Klimaschutz durch Steuerpolitik

"Wir machen zu viel Klein-Klein"

07:39 Minuten
Luftaufnahme einer Kreuzung in Berlin.
Trotz hoher Spritpreise und Kfz-Steuer: Die Deutschen lieben ihre Autos. © EyeEm / Reinhard Krull
Christian Kastrop im Gespräch mit Ute Welty · 14.08.2019
Audio herunterladen
Wenn wir mehr Steuern für unseren PKW oder für Fleisch bezahlen müssen, verhalten wir uns dann klimafreundlicher? Der Steuerexperte Christian Kastrop ist skeptisch. Eine CO2-Steuer hingegen könnte wirklich etwas verändern, sagt er.
Derzeit wird über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, über eine höhere Besteuerung von Fleisch und eine Steuerreform für den Klimaschutz diskutiert. Aber kann man mit Steuern gesellschaftliches und individuelles Handeln lenken?
Jein, meint Christian Kastrop, Steuerexperte und Europa-Direktor der Bertelsmann-Stiftung: "Es ist bisher noch keiner Steuerpolitik gelungen, menschliches Verhalten sozusagen in die Steuerpolitik einzubauen." Zum Beispiel Klimaschutz: Hier sollten KFZ-Steuern und Mineralölsteuer das Autofahren unattraktiver machen. "Und trotzdem fahren in Deutschland so viele SUVs wie nie zuvor", sagt Kastrop.

Bewusstsein für schädliche Wirkung von Tabak

Es gebe zwar Fälle wie die Tabaksteuer, die letztlich zu einem Rückgang des Zigarettenkonsums geführt habe. Jedoch habe dort eine Rolle gespielt, dass sich das Bewusstsein für die gesundheitsschädigende Wirkung von Zigaretten in der Gesellschaft allgemein viel breiter durchgesetzt habe als etwa die Notwendigkeit des Klimaschutzes.
Es gebe viele Beispiele für reformierte Steuern wie etwa die Unternehmenssteuer oder die Besteuerung mittlerer Einkommen, so Kastrop, die belegten: "Steuern können alleine keine absolute Gerechtigkeit herstellen." Es dürfe beispielsweise nicht sein, dass jemand, der um die 45.000 Euro im Jahr verdiene, bereits den Spitzensteuersatz zahlen müsse.
Für den Steuerexperten, der bis 2014 Leiter der Unterabteilung für Grundsatzfragen der Finanzpolitik im Bundesfinanzministerium war, steht außer Frage: Die Große Koalition habe eine Steuerreform verpasst – und werde in dieser Legislaturperiode auch keine mehr zustande bringen. Man hätte die Diskussion um die Abschaffung des Solidaritätszuschlags mit einem neuen Gesamt-Steuerkonzept verbinden müssen.

Die CO2-Steuer würde etwas ändern

Aus Kastrops Sicht muss eine große Steuerreform unbedingt die mittleren Einkommen entlasten, das System müsse aber im Grundsatz progressiv bleiben. "Ich glaube, man muss auch überlegen, ob man noch einmal ganz neue Steuern einführt. Dann sind wir bei einer Finanztransaktionssteuer – das ist dringend notwendig. Und ich glaube, man muss sich mal vergegenwärtigen, dass die Finanzbranche ja keinerlei Mehrwertsteuer zahlt. Da ist was zu machen. Auch im Bereich der Klimasteuern müsste man mehr tun."
Er sei ein Freund der CO2-Steuer: "Weil nur die am Ende eine Verhaltensänderung bewirkt in Richtung Klimawandel. Wir machen viel zu viel Klein-Klein."
(mkn)
Mehr zum Thema