Ökologische Trauer

Psychisch krank durch Klimawandel?

06:55 Minuten
Vertrocknete und abgestorbene Fichten in einem Wald im Bergischen Land.
Viele Menschen erfasst die Wehmut schon beim Waldspaziergang angesichts der vielen abgestorbenen Fichten. © picture alliance / Goldmann
Andreas Meyer-Lindenberg im Gespräch mit Liane von BIllerbeck  · 27.11.2020
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Über Auswirkungen des Klimawandels auf die Psyche diskutieren Psychiater und Psychotherapeuten bei ihrem virtuellen Jahreskongress. Besondere Aufmerksamkeit findet die Trauerreaktion auf die Zerstörung der Lebensgrundlagen durch die Erderwärmung.
Es gebe eine Reihe von Wegen, auf denen der Klimawandel die psychische Gesundheit beeinträchtige, sagt der Psychiater Andreas Meyer-Lindenberg. Der Direktor des Zentralinstituts für seelische Gesundheit in Mannheim verwies auf die zunehmenden extremen Wetterlagen, die zu posttraumatischen Störungen führen könnten. Aber auch steigende Wasserspiegel und die dadurch ausgelöste Migration spielten eine Rolle.


Außerdem gebe es das Phänomen des "ecological grief" (Ökologische Trauer), einer Trauer über die Vernichtung der Lebensgrundlagen durch die Erderwärmung, das auf dem heute virtuell tagenden Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) stark diskutiert werde.

Trauer-Reaktionen bei Klima-Aktivisten

Der Klimawandel sei eine Katastrophe, die aber erst langsam erfahrbar sei, sagt Meyer-Lindenberg. Deshalb handele es sich bei der Trauerreaktion nicht um eine anerkannte psychische Störung. Allerdings sei das Phänomen beispielsweise bei Klima-Aktivisten zu beobachten, beispielsweise bei Leuten, die sich für Fridays for Future engagieren. "Die tun das tatsächlich häufig aus einer erlebten existentiellen Betroffenheit." Sie schilderten relativ häufig solche Trauerreaktionen. Als Psychiater habe er auch solche Patienten.
Um von einer psychischen Erkrankung zu sprechen, müssten Kriterien einer gewissen Dauer und Schwere gegeben sein, sagt Meyer-Lindenberg. Eine Depression beeinträchtige beispielsweise die Bewältigung des Alltags. Sonst spreche man von einer einfachen Trauerreaktion oder einer Verstimmung.

Einpreisen in Klimamodelle

Auf dem Kongress werde auch über mögliche Therapien diskutiert. Gerade im Kampf gegen depressive Stimmungen könne man viele Erfolge vorweisen, sagt der Psychiater. Es gebe neue Psychotherapien, die solche Themen stärker berücksichtigten. Als Forscher wirke man auch daran mit, die Effekte der Klimaerwärmung auf die Psyche in die Klimamodelle über die Folgen der Erderwärmung mit aufzunehmen. Das müsse eingepreist und in Rechnung gestellt werden.
(gem)
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