Kleidung

Gottlose Latschen

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So sehen Pilgerschuhe aus, die Berliner Schuhwerkstatt kann damit aber nichts anfangen. © picture alliance / dpa
Von Vera Block · 05.04.2014
Vor ein paar Jahren hat der amerikanische Soziologe Peter Berger Berlin die "Welthauptstadt des Atheismus" genannt. Da ist wohl was dran, es gibt dort sogar einen Schuhladen für Atheisten.
"Jawohl! Atheist! Ja!" ruft ein schwarz-weißes Plakat, das durch die Glasfront des Ladens gut sichtbar ist. In dem ansonsten eher kahlen Raum stapeln sich naturbraune Schuhkartons. Auf jedem Türmchen, wie bunte I-Tüpfelchen, sind Schnürschuhe arrangiert. Flach, runde Spitze, dunkle Schnürsenkel. Spektakulär macht den Schuh, der seit rund anderthalb Jahren in einem Kreuzberger Hinterhof verkauft wird, erst die Sohle.
"Das Spezifische an dem Schuh ist der Spruch 'Ich bin Atheist' und das verkauft sich sehr gut in englischsprachigen Ländern, weil Deutsch ist cooler als Englisch. Ich bin a-the-ist... "
David Bonney zeigt die Sohle seiner schwarz-grünen Sneakers. Beide Flächen sind mit dem heiter geschwungenen Schriftzug versehen. Eine Fläche ist normal lesbar, die andere ist spiegelverkehrt geschrieben – damit der Spruch auch in allen Situationen und aus allen Blickwinkel gut lesbar bleibt.
"Die Stimmen der Kirchen sind viel zu laut"
"Ich war schon immer Atheist... Es gibt keinen Platz in meinem Leben, der mit Gott gefüllt werden will. Aber ich finde, die Gesellschaft nimmt es einfach nicht wahr, dass es Atheisten gibt. Und die Stimmen der Kirchen und Religionen sind viel zu laut.
Ein Mann mittleren Alters betritt den Laden.
"Ich brauche ein Modell, das zu Gesellschaftskleidung passt. Dieser Namenszug Atheist, den sie ins Profil eingearbeitet haben – das ist für mich sekundär."
Dabei schmunzelt der Mann und verrät:
"Ich bin Wissenschaftler, Physiker, Kosmologe... ich beschäftige mich mit der Entstehung der Welt... Und gibt es da niemanden? Wir haben noch niemaden gefunden... "
Mit seiner Ansicht, meint der Professor, sei er selbst unter den Kollegen eher in der Minderheit.
"Ich glaube, die meisten meiner Kollegen sind gläubig. So wie Einstein ja auch gläubig war..."
David Bonney freut sich über gleichgesinnte Kunden. Aber oft genug kommen auch Menschen in den Laden, die mit dem ihm über seine Einstellung diskutieren wollen.
"Einmal wurde ich gefragt: Wenn Sie nicht an die Bibel glauben, wo nehmen sie ihre Geschichten, ihre Helden her? Es gibt jede Menge säkulare Helden! Und ich denke nicht, das mich "Helden" mehr antreiben und inspirieren als andere Menschen. Ich denke, Atheisten sind erwachsene und selbstständig denkende Individuen."
Einfach ein witziger Modegag
Der Schuhdesigner macht sich nichts vor – für viele Kunden sind seine Schuhe einfach ein witziger Modegag.
"Wir verkaufen nach Schweden, Deutschland, Griechenland. Hauptsächlich aus modischen Gründen. Wir haben auch zwei oder drei Kunden in Saudi-Arabien. Das sind vielleicht die mutigsten Menschen, die ich kenne. Man kann dort ja auch exekutiert werden für solche Botschaften, für Atheismus. Die meisten Schuhe verkaufen wir in die USA. Und die Kunden schreiben mir:'Wir sind stolz auf das, was du tust und haben Respekt'..."
David Bonney ist Mitte 30, gebürtiger Dubliner. Zwar habe auch er als Kind im Kirchenchor gesungen, aber seine Familie sei komplett unreligiös gewesen. Vor fünf Jahren hat David Bonney seinen gutbezahlten Job in der Werbebranche gekündigt und ist aus London zu seiner deutschen Freundin nach Berlin gezogen. Er suchte nach einer sinnvollen Aufgabe. Sie sollte am Besten mit seiner Leidenschaft für die Schuhe zu tun haben - und ja, die Idee der atheistischen Schuhe konnte nur in Berlin reifen und erfolgreich werden.
"Ich habe Berlin immer als eine wenig religiöse Stadt wahrgenommen. Ich sehe zwar Kirchen hier und da. Aber ich vermute, sie sind meist leer. Vor einer Weile hatten wir eine kleine Filiale in New-York. Und dort spürst Du die Präsenz der Religion sehr deutlich. Es wird einem klar, dass es nicht ungefährlich ist, ein Atheist zu sein, du machst damit etwas sehr ernstzunehmendes und kontroverses. In Berlin ist all das kein Problem."
Firmenlogo ist ein schwarzes Loch
Als Firmenlogo ziert die Treter außen an der Ferse ein schwarzer Wildlederkreis – das berüchtigte schwarze Loch, das Ende aller Dinge. Wobei diese Wendung erscheint selbst seinem Kunden, dem Physikprofessor, als doch etwas zu düster.
"Das wäre nicht gut, das mit einem schwarzen Loch zu identifizieren, wo alles verschwindet, und nichts wieder hervorkommt. Das ist doch nicht im Sinne eines Herstellers... Das Universum ist aus einem weißen Loch entstanden. Vielleicht verschwindet es wieder einst in einem schwarzen Loch...
David Bonney lächelt sanft, zuckt mit den Schultern und kontert mit britischem Humor.
"Das ist ironisch gemeint! Dieses Loch kann jeder mit allem füllen – ob kleine Kätzchen oder Spaghetti, was immer man will!"
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