Wann, wie viel, für wen?
Die geplante Kindergrundsicherung soll Kindern aus einkommensschwachen Familien den Aufstieg erleichtern.
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Die Kindergrundsicherung kommt

03.04.2023
Einfacher, einheitlicher, gezielter: Die Kindergrundsicherung verspricht Entlastung vor allem für einkommensschwache Familien. Die geplante Reform soll 2025 in Kraft treten und bisherige Leistungen bündeln. Wer bekommt was unter welchen Bedingungen?
Deutschland hat ein Problem mit Kinderarmut. Einer aktuellen Studie zufolge ist mehr als jedes fünfte Kind von Armut bedroht. Inflation, Pandemie und Energiekrise verschärfen diese Situation zusätzlich.
Kinder sind von ihren Eltern abhängig. Ist das Geld knapp, hat das Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder. Wer in einer armen Familie aufwächst, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Erwachsenenalter arm. Schon länger gibt es deswegen Forderungen nach einer Grundsicherung für Kinder. Die Ampel-Regierung hat ihre Einführung im Koalitionsvertrag vereinbart, eigentlich soll sie 2025 kommen. Doch Finanzminister Christian Lindner (FDP) hält die Pläne für zu teuer.
Kindergrundsicherung: Was ist das?
Arbeitslosigkeit oder ein geringes Einkommen der Eltern sind die wichtigsten Auslöser für Kinderarmut in Deutschland. Das weiß auch der Staat und entlastet Familien daher finanziell mit dem sogenannten Familienleistungsausgleich.
Bisher zählen dazu mehrere Maßnahmen, die auf unterschiedlichen Wegen bei verschiedenen Behörden beantragt werden müssen. Das ist mühsam und führt dazu, dass bis zu 70 Prozent der Familien ihre Ansprüche gegenüber dem Staat gar nicht erst geltend machen. Mit der geplanten Reform soll das einfacher und übersichtlicher werden.
Die Kindergrundsicherung wird ab 2025 Leistungen wie Kindergeld und Kinderfreibetrag, den Kinderzuschlag, Teile des sogenannten Bildungs- und Teilhabepakets sowie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch bündeln. Dieser neue Entlastungsausgleich soll künftig aus zwei Teilen bestehen: einem fixen Grundbetrag und einem flexiblen Zusatzbetrag.
Wieviel Geld gibt es?
Der Grundbetrag soll mindestens dem Kindergeld in seiner jetzigen Form entsprechen. Derzeit sind das 250 Euro pro Kind im Monat. Dieser Betrag soll alle zwei Jahre angepasst werden und zwar anhand des Existenzminimumberichts der Bundesregierung. Der Grundbetrag soll ein „Garantiebetrag“ sein und als solcher auch nicht mit Sozialleistungen wie etwa dem Bürgergeld der Eltern verrechnet werden.
Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte verfügt.
Der Zusatzbeitrag ist abhängig vom Einkommen der Eltern. Wer wenig hat, soll also mehr bekommen. Der Zusatzbeitrag soll neben einer Pauschale für Bildung und Teilhabe (derzeit 15 Euro) eine Kinderwohnkostenpauschale (derzeit 150 Euro) beinhalten. Steigt das Einkommen der Familie, soll der Zusatzbeitrag kleiner werden.
Im Eckpunktepapier, das Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) im Januar 2023 vorgestellt hat, heißt es: „Der Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung sinkt, bis ab Überschreiten einer noch zu definierenden Einkommenshöhe kein Anspruch mehr besteht.“
Wer bekommt die Leistung?
Genau wie das Kindergeld soll die Kindergrundsicherung alle Kinder ab Geburt bis zum Alter von 18 Jahren unterstützen. Wer eine Ausbildung macht, kann die Kindergrundsicherung bis zum 25. Geburtstag bekommen. Studierende werden bis zum 27. Lebensjahr unterstützt.
Geplant ist zudem eine eigene Kindergrundsicherungsstelle, die auf die Daten von Berufs- oder Hochschulen zugreifen können soll. Volljährige Kinder, die nicht mehr im Haushalt ihrer Eltern leben, sollen den Betrag direkt erhalten.
Wie wird die Kindergrundsicherung beantragt?
Mit der Kindergrundsicherungsstelle soll auch ein neues Portal entstehen, auf dem die Leistung möglichst einfach online beantragt werden kann. So ist geplant, dass Eltern zukünftig etwa keine Einkommensnachweise mehr erbringen müssen. Stattdessen soll die Kindergrundsicherungsstelle Informationen direkt vom Finanzamt bekommen.
Familienministerin Lisa Paus sprach davon, die "Holschuld der Bürger" in eine "Bringschuld des Staates" zu überführen. Paus kündigte zu diesem Zweck bereits Ende 2022 einen sogenannten Kindergrundsicherung-Check an: Demnach würden die Behörden künftig jene Familien aktiv ansprechen, deren Einkommen sich unterhalb einer entsprechenden Grenze bewegt.
Wozu braucht es die Kindergrundsicherung?
Deutschland hat ein strukturelles Problem mit Kinderarmut. Eine Analyse der Bertelsmann-Stiftung kommt zu dem Ergebnis: Mehr als jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht. Das entspricht 2,9 Millionen Kinder im Jahr 2021. In der Auswertung gelten Kinder und Jugendliche als armutsgefährdet, wenn ihre Familie über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens verfügt.
Überdurchschnittlich betroffen sind der Stiftung zufolge Familien mit Alleinerziehenden sowie mit drei oder mehr Kindern. Wer als junger Mensch in Armut aufwächst, heißt es in der Analyse, leidet täglich unter Mangel, Verzicht und Scham und habt zugleich deutlich schlechtere Zukunftschancen.
Die geplante Kindergrundsicherung könnte die Lage von ärmeren Familien deutlich verbessern. Das ergibt ein Gutachten des ifo-Instituts von Oktober 2021 im Auftrag von Bündnis 90/Die Grünen.
Wie geht es weiter?
Die Pläne zur Kindergrundsicherung liegen jetzt zur Abstimmung in den verschiedenen Ministerien. Nach der parlamentarischen Sommerpause in diesem Jahr soll der Gesetzesentwurf stehen und das Gesetzgebungsverfahren beginnen. 2025 soll die geplante Kindergrundsicherung dann in Kraft treten. Familienministerin Lisa Paus beziffert die Kosten auf mindestens zwölf Milliarden Euro.
Finanzminister Lindner sieht im Bundeshaushalt kaum Spielraum für die Kindergrundsicherung und will nicht mehr als drei Milliarden Euro für das Projekt bereitstellen. Für Familien mit Kindern sei bereits viel passiert, sagte Lindner der „Bild am Sonntag“, das Kindergeld sei auf 250 Euro erhöht worden. Kinderarmut sei oftmals in der Arbeitslosigkeit der Eltern begründet, sagte der FDP-Vorsitzende, daher seien Sprachförderung und Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt entscheidend.
(luc/tmk/jfr)
Quellen: dpa, AFP, BMFSFJ, ifo-Institut, Bertelsmann-Stiftung, Deutschlandfunk Kultur, Tim Belke