Kinokolumne Top Five

Die Angst vor der Zeitschleife

05:38 Minuten
Szene aus dem Film "12 Monkeys". Der Schauspieler Bruce Willis in Schutzausrüstung befindet sich in einer verschneiten und menschenleeren Großstadt.
Der Schauspieler Bruce Willis als James Cole in dem Film "12 Monkeys" aus dem Jahr 1995. © imago images/Mary Evans/AF/ArchivexUniversal
Von Hartwig Tegeler · 21.11.2020
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Spätestens jetzt, im zweiten Lockdown light, haben viele das Gefühl, sich in einer Zeitschleife zu befinden. Im Kino behandelten tolle Filme das Thema. Allen voran „12 Monkeys“, in dem Bruce Willis als James Cole versucht, eine Pandemie aufzuhalten.

Platz 5 – "Primer" von Shane Caruth (2004)

Die vier Ingenieure haben Glück, dass der Pilz in der neu gebauten Maschine zu einer Größe wuchs, für die es eigentlich Jahre bräuchte. Die Zeit verläuft da drinnen anders. Natürlich steigen sie nun auch hinein. Beobachten Aktienkurse in der Zukunft und machen in der Gegenwart viel Geld. Aber dann ist da die Geburtstagsfeier, auf der ein Geschäftskonkurrent eine Knarre zieht. Aaron muss diesen Abend in einer selbst konstruierten Zeitschleife wieder und wieder durchleben, um die gefährliche Situation zu lösen. Nicht nur in "Primer", auch sonst sind Zeitreisen und Schleifen in der Zeit schwer zu verstehen, aber Filme darüber provozieren ein wunderbares mentales Wuschig-Sein. Die vier jungen Männer hatten das trügerische Gefühl, Meister der Zeit zu sein.

Platz 4 – "Lola rennt" von Tom Tykwer (1998)

Wenn's mal nicht läuft, dann könnte – Konjunktiv – die Wiederholung einer Zeitspanne es wieder richten. Lola hat 20 Minuten. Kurz, um die 100.000 D-Mark in Scheinen zu besorgen, die Manni in der U-Bahn liegen ließ, die aber der Gangster wiederhaben will. Lola rennt also los. Drei Mal. Drei unterschiedliche Realitätsoptionen für die Auflösung dieser Rettungsgeschichte. Von Lolas Tod über den von Manni und dem glücklichen Ende in Sachen Geldabgabe und Liebe.

Welche Variante dieser Zwanzig-Minuten-Schleifen ist die wirklichere? Tja!? Zeit, Vergehen und Vergänglichkeit rufen das irritierende Gefühl hervor, in einem Ablauf gefangen zu sein, auf den wir keinen Einfluss nehmen können, so folgenreich sind nämlich kleinste Veränderungen für das, was dann daraus entsteht. Lola mag rennen, wie sie will, in der Hand hat sie nichts.

Platz 3 – "Source Code" von Duncan Jones (2011)

Captain Colter Stevens hat keine zwanzig, sondern nur acht Minuten, um den Zug und danach Chicago zu retten. Der Soldat erwacht nach dem Crash des Zuges – terroristischer Bombenanschlag – in einer Art Cockpit. Er ist aber in einer Software, die jemanden im Körper eines Verstorbenen die acht Minuten vor dessen Tod wieder erleben lässt. Also: Zurück in der Zeit und in den Zug, um das Attentat in eben dem zu verhindern. Acht Minuten in einer alternativen Realität, mehr ist nicht drin. Aber vor allem wollte Captain Colter ja seine eigene Vergangenheit ändern. In all diesen Zeitschleifen, die er durchlebte, wurde nämlich klar, dass er jemand anderes ist, als er von sich denkt. Da muss er ran, bevor die Zeit ganz abläuft.

Platz 2 – "Die Insel der besonderen Kinder" von Tim Burton (2016)

Für die auf der Insel in Wales lebenden Außenseiter mit ihren besonderen Kräften – Geschwister quasi der Zauberer und Mutanten aus dem "Harry Potter"- oder dem "X-Men"-Kosmos –, für sie ist das Waisenhaus Zufluchtsort, erschaffen von Miss Peregrine. Die kann mit ihrer Uhr und mit ihren magischen Kräften die Zeit manipulieren. Sie wählte diesen Ort in England und kreierte eine Zeitschleife. Der Tag, die 24 Stunden dieser Schleife: der 3. September 1943. So können die Kinder dort ewig leben, sicher vor der Außenwelt, vor allem aber Monstern, die auf die Augen der Kinder aus sind. Dass das nicht gut gehen kann mit der Zeitschleife der 24 Stunden des 3. Septembers, ist schnell klar. Denn immer wieder, wenn auch gut geschützt, das Gleiche zu erleben, bedeutet Entwicklungsstillstand und fürchterliche Langeweile.

Platz 1 – "12 Monkeys" von Terry Gilliam (1995)

Am Anfang ist das Ende schon passiert: Nach einer Viruspandemie hat sich der Rest der Menschheit unter die Erde zurückgezogen. Lockdown par excellence! Freiwillige des Jahres 2035 wie Cole – Bruce Willis – reisen wieder und wieder in die Zeit vor dem Ausbruch und kehren, wenn's gut läuft, wieder zurück mit Informationen über den Ursprung des Virus. Aber die Zeit beginnt bei diesen Reiseversuchen zunehmend zu verschwimmen. Was ist Anfang? Was Ende? Alles nur Schleifen? Wenn Cole am Ende sterbend auf sich als kleinen Jungen schaut – zwei crashende Zeitebenen –, dann wird genau in diesem Moment das tödliche Virus freigesetzt. Was immer wir auch mit Zeitreisen und fabrizierten Zeitschleifen anstellen, sicher ist in "12 Monkeys" nur: Am Ende kommt das Ende von jedem von uns. Unser persönlicher Abspann sozusagen.

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