Kirill Petrenko dirigiert die Berliner Philharmoniker

Romantisch-russische Fantasiereisen ins Ungewisse

Präsent auch in der Pandemie: Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker
Präsent auch in der Pandemie: Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker © picture alliance / dpa / Sophia Kembowski
Moderation: Olaf Wilhelmer · 20.01.2021
Das Haus geschlossen, die Lage schwierig – aber die Berliner Philharmoniker spielen ihre Konzerte, so gut es geht, vor Kameras und Mikrofonen. Der Chefdirigent Kirill Petrenko leitet ein Programm mit russischen Tondichtungen.
Russland ist groß, die Musikwelt ist klein – vor allem die zwischen Moskau und Sankt Petersburg. Sergej Rachmaninow komponierte mit "Francesca da Rimini" einen Operneinakter auf ein Libretto von Modest Tschaikowsky – die Berliner Philharmoniker hatten unter Kirill Petrenko eine konzertante Aufführung des Werks geplant, eingeleitet durch die Fantasie-Ouvertüre "Romeo und Julia" von Peter Tschaikowsky, dem Bruder des Dichters Modest.

Russischer Ringtausch

Nachdem die aktuellen Umstände die Opernaufführung vereitelten, wurde das Programm umgeplant, aber "Francesca da Rimini" konnte bleiben – dank einer gleichnamigen Tondichtung Peter Tschaikowskys. Sergej Rachmaninow wiederum ist mit seiner "Toteninsel" vertreten.
Die Berliner Philharmonie muss mitsamt ihrem städtebaulich neu gestalteten Grundstück noch einige Zeit auf Publikum warten
Die Berliner Philharmonie muss mitsamt ihrem städtebaulich neu gestalteten Grundstück noch einige Zeit auf Publikum warten© picture alliance / dpa-Zentralbild / Jens Kalaene
Kirill Petrenko kann somit trotz aller Einschränkungen eine sorgfältig "komponierte" Zusammenstellung russischer Tondichtungen präsentieren – auch unter anderen Bedingungen wäre das ein achtbares Programm gewesen.
Gemeinsam ist diesen Werken der Bezug zu Literatur und Malerei ebenso wie die Tatsache, dass in diesen gedanklichen Reisen der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind.

Internationale Inspiration

Mit Berlioz und Liszt im Hintergrund ging der junge Tschaikowsky in den 1870er Jahren ans Werk, mit Wagner im Sinn folgte ihm Rachmaninow eine Generation später nach. Bei allen Einflüssen, quer durch Stile und Epochen hindurch, handelt es sich hier um drei zutiefst russische Werke.
Liebe in der Unterwelt: Gustave Dorés Illustrationen zu Dantes "Göttlicher Komödie" inspirierten Peter Tschaikowsky
Liebe in der Unterwelt: Gustave Dorés Illustrationen zu Dantes "Göttlicher Komödie" inspirierten Peter Tschaikowsky© imago images / Leemage
Nachdem Tschaikowsky Italien, diese grandiose Kulisse von "Romeo und Julia", persönlich kennengelernt hatte, war er zunächst sehr enttäuscht. Dennoch wandte er sich weiterhin nicht nur den Dramen Shakespeares, sondern auch anderen italienischen Motiven zu, etwa der mörderischen Liebesgeschichte Francesca da Riminis, die durch Dantes "Göttliche Komödie" berühmt und seitdem in vielfachen Variationen künstlerisch bearbeitet wurde. Die Illustrationen Gustave Dorés hatten es ihm dabei besonders angetan.

Dunkle Fantasien

Rachmaninow wiederum schrieb mit der "Toteninsel" eines seiner bedeutendsten Orchesterwerke nach dem gleichnamigen Gemälde von Arnold Böcklin. Die Überfahrt ins Totenreich diente ihm dabei eher als allgemeine Inspiration; das Gemälde sah er erst später im Original – und war davon ähnlich enttäuscht wie seinerzeit Tschaikowsky von Italien. Schon zu früheren Zeiten galt: Die schönsten Reisen finden in der Fantasie statt.
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 16.01.2021
Peter Tschaikowsky
"Romeo und Julia", Fantasie-Ouvertüre nach Shakespeare
Sergej Rachmaninow
"Die Toteninsel", Sinfonische Dichtung op. 29
Peter Tschaikowsky
"Francesca da Rimini", Orchester-Fantasie nach Dante op. 32
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