Kindersachbuch

Warum wir nicht immer die Wahrheit sagen

Während zwei sieben und elf Jahre alte Jungen (l, r) Bücher lesen, schaut sich ein fast zwei Jahre altes Kind ein Bilderbuch an, aufgenommen am 21.07.2012.
Lesende Kinder © picture-alliance / dpa / Waltraud Grubitzsch
Von Kim Kindermann · 21.01.2015
"Echt wahr?" heißt ein geniales Buch über das Lügen. Antje Damm erklärt darin den jungen Lesern, dass es oft von der Perspektive abhängt, was wahr ist und was nicht. Wie wohltuend, dass sie bei dem schwierigen Thema nie den Zeigefinger hebt.
Flunkerei, Schwindel, Bluff, Betrug, Fälschung: Ist das gleichbedeutend mit Lüge? Und wie ist das mit Wahrheit? Sind Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Fakt und Realität dasselbe? Wie schwierig die Antworten auf diese Frage sind, macht Antje Damm in ihrem Kindersachbuch "Echt wahr?" wunderbar deutlich. Jeder Mensch lügt, sagen auch die Wissenschaftler - unklar ist nur, wie oft, ob zwei oder 200 Mal am Tag.
Und so lässt Antje Damm sie auch folgerichtig am Anfang ihres Buches zu Worte kommen, um dann Seite für Seite tiefer in das schwierige und facettenreiche Thema abzutauchen. Sie arbeitet sich dabei von Frage zu Frage vor: Warum sagen wir nicht immer die Wahrheit? Kann man Lügen sehen? Lügen Tiere? Und: Gibt es nur eine Wahrheit oder hat jeder eine eigene Wahrheit?
Es kommt auf die Perspektive an
Schnell ist man so in einem fast philosophischen Gespräch mit den eigenen Kindern und erkennt: was wahr ist und was nicht, hängt oft von der Perspektive ab. Mal können Lügen schlimme Folgen haben, dann wieder können sie richtig und wichtig sein. Wahr und falsch, böse und gut – solche Bewertungen greifen für sich genommen zu kurz. Allein deshalb sollte man sie meiden. Auch wird auf den knapp 110 Seiten nie der Zeigefinger gehoben. Allein das ist wohltuend bei diesem moralisch hoch aufgeladenen Thema. Schon dafür könnte man die Autorin küssen!
Wenn man dann noch liest (und sieht), wie sie gekonnt über Mogelpackungen, optische Täuschungen, Lügendetektoren und Placeboeffekte berichtet, oder über Ammenmärchen, Seemannsgarn und Narrenfreiheit, dann ist klar: Antje Damm hat hier ein geniales Kindersachbuch verfasst. Sie macht Lust auf ein Thema, dem viele gerne ausweichen. Sie lädt ein zum Gespräch und sie überrascht mit zahlreichen überraschenden Gedanken. Wenn doch alle Kinderbücher so durchdacht wären!
Geniale handliche Gestaltung
Genial ist dieses Buch auch wegen seiner Gestaltung: Es kommt im handlichen 15 mal 20 Zentimeter Format daher, passt also in jede Tasche und ist voller gelungener Illustrationen, Fotos, Gemälde und Zeichnungen. Da ist zum Beispiel das Cover, auf dem ein Mädchen eine kleine geöffnete Flasche in der Hand hält, über deren Flaschenhals ein Drache an der Wand schwebt. Auf den ersten Blick scheint der Drache aus der Flasche zu kommen. Erst bei genauem Hinsehen, erkennt man die Täuschung. Oder da ist das doppelseitige schwarz-weiß Bild von der Maus. Auf der einen Seite ist sie winzig klein, weil sie neben einem Elefanten steht, auf der anderen ist sie riesig, weil sie jetzt neben einer Ameise abgebildet ist. Dann sieht man zwei Kinder, sie sind zu spät und werden von einer strengen Frau ermahnt. Über der Szene schwebt die Frage: Soll man immer die Wahrheit sagen?
Mhmm, wie schwierig die Antwort darauf ist, symbolisiert das der Szene entgegengesetzte Bild, auf dem man nur die rotleuchtenden Roben von vier Richtern leuchten sieht. Da kommt man ohne Wort aus, wie überhaupt die Texte eher knapp sind. Nie sind sie länger als zwölf Zeilen. Jeder ist von einer fettgedruckten Überschrift begleitet und auf einem farblich anderen Hintergrund abgedruckt. Kurz: Schöner kann ein Buch nicht sein. Echt wahr!

Antje Damm: Echt wahr? 52 Gelegenheiten, sich über Lüge und Wahrheit zu unterhalten
Moritz Verlag, Frankfurt 2014
112 Seiten, 14,95 Euro

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