Kirk Wallace Johnson: „Der Federndieb“

Fischköder wie filigrane Kunstwerke

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Der Protagonist des Buches ist passionierter Hobby-Fliegenfischer. © picture allaince / dpa
Von Susanne Billig · 23.10.2018
Die erfolgreichsten Fliegenfischer sind die, die die buntesten Köder aus Vogelfedern bauen. Kirk Wallace Johnson gibt in seinem Buch „Der Federndieb“ Einblicke in diese Kunst. Und kommt einem millionenschweren Museumsraub von Vogelbälge auf die Spur.
Manche Menschen hegen eine unstillbare Leidenschaft für das Fliegenfischen. Einige verbringen sogar ihre gesamte Freizeit damit, aus Vogelfedern jene besonderen, farbenprächtigen Köder zu binden, mit denen sich Lachse herbeilocken lassen. Das erfährt man in "Der Federdieb", dem neuen Buch des britischen Autors Kirk Wallace Johnson.
Während Forellen hungrig nach Fliegenattrappen aus gewöhnlichem Kaninchenfell, Wolle und Hühnerfedern schnappen, beißt ein Lachs aus lauter Wut zu, wenn er sich bei der Eiablage gestört fühlt – und das lässt sich am besten provozieren, wenn der Fliegenfischer Köder mit grellen Farben und ungewöhnlichen Formen einsetzt.

Köder als filigrane Kunstwerke

Was für ein entlegenes, seltsames Sujet! Und welches Vergnügen, lesend dabei zu sein, wenn Kirk Wallace Johnson der Fliegenbinderei immer neue Wendungen entlockt. Der Autor erzählt aus der Antike, in der Fischer bereits mit künstlichen Fliegen hantierten. Erst im viktorianischen Zeitalter wuchs sich das Fliegenbinden zu einer Passion für Exzentriker aus. Damals quollen exotische Vogelbälge aus zahllosen Schiffen, die mit "Kolonialwaren" aus fernen Ländern heimkehrten.
Während reiche Frauen um die seltensten Federn auf ihren Hüten wetteiferten, banden ihre Ehemänner südamerikanischen Felsenhahn und indischen Eisvogel, und Amazonien-Ara an ihre Angelhaken. Eine Fotostrecke im Buch zeigt die Köder: fantasievolle Schein-Insekten, die mit ihren kontrastreichen Farbverläufen und ihrem eleganten Schwung wie filigrane Kunstwerke anmuten.

Vom Sachbuch zum Krimi

Es kam, wie es in Zeiten entfesselter Gier kommen musste, erzählt Kirk Wallace Johnson. Die Vogelpopulationen brachen zusammen, frühe Naturschützer protestierten gegen den Massenmord im Dschungel, strengere Gesetze zogen einen Schlussstrich: Die Damen-Hutmode musste sich ändern und die meisten Fliegenbinder kehrten zur gefärbten Hühnerfeder zurück.
Und genau an dieser Stelle verwandelt sich das Sachbuch in einen rasanten Krimi, denn einige Rebellen lassen sich die exotischen Federn bis heute nicht verbieten – und manche sind dafür sogar zu einem Verbrechen bereit.
So brach ein junger Mann in ein Naturkundemuseum ein und raubte dort schubladenweise tote Vögel, die der berühmte Naturforscher Alfred Russell Wallace im 19. Jahrhundert von seinen Expeditionen mitgebracht hatte. Es waren die letzte Zeugen ihrer Art – und Federlieferanten für fanatische Fliegenbinder.

Düstere Welt der Wilderei

Mit einem wunderbaren Gespür für Spannungsbögen, intelligente Schnitte und thematische Überblendungen zeichnet Kirk Wallace Johnson das Leben der ersten Evolutionsforscher nach, taucht ein in die düstere Welt der Wilderei und des weltweiten Artensterbens, mischt Anekdoten aus seinem Leben hinzu und schildert hautnah Einbrüche und illegale Internet-Verkäufe.
Am Ende verwandelt er sich sogar in einen Privatdetektiv und macht sich auf die Suche nach dem, was die Polizei längst verloren gegeben hat: Millionenschwere Vogelbälge in den Händen krimineller Fliegenbinder. Mehr sei nicht verraten: selber lesen!

Kirk Wallace Johnson: "Der Federndieb"
Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer
Droemer Verlag, München 2018
384 Seiten, 22,99 Euro

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