Kleine Ortsnamenkunde: Thüringen

Von Allzunah bis Neuärgerniß

Die neu eingeweihte Autobahnkirche Grabfeld (Thüringen) an der Bundesbahn 71 am Rastplatz Thüringer Tor.
Grabfeld heißt die neu eingeweihte Autobahnkirche an der Bundesbahn 71 am Rastplatz Thüringer Tor. © dpa / picture alliance / Michael Reichel
Von Matthias Biskupek · 07.06.2016
Thüringer Humor - man findet ihn weder in der Literatur noch in der Musik. In Reiseberichten über Thüringen geht es um Burgen und Schnäppchenkäufe. Dabei strotzen die Ortsnamen in Thüringen nur so vor Witz. Aber wir wollen ja kein Neuärgerniß - und wie die Orte da so heißen.
Thüringen ist Stammland der Bindestrichnamen. Weil die Nester winzig waren, verbündeten sie sich mit Nachbarn: "Mönchpfiffel-Nikolausrieth", "Mengersgereuth-Hämmern". Zudem drückte der Ort Befindlichkeit aus: "Kühler Morgen" oder "Gute Hoffnung", "Hohes Kreuz" oder "Hungriger Wolf". Letzteres liegt übrigens gleich bei "Neuärgerniß". Da liegt auch der Spott "Allzunah", genau so, wie ein Ort oben und mitten auf dem Rennsteig heißt. Die Namens-Klärung ist einfach und nahe liegend. Die 1691 gegründete Glashütte empfanden die Besitzer der Glashütte im Nachbarort Stützerbach schlichtweg "Allzunah".
Doch es gibt im lieben Thüringen auch "Bösleben", "Niederbösa", "Streitholz" "Grobsdorf" und "Schlechtsart". Keine Frage, dass es "Drogen" gibt, "Gierstedt", "Faulungen" und "Gifting".
Das Dorf "Lederhose" würden wir nimmer in Thüringen suchen. Obwohl die Namensherkunft gar nicht auf Beinkleider weist: Lederhose ist verballhorntes Slawisch, nämlich der Ort eines Ludowaz. Die Einwohner sind hörbar ungehalten, fragt man, wie es sich in der Lederhose wohnt.
Mann: "Was mir zu Lederhose einfällt? Da sind Sie nich der Erste."

Keine Liebesgrüße aus der Lederhose

Wir wollen ja nur wissen, warum man hier wohnt; hier und nicht in "Singen", "Springen" oder "Juchhöh".
Frau: "Ich möchte mich aber nich interwjuhn lassen."
Auch beim nächsten und letzten Befragten kommt erst mal lange nischt…
Mann: "Ja … äh … ja, als ich hierhergezogen bin, da hab ich immer gedacht, eh kannst'n Porno drehen."
Bitte keine Liebesgrüße aus der Lederhose. Aber wenn wir dabei sind: "Geilsdorf", "Bockstadt", "Pöppschen" (sprich Pöpp-s-chen) und "Großeutersdorf" - alles Thüringer Orte. Von der Liebe zum Tier hingegen zeugen "Fuchsloch", "Katzendorf" und "Hundeshagen". Auch die Ferne holt sich der Thüringer wie's Holz vor die Hütte: "Beiern", "Friesen", "Schwarzwald" oder "Bremen".
Doch was hat es mit dem schönen Namen "Kuhfraß" auf sich? Will man dazu als Einwohner was sagen?
Frau: "Nee möchte ich nich."

Kuhfraß hieß zu DDR-Zeiten Neusitz II

Im oberen Dorf sitzen vor ihrem Haus ein Hund plus Ehepaar. Das ist gesprächiger und kennt die Reaktionen Fremder.
Frau: "Was, Kuh und fressen, ja ach, das ist aber ein schöner Name – angenehme Reaktionen, machen sich vielleicht auch drüber lustig."
Wir erfahren auch, dass der Name sich wandelte …
Mann: "Vorher Kuhfraß, dann zu DDR-Zeiten Neusitz II, weil wir zu Neusitz jehört ham, oben, aber nach der Wende sind wir dann widder Kuhfraß jewordn. Kuhfraß ist der Stammname."
Keine Frage, dass der Name zu Partnerschaften einlädt. Mit wem wohl?
Frau: "Wir hatten hier mit Schweinsdorf, sag doch mal..."
Mann: "Partnerschaft - hatte die Bürgermeisterin eingeleitet, so 'ne Partnerschaft und da haben wir die ooch mal besucht."
Im Dorfladen, der eigentlich ein Laden vom Sozialwerk Heuser auf Schloss Hirschhügel ist, erfahren wir Näheres:
Frau: "Ich weeß nur so viel, dass der James Parry hier durch den Ort gefahren ist und dass er gesagt hat: Ooch, das ist ä idyllischer Ort, da wo die Kuh fraß, da erbau ich mein Schloss."
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