Kino-Kolumne Top Five

Das Beste von Tim Burton

Der amerikanische Präsident James Dale (Jack Nicholson) wird in "Mars Attacks!" von einem Außerirdischen einer recht rüden Behandlung unterzogen (Szenenfoto).
Hommage an die Alien- und Science-Fiction-B-Movies der fünfziger Jahre: Tim Burtons "Mars Attacks" von 1996. © picture-alliance / dpa / dpa-Film Warner
Von Hartwig Tegeler · 25.08.2018
Eine Liebe zu schrägen Gestalten, fantastischen Geschichten und immer wieder das Thema Kindheit - das zeichnet das Werk Tim Burtons aus. Zum 60. Geburtstag des Regisseurs gratulieren wir mit unserer Auswahl seiner fünf besten Filme.
Platz 5 – "Mars Attacks!" (1996)
Invasion vom Mars, dem die Menschen zunächst nichts entgegenzusetzen haben. Was Wunder, bei so einem Präsidenten wie Jack Nicholson, dessen Grimassen 1996 den, der heute im Oval Office residiert, vorwegnahmen. "Mars Attacks!" ist eine Hommage an die Alien- und Science-Fiction-B-Movies der 1950er-Jahre und an die Sammelkarten aus den Kaugummipackungen der Kindheit von Tim Burton, wo schon mal die Friedenstaube mit der Laserwaffe des Botschafters des Mars gegrillt wird.
Kurzum: Es ist wie das sorgfältige, mit extremer Präzision, mit Lust und Liebe, Leidenschaft sowieso, Bauen einer Sandburg, zu dem natürlich dazu gehört, mit der großen Gießkanne am Ende das monumentale Bauwerk zu zerstören. Und wer rettet am Ende die Welt vor der Apokalypse durch die Mars-Aliens? Kinder und Jugendliche, qua definitonem noch ausgestattet mit dem Geist hemmungsloser, kindlicher oder adoleszenter Anarchie. Große Kinoerzähler haben die Kindheit, ihre Bilder, ihre Traumata und Glücksmomente immer im Gepäck.
Platz 4 – "Big Fish" (2003)
Was aber ist stärker? Die Realität? Oder die Erzählung über sie? Und wie soll man im Kino den Unterschied denn überhaupt ausmachen? Das fragt Tim Burton immer. Der Vater erzählt dem Sohn von dessen Kindheit an immer wieder Geschichten, doch je größer der Sohn wird, umso größer wird auch sein Misstrauen. Das Realitätsprinzip übernimmt beim Sohn das Regime. Aber am Ende, als der Vater gestorben ist, kommen die fiktiven Gestalten aus seinen Erzählungen, der große Mann, die siamesischen Zwillinge oder der Werwolf, zur Beerdigung. Die Fantasie ist eben keine Lüge über die Welt, sondern nur die Wahrheit einer anderen Realität.
Platz 3 – "Edward mit den Scherenhänden" (1990)
Und aus dieser anderen Realität können auch Wesen ins Hier herübertreten. Edward, der künstliche Mann, der, weil sein Schöpfer vorzeitig starb, da, wo unsere Hände sind, Scheren hat. Edward, das Wesen aus dem Schloss über der Stadt, findet gar Leute, die ihn ermuntern, sich nicht einreden zu lassen, dass er behindert sei.
Doch die tiefe Melancholie, die von Anfang an in Johnny Depps Ausdruck als Maschinenmensch mit Scherenhänden liegt, verwandelt sich in eine große Tragik, als Edward am Ende wieder ins Schloss flieht. Das Andere bleibt das Fremde, das seinen Platz in der Normalität nicht findet. Doch wie damit umgehen? Weggehen, verstecken? Wie Edward. Oder gegen alle Widerstände sein eigenes Anderes feiern. Wie Ed Wood.
Platz 2 – "Ed Wood" (1994)
Junger aufstrebender Filmemacher in Hollywood – 1950er Jahre – bietet B-Movie-Produzenten sein Talent an, basierend auf, nun ja, aufgrund der Tatsache, dass er gerne Frauenkleider anzieht und in denen auch auf dem Regiestuhl Platz nimmt. Bei Filmen wie "Plan 9 aus dem Weltall", für die der Begriff B-Movie diverse Kategorien zu hoch gegriffen ist.
Johnny Depp, bekannt geworden durch seine Rolle als Gilbert Grape, spielt den talentlosen Filmemacher Ed Wood im gleichnamigen Streifen von Regisseur Tim Burton.
Johnny Depp als talentloser Filmemacher Ed Wood im gleichnamigen Film.© picture-alliance / dpa-Film
Tim Burtons Verbeugung vom dem Schrägen und denen, die es mit Leidenschaft leben, findet seinen Höhepunkt in der Begegnung zwischen Ed Wood und Orson Welles, wo Ed fragt, ob sich denn all die Mühe lohne. Und der große Orson Welles nur meint: "Ja, manchmal schon. Ed! Wenn man eine Vision hat, dann muss man dafür kämpfen. Wer will schon sein Leben lang die Träume anderer verwirklichen."
Platz 1 – "Frankenweenie" (2012)
Diese fantastischen Träume brauchen auf der Leinwand keinen digitalen Over-Kill: "Frankenweenie" - schwarzweiß, Stop-Motion, Puppen. Wunderschön. In dieser Verbeugung vor dem Horrorfilm der 1950er Jahre – wir sind wieder beim Anfang, in der Kindheit Tim Burtons angekommen - steht im Mittelpunkt ein junger Filmemacher. Und weil Victor eben Frankenstein heißt, erweckt er seinen bei einem Unfall umgekommenen Hund natürlich wieder zum Leben und löst dramatische Ereignisse in der Kleinstadt aus.
Vielleicht ist ja der Satz von Victors Eltern über ihren Sohn das Credo, das Tim Burton hier ausspricht über den Filmemacher Tim Burton, wie Victor Frankenstein Schöpfer von Wesen und Welten. "Ich will einfach nicht, dass er eigenartig wird", sagt Victors Vater. Doch die Mutter meint gelassen: "Er lebt nur in seiner eigenen Welt." Aber für uns, für uns bietet Tim Burton glücklicherweise den Schlüssel für die Tür, da hinein in diese eigene, immer an.
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