Ausstellung in Hamburg

Hoch und runter mit dem Kunstlift

Ein Mann betrachtet mit einer Lupe Bilder im Kunstlift Hamburg.
Mini-Gemälde gibt es im Kunstlift Hamburg zu sehen. © Sabine Kullenberg / Agentur für Identität
Von Axel Schröder · 08.07.2015
Die kleinste Galerie Hamburgs ist der Kunstlift. Einmal im Monat wird der Aufzug mit Kunst bestückt und fährt mit dem Kunstpublikum auf und ab. Axel Schröder war dabei.
Sabine Kullenberg steht vor dem Fahrstuhl, im dritten Stock in der Stresemannstraße 100 in Hamburg. Hier lebt die Künstlerin in einem Wohnprojekt. Unten schiebt sich der Autoverkehr über die vierspurige Straße. Und der Fahrstuhl verwandelt sich gleich in den Showroom der Künstlerin:
"Das ist der kleine Lift, der so genannte Kunstlift. Ich hole ihn mal. Und wir haben ja auch schon die Arbeiten hier. Und dann geht es los. Fangen wir an zu hängen."
Die Fahrstuhltür gleitet auf. Gedimmtes Licht, blanke Edelstahlwände, darin eingelassen das typische Fahrstuhlbedienungspaneel. In diesem gerade mal drei Quadratmeter großen Ausstellungsraum platziert Sabine Kullenberg ihre 12x12-Zentimeter großen Werke:
"Ich finde halt so Ausstellungsgeschichten interessant, die erstens in einen vorhandenen Raum reingehen. Und so ein Lift ist ja ein Kommunikationsnadelöhr und es gibt einen recht intimen Kontakt mit der Kunst oder dem, was sich dafür hält oder dafür ausgibt."
An der Kunst kommt man nicht vorbei
Im Kunstlift gibt es also kein Entrinnen. Wer ein paar Stockwerke fährt, kommt an der Kunst darin nicht vorbei. Positiv ausgedrückt: Der Kunstlift ist ein von der Außenwelt isolierter Rückzugsraum, an dem man Zeit und Ruhe hat, sich auf die ausgestellten Werke einzulassen.
Seit 2009 verwandelt sich der Fahrstuhl einmal im Monat für fünf Stunden in diesen Kunstraum. Zwei Mal erst hat Sabine Kullenberg dort selbst ausgestellt. Viel öfter bietet sie die winzige Ausstellungsfläche anderen Künstlern an. Und natürlich dürfen auch die breiten Flure vor dem Lift genutzt werden. Dort hingen gestern großformatige Abzüge von Sabine Kullenbergs Miniaturen aus dem Fahrstuhl. Zusammengesetzt aus den DIN A4-großen Bögen. Eine rote Linie, mal mehr, mal weniger verschlungen, verbindet die Einzelteile:
"Das ist so, dass ich einen Lederriemen, ein Lederband, was die Länge meines Körpers hat, auf ein Blatt Papier schmeiße jeden Tag. Und so wie das fällt, diese zufällige Form, die das annimmt - so zufällig, wie wir in unser jeweiliges Leben fallen, würde ich mal behaupten - das zeichne ich dann. Und das ist eine ästhetische Komponente und hat auch was mit meiner Einstellung zum Leben oder der Wichtigkeit des Moments zu tun für mich."
Rechts und links der roten Linie notiert Sabine Kullenberg die Dinge, die Gedanken, aber auch die Aufgaben, die ihr am Tag der Entstehung wichtig sind: Ausspannen, Innehalten, einen Lebenslauf schreiben, Tanzen oder ein Treffen mit der Freundin.
Kunst im Aufzug gibt es in Hamurg zu sehen.
Kunst im Aufzug gibt es in Hamurg zu sehen.© Deutschlandradio - Axel Schröder
"Kunst hat hohes Veränderungspotenzial"
Der Kunstlift ist Teil eines größeren Projekts: der von Sabine Kullenberg gegründeten "Agentur für Identität". Die Agentur soll helfen, in unserem durchgetakteten Alltag Identität zu bewahren oder neu zu entwickeln. Und wer will, kann die Künstlerin buchen und sich helfen lassen:
"Ich bin tatsächlich der Überzeugung, dass die Kunst ein hohes Veränderungspotenzial hat und sehr wichtig für eine Gesellschaft ist. Gerade für so eine, die wie unsere gerade sehr funktional daherkommt, sehr erfolgsorientiert. In der Kunst gehört das Scheitern einfach dazu und so ein bisschen Sand im Getriebe kann, glaube ich, nicht schaden."
Am frühen Abend fahren die ersten Besucher im Kunstlift vom Erdgeschoss nach oben, wieder ein Stockwerk tiefer, drei höher, je nachdem, wie viel Zeit man haben möchte mit Sabine Kullenbergs Ausstellung.
"Ich erkunde das hier gerade noch. Habe gerade diese Pläne erst mal gesehen. Und jetzt hier oben angelangt und ich finde, dass sieht schon sehr ästhetisch aus."
"Sind ja auch immer unterschiedliche Künstler, unterschiedliche Bilder, die man da sieht. Und es ist sehr spannend. Und man lernt auch Künstler näher kennen, die man ja sonst in Museen ja nicht antrifft. Von daher ist es toll."
Bis in den späten Abend hinein pendelt der Kunstlift zwischen den Stockwerken. Und wird danach wieder von aller Kunst befreit. Verwandelt sich zurück in einen schnöden, edelstahlverkleideten Fahrstuhl. Als wäre nichts geschehen.