Kleinverlag Peirene Press

Keine Angst vor Übersetzungen

Mitarbeiter des Londoner Kleinverlags Peirene Press verkaufen ihre Bücher auf Märkten und vor Supermärkten. Hier: Blick auf den Petticoat Lane Markt.
Mitarbeiter des Londoner Kleinverlags Peirene Press verkaufen ihre Bücher auf Märkten und vor Supermärkten. Hier: Blick auf den Petticoat Lane Markt. © picture alliance / dpa
Von Ruth Rach · 19.07.2016
Die Briten lesen gerne - allerdings fast ausschließlich Bücher aus dem englischsprachigen Raum. In Großbritannien sind nur fünf Prozent der Romane Übersetzungen. Deshalb trauen sich nur wenige Verlage an fremdsprachige Literatur heran - einer davon ist der Kleinverlag Peirene Press.
Karibische Hühnchen, indonesische Nudeln, walisische Bionüsse. Der Sonntagsmarkt im Queen Alexandra Park in Nord-London. Und mittendrin, ein Stand mit Büchern - schmale, elegant gebundene Paperbacks von Autoren wie Kamal Ben Hameda, Aki Ollikainen, Peter Verhelst..
Jack Mc Sweeny, Mitte 20, Assistent bei der Peirene Press, will die Passanten für moderne europäische Literatur gewinnen für Bestseller vom Kontinent, die zum ersten Mal auf Englisch erschienen, preisgekrönte Romane, total modern. Und höchstens 200 Seiten lang. Bücher, die man in einem Zug durchlesen kann. Schon bald ist der Peirene Stand von einem Grüppchen Gleichgesinnter umringt.
Frau: "Ich lese wahnsinnig gern. Ich halte ständig Ausschau nach neuen Büchern. Von diesen Autoren hab ich noch nie gehört. Ich hätte sie ja auch nie kennengelernt, weil ich gar keine Fremdsprachen kann."
Mann: "Ich mag den Ansatz. Frisch und ungewöhnlich. Und mitten zwischen dem Fisch und dem Gemüse..."
Jack Mc Sweeny hat einen Bachelor in Literatur. Voraussetzung für den Job am Bücherstand: er musste erst einmal sämtliche Romane lesen, die vom Peirene Verlag herausgegeben wurden. Die Lektüre hat Spaß gemacht.
Jack Mc Sweeny: "An seiner Uni hat er viel zu viel alte, tote, weiße Schriftsteller studiert."
Meike Ziervogel: "Das ist jetzt hier Peirene Headquarters, das ist auch mein Büro ...."

Für 35 Pfund im Jahr gibt es immer die neuen Bücher

Die Peirene Press wurde vor sieben Jahren von Meike Ziervogel gegründet. In ihrem Wohnzimmer in Nordlondon.
Ziervogel: "Hier haben wir zum Beispiel The Mussle Feast by Birgit Vanderbeke, das Muschelessen, dann Mathias Politycki, Next World Novella. Dann The Sea, das ist von einer Französin..."
Meike Ziervogel gibt höchstens vier Bücher im Jahr heraus, die sie persönlich auswählt und nicht nur auf üblichen Wegen – in Buchläden und online - verkauft, sondern auch im Abonnement. Ihre Kunden bezahlen 35 Pfund im Jahr und bekommen dafür jedes neue Buch zugeschickt.
Ziervogel: "Wir verkaufen unsere Bücher auch vor Supermärkten, so kommen wir im Grunde an Leser ran, die normalerweise nicht mehr in Buchläden gehen. Unsere Bücher sehen sehr hübsch aus, das heißt Leute - wenn wir auf dem Wochenmarkt stehen - kommen bei uns an weil die Bücher gut aussehen, und da fragen sie oft: was sind Sie denn, ein religiöser Verein? Und dann sag ich: ja, wir sind ein religiöser Verein. Wir wollen Sie zur Literatur bekehren.".
Aber, wird britischen Lesern nicht nachgesagt, dass sie Angst vor Übersetzungenhaben?...
"Wenn ich jetzt hingehe und sage, ja, das ist eine Übersetzung, nein, dann sagen viele Leser, nein, das wollen sie nicht. Wenn ich aber sage, das ist ein supertoller Roman über die deutsche Einheit, oder den Fall der Berliner Mauer, oder die Nazis, das finden die Engländer supertoll, dann hab ich kein Problem damit, dann geht es um die Geschichte."

20 Romane auf dem Sonntagsmarkt verkauft

Bücher haben sich immer schon durch persönliche Empfehlung verkauft, sagt Meike Ziervogel. Sie gibt auch eine Zeitung heraus.
"Eine Zeitung, die wir an den U-Bahnstationen zweimal im Monat verteilen... stehen wir an U-Bahnstationen hier in London, European Fiction for the first time in English.. Das ist im Grunde eine Zeitung mit unseren eigenen Büchern, aber auch über europäische Literatur und Buchtipps."
Im Moment konzentriert sich Meike Ziervogel auf ihr neuestes Projekt. Sie hat zwei Autorinnen nach Calais geschickt mit dem Auftrag, ihre Eindrücke aus dem Flüchtlingslager in einem Roman umzusetzen, der im August herauskommt.
Auf dem Sonntagsmarkt am Queen Alexandra Park packen die Händler unterdessen ihre Waren zusammen.
Jack Mc Sweeny hat im Laufe des Vormittags Dutzende von Peirene Zeitschriften verschenkt. Und über 20 Romane verkauft.
Das war ein schöner Tag, die Leute zeigten Interesse. Und irgendwann wird diese Saat wohl auch aufgehen.
Mehr zum Thema