr, er will Besseres, er will Schöneres, er will Neueres. Das heißt: Man muss eher einen Hebel finden, wo das, was man dann dennoch konsumiert, umweltschonender passiert." Gentinetta fordert, dass neue Technologien entwickelt werden.

Globales Problem schafft Ohnmacht

Für Paasch ist das nicht genug. "Wir haben nur noch zehn Jahre zum Handeln. Das ist viel zu wenig Zeit, um neue Technologien zu entwickeln." Außerdem müsse man die Gerechtigkeitsfrage stellen. Der Norden beute den Süden aus, während der Süden stark unter dem Klimawandel leide.
Katja Gentinetta hält es wiederum nicht für zielführend, im Zusammenhang mit dem Klimawandel von der sozialen Frage zu sprechen, weil man das so schnell nicht ändern könne. "Es hat keinen Sinn, auf das globale Problem zu verweisen, denn das schafft noch mal Ohnmacht."
Für Paasch ist die soziale Frage nicht zu trennen. Er sieht den Kapitalismus kritisch, weil das Wachstum Grenzen habe, aber Gentinetta sieht erst im Kapitalismus die nötige Freiheit, um Technologien zu schaffen, die das Umweltproblem lösen.
(leg)
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