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10. Kurzfilmfestival Köln
Neue Welten, neue Körper

Die Reihe "New Aesthetics" zeigt visionäre Bastarde der Filmkunst, zwischen Kurzfilm, Netzkunst, interaktivem Erzählen und Games. Filme, die erst durch die digitalen Werkzeuge des Filmemachens möglich geworden sind. Sind das noch Filme? Antworten von Festivalleiter Johannes Duncker im Corsogespräch.

Johannes Duncker im Gespräch mit Anja Buchmann | 16.11.2016
    Anja Buchmann: "New Aesthetic" heißt eine Reihe im Rahmen des 10. Kurzfilmfestivals Köln, das heute beginnt. Dabei geht es um die Grenzen von Kurzfilm, Netzkunst, interaktivem Erzählen und Games. Filme, die durch die Werkzeuge des digitalen Filmemachens selbst möglich geworden und Reflexionen unseres Lebens in der digitalen Welt sind. In dieser Reihe finden sich die Rubriken: Future Bodies, Future Minds und Future Spaces. Was sich dahinter verbirgt, das kann Festivalleiter Johannes Duncker erklären, der diese Sektion "New Aesthetic" seit 2013 betreut. Schönen guten Tag, Herr Dunker.
    Johannes Duncker: Hallo.
    Buchmann: Future Bodies und Future Minds. Das klingt so ein bisschen zukunftsweisend und nach Cyborgs, Menschmaschinen, Künstliche Intelligenz etc. Was verbergen sich für Filme und Macharten hinter diesen Reihentiteln?
    Duncker: Das geht in diese Richtung. Wir haben bei New Asthetic ein bis zwei Themen denen wir uns zuwenden. Dieses Jahr waren es diese Themen Future Bodies, Future Minds, wo wir schauen wir verändern sich unsere Körper. In dem Bodies Programm auch, wie verändert sich die Wahrnehmung unserer Körper, dadurch, dass wir zum Beispiel im Internet mit Avataren unser Bild von uns selber bestimmen können. Wie wollen wir wahrgenommen werden. Aber auch eben dadurch, dass wir durch digitale Implantate selbst zu Cyborgs werden, Menschen und Maschinen verschwimmen, die Grenzen verschwimmen und wir eben gewisse Grenzen überwinden können.
    Und in dem Programm Future Minds schauen wir: Wie erzählen Computer Geschichten? Wie können Algorithmen ein Geschichtenerzählen nachahmen und wie verändert sich unser Denken im digitalen Zeitalter.
    Buchmann: Ich möchte noch einmal die Rubrik Future Bodies konkret aufgreifen. Da schreiben sie im Begleittext "im Netz erfinden wir uns neu und unsere Avatare überwinden Grenzen von Geschlecht, Hautfarbe und Alter. Doch, wie sehr sind diese Bild gängigen Stereotypen und Schönheitsidealen unterworfen." Diese Frage greife ich gerne mal auf: Nutzen die Filme aus der Reihe die Chance alte Stereotype zu hinterfragen oder abzustreifen? Zum Beispiel in dem Film "In between Identities"?
    Duncker: Ja. Das ist zum Beispiel ein Film, der die digitalen Bilder eines sehr gängigen Computerspiels nutzt, die wir so kennen. Zumindest die, die sich schon mal mit dem ein oder anderen Spiel beschäftigen, zeigt dann aber, dass man auch eine ganz andere Sichtweise auf diese Bilder werfen kann. Dass diese Avatare, die dort existieren in den Computerspielen auch eine gewisse fast dokumentarische Qualität in sich tragen. Dass wir, wenn wir den Blick einmal auf das werfen, was Abseits ist dort uns vielleicht etwas offenbart wird über die Leute, die diese Spiele machen. Aber auch wie wir selber diese Spiele rezipieren sehr viel erzählt.
    Ausschnitt aus dem Kurzfilm "Uzu"
    Ausschnitt aus dem Kurzfilm "Uzu" (Kurzfilmfestival Köln)
    Buchmann: Was hat das mit Stereotypen zu tun, die eventuell abgestreift oder über Bord geworfen werden?
    Duncker: Das ist vielleicht in diesem Film nicht so prägnant. In anderen Filmen wie zum Beispiel in "Utopia 1.0". Dieser Film zeigt eben, dass es dann vielleicht doch manchmal vorgegebene Bilder sind, die uns von diesen Spielen angeboten werden, die uns von diesen Avataren, die uns zur dort Verfügung stehen, die uns wieder einschränken, dass wir dann selber diese Macht ergreifen müssen. Und sagen: Ok, ich selber passe mir das so an, dass ich auch etwas anderes machen kann, dass ich jemand anderes sein kann. Und dort sieht man schon die Chance, dass man sich im Digitalen vielleicht doch anders begegnen kann, als offline.
    Buchmann: Es gibt auch einige Musikvideos. In ihren Reihen. Zum Beispiel "Heart Swing" von DJ Pone. Dort sieht man nur Gesichtsteile und Hände, sehr androgyn miteinander tanzend. Das geht doch schon relativ weit weg, von klaren Männlich - Weiblich Rollen, zum Beispiel.
    Duncker: Ja, das sind in dieser Reihe Filme, die unterschiedliche Spielarten dieses Themas besprechen. Das ist das schön an so einem Kurzfilmprogramm, dass man ganz viele unterschiedliche Formen aufeinanderprallen lassen kann. Und dort ist es ein Film, der diese Fragmentierung der Körper - finde ich - ganz schön zeigt. Der Körper auseinanderreißt, sie zerstückelt und uns sozusagen die Zwischenstellen offen lässt, die wir selbst ausmalen müssen. Auch diese Verschmelzung zwischen Mann und Frau. Einer Grenze, die sich vielleicht Online, im Digitalen auch, leichter auflösen lässt.
    Buchmann: Die Mann aber auch nicht so deutlich als Mann und Frau erkennt. Also, man kann es erkennen, was Weiblich, was Männlich sein soll. Aber es spricht keine ganz dicke, herkömmliche Rolle, hatte ich den Eindruck. Allerdings glauben sie, dass solche Bilder, Rollen und Grenzen hinterfragen oder aufbrechen, dass die sich auch im Netz bei der Allgemeinheit durchsetzen können. Was ich sehe, ist ja im Netz eher ein Rollback zu alten Mustern. Was für eine Rolle können solche Filme da spielen.
    Duncker: Ja ich glaube, dass es natürlich immer am Rande, grade in der Kunst andere Filme, oder andere Kunstwerke, die gewisse Spielarten, erstmal ausprobieren, bevor sie dann Mainstream werden. Aber, dass man doch sieht, dass es doch eben Entwicklungen gibt, wo der Mainstream solche Experimente aufgreift und sie dadurch in die Mitte der Gesellschaft irgendwann bringt und Leute erstmal zum Denken anregt und die tragen das dann weiter.
    Buchmann: Bei einigen Filmen der Future Spaces Reihe, werden dann auch VR, also Virtual Reality Brillen eingesetzt. Wie kann ich mir das vorstellen? Da geht es nicht nur darum, dass jeder mit einer VR-Brille dasitzt und einen Kurzfilm dreidimensional sieht. Sondern zum Teil kann er auch selbst bestimmen, worauf sein Augen und Ohrenmerk gelenkt wird.
    Duncker: Ja, das ist total spannend bei diesen Filmen zu gucken, bei diesen Medien, was sich in so einer jungen Phase befindet: Wie probieren die Filmemacherinnen und Filmemacher aus, wie kann man da erzählen. Und das ist zum Beispiel ein Film, der in dieser Reihe läuft. "New Wave" in der wir einen kurzen Einblick in eine Beziehung kriegen und durch die Wahl unserer Perspektive entweder die Gedanken des Mannes oder der Frau hören. Und so hat der Zuschauer Einfluss auf dieses Narrativ und kann den Film, auch grade, wenn man ihn mehrmals guckt, das Narrativ komplettieren. Aber auch bei den anderen Filmen ist es durch die Wahl der Perspektive, durch diesen Raum der sich 360 Grad um uns erstreckt, möglich für den Zuschauer oder die Zuschauerin ganz neu diese Erzählung wahrzunehmen. Dadurch, dass ich mich selber in dem Gespräch entscheiden kann: Gucke ich jetzt die eine oder andere Person an.
    Buchmann: Das ist jetzt eine Kunst, die tatsächlich noch ganz am Anfang steht. Und das erleben wir quasi mit.
    Duncker: Genau. Es ist so ein bisschen, wie der Zug der in den ersten Filmexperimenten einfuhr. Und dem kann man sozusagen jetzt Live dabei zugucken, was fasziniert und jetzt erstmal. Wie gesagt die Wahrnehmung von Räumen. Grade sind wir dabei sehr schnell zu sehen, wie entwickeln sich gewisse Erzählungen, was können wir mit diesem neuen Medium überhaupt machen.
    Buchmann: Ist das überhaupt noch Film? Zum Teil ist es ja wirklich sehr Grenzüberschreitend, Richtung Interaktivität oder auch Games. Die Grenzen sind auf jeden Fall auch fließend.
    Szene aus "RRRING RRRING" von Thomas Kneffel
    Szene aus RRRING RRRING von Thomas Kneffel (Kurzfilmfestival Köln / Thomas Kneffel)
    Duncker: Die Grenzen sind fließend. Wir haben uns beim Kurzfilmfestival Köln darauf beschränkt nicht-interaktive Sachen zu zeigen. New Wave ist da so ein bisschen eine Ausnahme, weil man den Ton steuern kann. Durch die Bewegungsrichtung. Aber im Prinzip sind es Film die 360 Grad um den Zuschauer oder die Zuschauerin herumprojiziert werden.
    Buchmann: Wie sehr werden solche Technologien das Kinoleben in den nächsten Jahren beeinflussen? Wie ist da ihre Einschätzung. Bleibt das was für Nerds oder wird das auch vom Mainstreamkino angenommen werden?
    Buchmann: Ich glaube, dass der Kinoraum an sich davon nicht so betroffen ist. Weil dieses gemeinschaftliche Erleben in einem Raum doch noch was anderes ist. Ich sehe es eher so im Heimkinobereich. Und da glaube ich aber schon, dass das eine große Verbreitung finden wird. Es geht jetzt grade sehr über die Gamesindustrie. Was sicherlich ein großer Punkt auch ist bei Virtual Realitity. Aber auch diese Filme, diese Experimente, die wir zeigen, die zeigen mir, dass da ganz viel Potential ist.
    Duncker: Wie sieht die Zuschauerstruktur aus ihre Festivals, dass es seit zehn Jahren jetzt schon gibt.
    Buchmann: Wir haben ein sehr junges Publikum. Es sind sehr viele Studenten, die zu uns kommen. Eben, weil wir diese Digitalthemen ansprechen wahrscheinlich. Wir freuen uns, dass wir da sehen, dass sehr viele Junge Leute nach wie vor Lust auf Kino haben.
    Der Leiter des Kurzfilmfestivals Köln, dass sein zehnjähriges feiert. Herzlichen Dank Johannes Dunker.
    Heute Abend Beginnt das Festival mit der Eröffnungsveranstaltung und um 21:30 dann "Best of Festivals". Eine Art Querschnitt der gegenwärtigen Tendenzen im Internationalen Kurzfilm.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.