Donnerstag, 25. April 2024

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Krankenkassenbeiträge steigen
"Sie haben ein Sonderkündigungsrecht"

Viele Krankenkassen werden zum 1. Januar die sogenannten Zusatzbeiträge erhöhen. Versicherte, die deshalb über einen Wechsel nachdenken, sollten nicht in Hektik verfallen, rät Sabine Baierl-Johna von der Stiftung Warentest. Nur wer kürzer als 18 Monate Mitglied seiner bisherigen Versicherung ist, muss sich zumindest ein bisschen beeilen.

18.12.2015
    Gesundheitskarten mehrerer Krankenkassen liegen auf einem Tisch.
    Die zahlreichen gesetzlichen Krankenkassen unterscheiden sich beispielsweise im Bereich Zusatzleistungen, die sie erbringen - oder auch eben nicht erbringen. (dpa/picture alliance/Harald Tittel)
    Georg Ehring: Die gesetzlichen Krankenkassen geben mehr aus als sie einnehmen, und das hat Folgen im nächsten Jahr. Viele Kassen erhöhen die Zusatzbeiträge, manche auch sehr deutlich. Heute entscheiden zwei Schwergewichte der Branche über die Beiträge im nächsten Jahr: die Barmer GEK und die DAK mit zusammen elf Millionen Mitgliedern. Ist ein Kassenwechsel die richtige Antwort auf Beitragserhöhungen? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Sabine Baierl-Johna von der Stiftung Warentest. Guten Tag, Frau Baierl-Johna.
    Sabine Baierl-Johna: Schönen guten Tag.
    Ehring: Frau Baierl-Johna, zunächst mal: Wie stark steigen denn die Beiträge bei den Großen der Branche? Was wissen Sie schon darüber?
    Baierl-Johna: Wir haben die geöffneten Krankenkassen gefragt, wie sie sich verhalten im nächsten Jahr, wie die Beiträge angepasst werden sollen, und wir haben noch nicht von allen Kassen eine Rückmeldung bekommen. 60 haben sich schon festgelegt. Die steigen im Durchschnitt tatsächlich so, wie der Bundesgesundheitsminister das angegeben hat. Der hat nämlich schon Ende diesen Jahres festgelegt, wie der durchschnittliche Zusatzbeitrag im kommenden Jahr sein soll. Der liegt über alle Kassen gesehen bei 1,1 Prozent, jetzt 2015 lag er bei 0,9 Prozent. Und wenn man sich alle Kassen anschaut und dann schaut, wie ist der Durchschnitt tatsächlich, dann liegt er bei denen, die uns das bislang mitgeteilt haben, tatsächlich zwischen 15,5 Prozent und da werden noch ein paar teure Kassen dazukommen, die jetzt ihre Verwaltungsratssitzungen erst zum Jahresende durchführen, und dann bestimmen, wie der Zusatzbeitrag sein wird.
    Ehring: Was sind die Gründe für die Beitragserhöhungen?
    Baierl-Johna: Grundsätzlich kann man sagen, dass natürlich die Ausgaben für Gesundheit, für Krankenhausversorgung, für die ärztliche Versorgung, für die Arzneimittel sowieso Jahr für Jahr steigen, meistens um rund vier Prozent. Das war zumindest in den letzten Jahren der Fall. Und dann muss man sagen, es kommen noch einige Neuerungen dazu, die schon in diesem Jahr zum Teil gegriffen haben, zum Teil ab 2016 gelten werden: Gesetze, die die Versorgung der Versicherten verbessern sollen. Zum Beispiel das Krankenhaus-Strukturgesetz, oder das Hospizgesetz, das Präventionsgesetz. Und überall gibt es Regelungen, die gut für die Versicherten sind, die den Versicherten mehr Leistungen bringen, zum Beispiel mehr Pflegepersonal im Krankenhaus, oder auch eine bessere Anschlussversorgung zu Hause nach einem Krankenhausaufenthalt, dass man da einen Anspruch auf eine häusliche Krankenpflege hat. Aber diese Dinge kosten natürlich alle Geld und tatsächlich ist es so, dass der Krankenkassenbeitrag im Moment mit einem Grundbeitrag von 14,6 Prozent festgelegt ist. Den teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Aber alles, was oben draufkommt, alle Kosten, die jetzt noch zusätzlich durch steigende Ausgaben, durch die Gesetzesänderungen entstehen, die laufen dann zu Lasten des Versicherten.
    In Ruhe über Vor- und Nachteile eines Kassenwechsels nachdenken
    Ehring: Wenn mir meine Kasse jetzt kurz vor Weihnachten noch eine Beitragserhöhung mitteilt, kann ich dann die Kasse so schnell wechseln zum nächsten Jahr?
    Baierl-Johna: Die Kassen erhöhen zum 1. Januar in der Regel. Das heißt, sie müssen Ihnen bis Ende Dezember auch mitgeteilt haben, wie das passiert, wie hoch der zusätzliche Beitrag, den sie dann erheben, sein wird. Und Sie haben ein Sonderkündigungsrecht, und zwar bis zum Ende des Monats, in dem der Zusatzbeitrag erstmals erhoben wird. Im Januar wird er erhoben, Sie haben bis Ende Januar das Recht, die Krankenkasse zu wechseln. Die meisten müssen sich aber gar nicht diesem Zeitdruck aussetzen, denn jeder kann die Krankenkasse wechseln, wenn er mindestens 18 Monate versichert ist. Das heißt, man kann erst mal in Ruhe nachdenken, möchte man überhaupt wechseln, was bringt es, wie viel kann ich sparen durch einen Wechsel, habe ich gegebenenfalls Vorteile bei meiner Kasse oder bei anderen Kassen. Nur wer wirklich noch nicht so lange bei seiner Kasse versichert ist, kürzer als 18 Monate, der muss oder kann das Sonderkündigungsrecht in Anspruch nehmen und muss dann bis Ende Januar die Kasse wechseln oder verlassen.
    Ehring: Wo unterscheiden sich die Kassen denn, außer bei der Beitragshöhe?
    Baierl-Johna: Die Krankenkassen unterscheiden sich auch in Zusatzleistungen, die sie erbringen. 95 Prozent der Leistungen sind gesetzlich geregelt. Die medizinisch notwendigen Dinge leistet natürlich jede Kasse, Krankenhausversorgung wird bezahlt, da gibt es keine Unterschiede. Aber es gibt Zusatzleistungen, die freiwillig angeboten werden, und da gibt es doch gewaltige Unterschiede. Beispielsweise bei Reiseimpfungen, das zahlen viele Krankenkassen, es gibt aber auch Kassen, die zahlen überhaupt nichts dazu. Oder zum Beispiel bei einer krankengymnastischen Versorgung, einer Art Physiotherapie, das ist die Osteopathie, da zahlen einige Kassen mehrere hundert Euro. Oder es gibt das Beispiel der Kinderwunschbehandlung, der künstlichen Befruchtung. Da gibt es einen gesetzlich geregelten Anteil, den die Kassen bezahlen müssen, aber viele zahlen auch einiges darüber hinaus und das kann dann auch schon einige hundert Euro wert sein, sodass man sich überlegen muss, wie viel spare ich gegebenenfalls durch einen Wechsel, welche Zusatzleistungen kann ich in Anspruch nehmen, möchte ich haben, und wiegt sich das vielleicht auf.
    Ehring: Sabine Baierl-Johna war das von der Stiftung Warentest. Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.