Kinokolumne "Top Five"

Meryl Streep in ihren fünf größten Rollen

US-Schauspielerin Meryl Streep beim 11. Rome Film Festival im Oktober 2016
US-Schauspielerin Meryl Streep beim 11. Rome Film Festival im Oktober 2016 © picture alliance / dpa / Donatella Giagnori / Eidon
Von Hartwig Tegeler · 14.01.2017
Die Schauspielerin Meryl Streep hatte den künftigen US-Präsidenten Donald Trump kürzlich in einer Rede kritisiert, ohne in direkt zu nennen. Der bezeichnete Streep daraufhin als "überbewertet". Fünf Filme, die zeigen, warum Streep bereits drei Oscars gewonnen hat. Auch Trump äußerte sich früher ganz anders.
Platz 5: "Die durch die Hölle gehen" von Michael Cimino (1978)
Meryl Streep und Robert de Niro tanzen in einer Szene aus Michael Ciminos Film "Die durch die Hölle gehen" von 1978 miteinander.
Szene mit Meryl Streep und Robert de Niro aus Michael Ciminos Film "Die durch die Hölle gehen" von 1978© imago / United Archives
Die aus der Arbeiterschicht kämpften und kämpfen die Kriege der Reichen und Mächtigen, die ihre Söhne vom Kriegsdienst freikaufen: Auch davon erzählen die großen amerikanischen Kino-Epen immer wieder. Insofern geht es in Ciminos Masterpiece von 1978 nicht nur um die Posttraumatisierungen der Vietnamkämpfer, sondern auch um das Alltagsleben der russischstämmigen Stahlarbeiter in der Provinz von Pennsylvania, im "rust belt" - im alten "Rostgürtel" der USA. Meryl Streep - damals war sie 29 Jahre alt - spielt Linda in einer wunderbaren Mischung aus Unschuld, Zartheit, Sturköpfigkeit und Geerdet-Sein. Der Mann, den sie liebt, und der, der unglücklich in sie verliebt ist - Christopher Walken und Robert de Niro - werden in den Vietnam-Krieg ziehen und als Zerstörte wiederkehren. Am Ende sitzen die Überlebeden in ihrer Stammkneipe. Linda alias Meryl Streep fängt an, "God Bless America" zu singen. Trotzig, stur, gegen die Realität. Und die Stahlwerke, die hier noch rauchen, werden bald verschwunden sein. Und die Arbeiter auch. Inzwischen reden wir von den "Abgehängten".
Platz 4: "Silkwood" von Mike Nichols (1983)
Die Schauspielerin Meryl Streep als Karen Silkwood in Mike Nichols Film "Silkwood"
Meryl Streep als Karen Silkwood in Mike Nichols Film "Silkwood"© imago/EntertainmentPictures
Stur ist auch Karen Silkwood, Arbeiterin in einer Plutonium-Aufbereitungsanlage, Gewerkschaftlerin, die ihre Nachforschungen über die lebensgefährdenden Praktiken in der Fabrik an die Presse weitergeben will, und auf dem Weg zum Treffen mit einem Journalisten auf mysteriöse Weise zu Tode kommt. "Based on a true story" - der von Karen Silkwood. Die Entwicklung der Chemietechnikerin von einer naiven Angestellten zur politischen Kämpferin stellt Meryl Streep auf dem schmalen Grat zwischen entsetzt naivem Erstaunen und Widerstandsgeist dar.
Platz 3: "Jenseits von Afrika" von Sydney Pollack (1985)
Der US-amerikanische Schauspieler Robert Redford wäscht Meryl Streep in einer Szene aus Sydney Pollacks Film "Jenseits von Afrika" von 1985 an einem Fluss die Haare.
Meryl Streep mit Robert Redford in "Jenseits von Afrika" © picture-alliance / dpa / Eve Goldschmidt
Das Leben der dänischen Schriftstellerin Karen Blixen, die 1913 nach Kenia auswanderte, als Hollywood-Kolonial-Epos. Bildgewaltig, wehmütig, romantisch, auch kitschig. Aber auch der Film mit einer der schönsten Liebesszenen der Filmgeschichte. Wenn Robert Redford als Großwildjäger der Plantagenbesitzerin am Fluss die Haare wäscht. Die Kamera nur auf dem Gesicht von Meryl Streep. Nur das Gesicht. Und wenn dann in ihrem erotischen Blick die Leinwand explodiert. Unfassbar, was "die Streep" in diesem Moment erschafft.
Platz 2: "Die Eiserne Lady" von Phyllida Loyd (2011)
Meryl Streep sitzt als Margaret Thatcher in einer Szene des Films "Die Eiserne Lady" am Schreibtisch.
Meryl Streep als Margaret Thatcher in einer Szene des Films "Die Eiserne Lady"© dpa-Film / Concorde
Ihren dritten Oscar erhielt die damals 62-jährige Meryl Streep für die Darstellung von Maggie Thatcher, die in Großbritannien in den 1980er-Jahren die Gewerkschaftsbewegung zerschlug und das Land für den Neoliberalismus sturmreif schoss. Der Film konzentriert sich vor allem auf den Charakter von Maggie Thatcher, ist im Wesentlichen unpolitisch. Aber staunend können wir sehen, wie die US-amerikanische Schauspielerin Streep der britischen -hier schon dementen - Politikerin die gesamte Spannbreite von Machtgier, Härte und Verzweiflung spielt. Kein großer Film, aber großes Schauspielen über eine große Narzistin, die eine soziale Wüste hinterließ.
Platz 1: "Der Manchurian Kandidat" von Jonathan Demme (2004)
Meryl Streep als Eleanor Prentiss Shaw und ihr Filmsohn Raymond Shaw (Liev Schreiber) tanzen in einer Szene aus Jonathan Demmes Film "Der Manchurian Kandidat"
Meryl Streep als Eleanor Prentiss Shaw und ihr Filmsohn Raymond Shaw (Liev Schreiber) in "Der Manchurian Kandidat"© picture-alliance / dpa / UPI / Ken Regan
Eine tragische, dramatische Verschwörung: Die Mutter und Senatorin, bezahlt und verbandelt mit dem militärisch-industriellen Komplex, versucht, ihren Sohn zum Vizepräsidenten zu machen, damit der nach einem gezielten Attentat "leader of the free world" wird. Meryl Streep spielt diese Frau mit verstörender Eiseskälte und Gnadenlosigkeit. Man kann kaum zusehen - kann also schlicht nicht die Augen von ihr lassen, wenn "die Streep" diese Frau spielt. Kühl, rational, strategisch, cholerisch, dann wieder Tränen weinend, von denen man nie weiß, ob sie "echt" oder nur gemeint sind. Und dabei ihren eigenen Sohn, den sie opfern will, begehrend. Etwas verwirrend, diesen mehr als eine Dekade alten Politthriller "Der Manchurian Kandidat" heute zu sehen. Denn die "alte" Drehbuchrealität des Films und die heutige "reale Realität", das Schmierentheater um den in wenigen Tagen neuen US-Präsidenten, seine Skandale, seine Interessenverflechtungen - sie scheinen sich in der Wahrnehmung mit diesem Film zu vermischen. Bildet Film Realität ab oder folgt Weltgeschichte in postfaktischen Zeiten einer Drehbuchdramaturgie? Hat Fiktion Geschichte abgelöst?
Nachsatz:
Vor drei Jahren übrigens nannte Trump die Schauspielerin, die er jetzt als "überbewertet" anpöbelt, in einem Interview "exzellent"; sie sei "auch eine tolle Person". Meryl Streep hingegen sagte in ihrer Golden-Globe-Rede: "Wenn die Mächtigen ihre Position benutzen, um andere zu tyrannisieren, dann verlieren wir alle."
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