Klatschmaul in Hochform

04.02.2010
Der neapolitanische Gelehrte Ferdinando Galiani (1728–1787) ist ein Meister der Spitzfindigkeit. In seinen Briefen schlägt er Pfauenräder, spart nicht an köstlichem Tratsch, versorgt uns mit Abschweifungen über die Liebe, klagt über das Provinznest Neapel und nimmt selbstironisch seine Altersgebrechen aufs Korn.
Ein Mund ohne Zähne, wie demütigend! Zipperlein bei jedem Schritt, und Rheuma bei jedem Kniefall, dabei ist er doch im Herzen ein Eroberer geblieben! Voller Spott über sich und die Welt wendet er sich an seine Freundin Madame d'Epinay in Paris, wo er sich zehn Jahre lang als Sekretär der neapolitanisch-spanischen Gesandtschaft aufgehalten hatte, bis er 1769 zu seinem großen Kummer nach einem diplomatischen Zwischenfall Hals über Kopf heimkehren musste.

Eine neue Anthologie, von Wolfgang Hörner sorgfältig ediert und mit Zwischentexten versehen, stellt uns den vielfältigen Philosophen vor und liefert einen aufschlussreichen Querschnitt durch sein Werk. Galiani ist zugleich der Namenspatron des im vergangenen Jahr von Wolfgang Hörner und Esther Kormann gegründeten Verlags.

Berühmt geworden war der Abbé Galiani schon mit 21, als er nämlich anonym die Schrift "Della moneta", "Über das Geld", aus der ebenfalls Auszüge in dem Band enthalten sind, veröffentlichte. Das Buch war ein Geniestreich und wurde in ganz Europa diskutiert. Galiani bewies, dass Geld einen Wert hat und nicht, wie damals allgemein angenommen, willkürlich mit Wert versehen wird. Gleichzeitig begriff er Reichtum als etwas Soziales, da man sich erst im Vergleich mit anderen als wohlhabend oder arm empfindet.

Den wirtschaftlichen Aufstieg Europas brachte der Gelehrte mit der kolonialen Ausbeutung in Zusammenhang. In Paris war Galiani auf dem Höhepunkt seines Erfolges angelangt und leistete sich Verschrobenheiten: Er hielt einen Affen, empfing seine Besucher im Schlafzimmer, sammelte kostbare Bücher und zeugte trotz seiner priesterlichen Weihen mehrere Kinder.

Dass Galiani sich so frei entfalten konnte und auch auf dem gesellschaftlichen Parkett reüssierte, hing mit der neapolitanischen Aufklärung zusammen. Mit der Regentschaft des Bourbonenkönigs Karl III. 1734 war in Neapel ein neuer Geist eingezogen, und die Stadt avancierte zu einer führenden europäischen Metropole. Die Förderung der Wissenschaft, der Künste und der Wirtschaft stand an oberster Stelle.

Nach seiner Rückkehr aus Paris hatten sich die Verhältnisse durch den Amtsantritt Ferdinand IV. aber schon wieder verändert, und trotz seiner komfortablen gesellschaftlichen Stellung langweilte sich Galiani – umso bissiger, klüger und leidenschaftlicher wurden seine Briefe.

Der Band liefert einen wunderbaren Einblick in das 18. Jahrhundert und die Gepflogenheiten der geistigen Elite. Galiani war mit Genuss gehässig, phantasierte über ein Denkmal mit einer ketzerischen Inschrift für Voltaire und über ein weiteres für sich selbst, das besonders groß sein sollte – denn er wollte der Nachwelt das Wissen um seinen kleinen Wuchs ersparen.

An einer anderen Stelle sinniert er über die Verwechselung von Physischem und Moralischem. Galiani ist ein glänzender Stilist und kurzweiliger Plauderer, der in einem fort gedankliche Feuerwerkskörper in den Himmel schießt. Ein Klatschmaul in Hochform.

Besprochen von Maike Albath

Ferdinando Galiani: Nachrichten vom Vesuv. Briefe, Blitze, Lästereien
Aus dem Italienischen und Französischen von Franz Blei, Heinrich Conrad, Wilhelm Weigand, Fritz Schalk, Werner Tabarelli und Hans Stilett
Verlag Galiani, Berlin 2009
303 Seiten, 24,95 Euro