Genussmittel

Kaffee als Gesundheitselixier

Kaffeebohnen in der Kaffee-Rösterei Bad Saarow u.G. in Bad Saarow (Brandenburg) von der Coffeologin und Barista Katja Straube. Foto:
Frisch geröstete Kaffeebohnen - das darin enthaltene Koffein entspannt und sorgt für ein sonnigeres Gemüt. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Udo Pollmer · 04.11.2016
Im Lieblingsgetränk der Deutschen steckt ein Gift gegen Insekten - Koffein. Trotzdem ist Kaffee keinesfalls giftig für den Menschen, erklärt Udo Pollmer. Im Gegenteil: Wer ihn regelmäßig trinkt, schützt sich vor Diabetes, Leberproblemen und Herzinfarkt.
Wie heißt der Deutschen liebstes Pestizid? Nein, nicht Glyphosat, DDT oder gar die Neonictinoide. Ein kleiner Tipp: Es handelt sich um ein Insektizid, noch dazu eines, das viele Menschen Tag für Tag sehnsüchtig erwarten. Es steckt in der Kaffeebohne und heißt: Koffein. Mit diesem "Genussgift" schützt sich der Kaffeestrauch vor Insektenfraß. Und davon nimmt der Deutsche ganz ungeniert täglich etwa 300 Milligramm zu sich. Mit wachsender Begeisterung verleibt sich die Menschheit im Jahr etwa eine Viertel Million Tonnen dieses "Insektentods" ein – unendlich viel mehr als von allen landwirtschaftlich genutzten Pestiziden zusammengenommen.
Natürlich bekämpfen wir mit unserer morgendlichen Tasse Kaffee nicht etwa die Motten im Frühstücksmüsli, sondern eher die Läuse, die uns über die Leber gelaufen sind. Denn Kaffee bringt eine schläfrig-mürrische Stimmungslage wieder in ein arbeitsfähiges Gleichgewicht. Das Koffein gleicht den Mangel an Tageslicht aus – der Zucker im Kaffee verstärkt übrigens diese Wirkung. Ein ideales Getränk für alle, die nicht an der frischen Luft arbeiten, sondern unter Kunstlicht im Büro. Coffein entspannt und sorgt für ein sonnigeres Gemüt.

Kaffeetrinker leben länger als Kaffeeabstinenzler

Das hat natürlich Folgen für die Gesundheit. Um ein aktuelles Forschungsergebnis aufzugreifen: Eine Metaanalyse von 31 prospektiven, also methodisch hochwertigen Studien, fand, dass Kaffeetrinker länger leben als Kaffeeabstinenzler. Eingeflossen sind dafür die Daten von mehr als anderthalb Millionen Teilnehmern. Weitere Untersuchungen bescheinigen, dass Personen, die viel Kaffee trinken, länger leben als diejenigen, die sich nur ein Tässchen gönnen.
Die geringere Sterblichkeit liegt daran, dass Kaffeetrinker seltener an Diabetes erkranken, weniger Leberprobleme haben und seltener einen Herzinfarkt erleiden. Kaffee schützt vor dem Metabolischen Syndrom – und wirkt auch dann noch, wenn sich die Krankheiten bereits manifestiert haben. Aus gesundheitspolitischer Sicht ist guter Kaffee sozusagen ein Volltreffer im Ernährungslotto.

Kaffee als Flüssigkeitsräuber – eine Mär

Die Ernährungsszene ist darüber nicht wirklich glücklich. Was hat sie schon alles gegen die genannten Krankheiten in den letzten Jahrzehnten empfohlen? Weil gewöhnlich ohne Effekt, kamen immer neue Schnapsideen. Gleichzeitig hat sie es nicht an Warnungen vor Kaffee mangeln lassen. Man denke nur an die aberwitzige Story vom "Flüssigkeitsräuber" – und das bei einem Getränk, das fast nur aus Wasser besteht.
Aus dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Rehbrücke verlautet, dass es gar nicht nötig sei, morgens Kaffee zu trinken – man könnte das gleiche Ziel auch durch ein "gesundes Körpergewicht... wenig Fleisch, regelmäßigen Vollkornverzehr und körperliche Aktivität erheblich beeinflussen". Das hülfe angeblich gegen Diabetes. Jetzt fehlen nur noch die Maßnahmenbündel gegen Leberprobleme und gegen Herzinfarkt. Doch es bleibt alles graue Theorie.

Größtes Risiko: Schimmelpilze auf beschädigten Kaffeebohnen

Warum um alles in der Welt sollen sich die Menschen mit einem Sammelsurium spekulativer Ratschläge den Tag verderben lassen? Zum Frühstück gibt’s dann wohl eine Tasse lauwarmen Wassers, um ja keinen Kaffee trinken zu müssen. Welchen Lebensstil haben bitte Ernährungsforscher oder Gesundheitsjournalistinnen? Sie trinken für gewöhnlich Kaffee – und nicht zu knapp.
Natürlich birgt der Kaffee auch gewisse Risiken. Am augenfälligsten ist das kochende Wasser – dann wenn es verschüttet wird und ein Kind sich damit verbrüht. Risiken entstehen auch dadurch, dass nun Menschen, denen Kaffee einfach nicht bekommt, diesen dennoch konsumieren, weil er ja so "gesund" ist. Doch das größte Risiko bergen beschädigte Kaffeebohnen. Diese sind oft von Schimmelpilzen befallen, die üble Gifte wie das Ochratoxin A produzieren.
Wer also etwas für die Gesundheit der Bürger tun will, sollte dazu beitragen, dass der Kaffee aus gesunden Bohnen ordnungsgemäß geröstet wird und unverfälscht in den Handel kommt. Das viele Geld, das für die Ernährungsforschung verbraten wird, wäre in die Lebensmittelüberwachung wohl besser investiert. Mahlzeit!
Literatur
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Santos RMM, Lima DRA: Coffee consumption, obesity and type 2 diabetes: a mini‑review. European Journal of Nutrition 2016; epub ahead of print
Sarria B et al: Regularly consuming a green/roasted coffee blend reduces the risk of metabolic syndrome. European Journal of Nutrition 2016; epub ahead of print
Grosso G et al: Coffee consumption and risk of all-cause, cardiovascular, and cancer mortality in smokers and non-smokers: a dose response meta-analysis. European Journal of Epidemiology 2016; epub ahead of print
Nathanson JA: Caffeine and related methylxanthines: possible naturally occurring pesticides. Science 1984; 226: 184-187
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Casal S, Rebelo I: Coffee: a dietary intervention on type 2 diabetes? Current Medicinal Chemistry 2016; epub ahead of print
Wadhawan M, Anand AC: Coffee and liver disease. Journal of Clinical & Experimental Hepatology 2016; 6: 40-46
DIfE Pressestelle: Gene beeinflussen, wie stark Kaffee vor Diabetes schützt. Pressemitteilung 22. Sept. 2016
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