Kinokolumne Top Five

Die besten Filme über Mafiaclans

05:23 Minuten
Vincent Cassel, Viggo Mortensen und Naomi Watts in einer Filmszene von "Eastern Promises", der im Milieu der Russenmafia in London spielt.
Harter Thriller über die Osteuropa-Mafia in London: Vincent Cassel, Viggo Mortensen und Naomi Watts in "Eastern Promises" von David Cronenberg. © AF Archive BBC Films / Mary Evans
Von Hartwig Tegeler · 08.08.2020
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Der Kronzeuge in Marco Bellocchios neuem Film "Il Traditore" wird viele seiner Cosa Nostra-Bosse in den Knast bringen. Meist geht es im Mafia-Film aber um den Kampf um die Spitze der Organisation. Das Kino hatte hat so manches Juwel zum Thema zu bieten.

Platz 5 - "Paranza – Der Clan der Kinder" von Claudio Giovannesi (2019)

Früh übt sich, wer ein Gangster werden will: Das Handling der Waffen bringen sich der 15-jährige Nicola und seine gleichaltrigen Freunde aus Neapel beim Sehen eines Youtube-Videos bei. "Paranza" ist der dunkle Entwicklungsroman eines Jungen und seiner Freunde in Neapel. Und die Geschichte einer Verwandlung vom harmlosen Jugendlichen zum gefürchteten Mafioso. Kinder an die Macht? Na, viel Spaß. Die Gier nach Macht, Luxus und Reichtum kennen keine Altersgrenzen. Mordlust ebenso wenig.

Platz 4 - "Ein Prophet" von Jacques Audiard (2009)

Die Geschichte eines Parzival. Malik, 19 Jahre alt, naiv, an sich unbescholten. Die Korsen-Mafia im Knast zwingt ihn, einen arabischen Mithäftling zu töten – gemäß der Logik: "Du hattest im Hof ja schon Probleme. Glaubst du, du hältst ohne Schutz durch?" Zum kriminellen Aufstieg braucht es Klugheit, gepaart mit Skrupellosigkeit. Die entwickelt Malik zur Genüge. Wobei das Ganze bei ihm unterfüttert ist mit dem Wunsch, sich an denen zu rächen, die ihn demütigten. Das erzeugt eine Energie, der der alte Boss bald nichts entgegenzusetzen hat. Eine erschütternde Szene, wenn Malik, der neue Pate, dem nun ehemaligen Herrscher auf dem Gefängnishof zusammenschlagen lässt. Er selber muss keine Hand mehr rühren. Mit dieser Inauguration sind die neuen Machtverhältnisse dem Genre angemessen besiegelt.

Platz 3 - "The Third Yakuza" von Takashi Miike (1996)

Ein Yakuza bleibt immer ein Yakuza, aber sein Fundament ist die Ehre. Zumindest für Masaki; der Gangster mit dem hohen Gerechtigkeitssinn und ebensolchen Moralvorstellungen kann natürlich trotzdem bei den Machtkämpfen kräftig mitmischen. Dass ein japanischer Mafioso – also Yakuza – Intrigen, Verschwörungen und Bestechungen in der Haltung eines meditierenden buddhistischen Mönches im Lotussitz zelebriert, macht wahrscheinlich für uns den Reiz des Genres aus. Vielleicht aber auch die Erkenntnis, dass der Boden des Zivilisierten sehr, sehr dünn gezogen ist.

Platz 2 - "Infernal Affairs II" von Andrew Lau & Alan Mak (2002)

Die Diadochenkämpfe beginnen, als der alte Boss, Onkel Kwun, abgeschlachtet wird. Dahinter steckt ein verwirrendes Komplott. Doch der oberste Triaden-Jäger von Hongkong freut sich, während er ein Eis am Stil lutscht: "Jetzt, wo Kwun tot ist, werden die kleineren Gangster nicht mehr länger stillhalten. Die Stadt wird explodieren." Eine präzise Diagnose des Kommissars; die unteren Chargen verweigern schon mal dem Nachfolge-Boss die Lehenstreue bzw. das Geld. "Infernal Affairs" zeigt mörderische Nachfolgekämpfe. Bis hin zur Prämisse, dass es dabei nicht nur um "the survival of the fittest" geht, sondern auch darum, dass derjenige – wie Triaden-Gangster Sam, einer aus der unteren Riege – Boss werden kann, wenn er skrupelloser noch als die Anderen das Böse lebt. Dass dabei die Grenze zwischen Triaden und Polizei nicht mehr zu ziehen ist, das ist die Erkenntnis, die die "Infernal Affairs" nüchtern ausbreitet.

Platz 1 - "Tödliche Versprechen – Eastern Promises" von David Cronenberg (2007)

In diesem Melodram der dunkelsten Sorte sind die Grenzen zwischen dem Gesetz, dem Recht, der Ordnung und den Regeln der russischen Mafia in London aufgelöst. Viggo Mortensen als Nikolai, in Russland geborener Fahrer des durchgeknallten Sohns des Bosses, ist Maulwurf des russischen Geheimdienstes. Doch die verschlungenen Noir-Abgründe dieser Geschichte erzählen von Nikolais unfreiwilligem Aufstieg bis auf den Thron des Bosses. Ein in sich logischer Akt, wenn der Maulwurf seine Rolle bis zum Ende perfekt ausfüllt. Aber das ist natürlich auch wider- beziehungsweise irrsinnig. Oder wie Nikolai ein andermal sagt, während wir nicht wissen, welchem Herrn er nun dient: "Wie kann ich König werden, wenn König noch auf Thron sitzt?" Der klassische Weg des Aufstiegs an die Spitze, ob Triaden, Yakuza, korsische, neapolitanische oder russische Mafia, ihn gilt es, blutig zu ebnen. In der Realität … und im Kino sowieso!
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