Kinderfilm "Fritzi – eine Wendewundergeschichte"

Wie lässt sich Kindern der Mauerfall erklären?

04:16 Minuten
Bild aus dem Animationsfilm "Fritzi": Schüler in einer Klasse.
Als die Schule nach den Ferien 1989 wieder beginnt, ist Fritzis Freundin nicht aus dem Ungarn-Urlaub zurückgekehrt. © Weltkino Filmverleih
Von Claudia van Laak · 05.11.2019
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Herbst 1989, die zwölfjährige Fritzi erlebt den Fall der Mauer hautnah mit: Der Animationsfilm "Fritzi" erzählt Kindern von der Friedlichen Revolution. Denn viele wissen heute kaum etwas über das geteilte Deutschland und die Wende.
Im Herbst 1989 naht das Ende der DDR. Die zwölfjährige Fritzi erlebt den Fall der Mauer hautnah mit. Der Animationsfilm "Fritzi" erzählt Kindern von der Friedlichen Revolution. Schließlich haben ein geteiltes Deutschland nicht mehr erlebt und wissen meist kaum etwas, wie der DDR-Regierung von Erich Honecker und dann Egon Krenz die Macht entrissen wurde und sich schließlich die Berliner Mauer öffnete.
"Alles begann in den Sommerferien 1989. Meine beste Freundin fuhr in den Urlaub, nach Ungarn. Ich blieb zu Hause in Leipzig und kümmerte mich um ihren kleinen Hund Sputnik." Fritzi ist zwölf. Sie wartet sehnsüchtig darauf, dass ihre beste Freundin Sophie aus dem Ungarn-Urlaub zurückkehrt. Doch am ersten Schultag wartet mit ihr die ganze Schulklasse vergeblich auf Sophie.

Aufbruchsstimmung und Angst

– "Ich melde: Die Klasse ist vollzählig, bis auf Sophie Vollmer. Weiß irgendwer, wo sie ist?"
– "Sophie macht länger Ferien."
– "Was glaubst du denn, die Hippies haben rübergemacht!"
Sophie ist mit ihrer Mutter über Ungarn in den Westen geflüchtet. Für ihre Freundin Fritzi beginnt eine schwierige Zeit. Gleichzeitig ist sie neugierig, lässt sich von der Aufbruchsstimmung in Leipzig anstecken. Ihre Eltern haben Angst, versuchen Fritzi davon abzuhalten, sich den Demonstrationen anzuschließen.
– "Wir kommen seit vielen Jahren hier in der Nikolaikirche zusammen. Und ich bin mit dabei."
– "Wir sind das Volk, wir sind das Volk."
– "Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie gefährlich das ist? Nicht nur für dich, für uns alle."
"Fritzi – eine Wendewundergeschichte" ist ein Animationsfilm für Schülerinnen und Schüler ab zehn. Erzählt aus der Kinderperspektive, nimmt er die Zuschauer mit in eine für sie fremde Welt: in die DDR und die Zeit der Friedlichen Revolution.
Regisseur Mathias Bruhn sagt: "Gerade die Kinder, die jetzt so im Alter von Fritzi sind, die haben dieses Thema meistens noch nicht in der Schule behandelt. Und wenn sie nicht gerade in einer Familie leben, die eine eigene Ost-West-Geschichte hat, dann wird zu Hause vermutlich auch wenig darüber gesprochen. Das heißt, wir sind, als wir diesen Film gemacht haben, davon ausgegangen, dass die Zehn- bis Zwölfjährigen wenig bis gar nichts über diese Zeit wissen."

Die Kinder sind begeistert und haben viele Fragen

Nach der Premiere in Berlin wissen sie mehr. Die Kinder sind begeistert, beklatschen die Filmcrew und löchern die beiden Regisseure mit ihren Fragen.
– "Ich heiße Olivia und ich wollte fragen, warum die Mauer dann aufgegangen ist."
– "Wann wurde die Mauer geöffnet?"
– "Warum wurde die Grenze als Zaun dargestellt und nicht als Mauer?"
– "Ich wollte fragen, ob man wirklich so nah an den Zaun oder die Mauer herankam wie im Film?"
– "Mein Name ist Anne-Kathrin und ich wollte fragen, wie die in Leipzig Fernsehen aus dem Westen gucken konnten."
– "Mein Name ist Meilo und ich wollte fragen, wie lang die Mauer war."
160 Kilometer – diese Antwort ist einfach. Für die anderen Antworten braucht es schon etwas Hintergrundwissen. Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt auf ihrer Webseite "Filmfenster" zusätzliches Unterrichtsmaterial für Lehrerinnen und Lehrer bereit.

Allein, die Zeit dafür fehle – klagt zumindest der Berliner Geschichtslehrerverband. Dessen Vorsitzender Peter Stolz sagt: "Meines Erachtens müsste dann schon die historisch-politische Bildung, also das Fach Geschichte und das Fach Politische Bildung gestärkt werden. Natürlich kann so eine Stärkung nicht nur quantitativ sein, dass man sagt, eine Stunde mehr. Aber ohne eine Stunde mehr ist es auch schwieriger. Es wäre schön, wenn eine Stunde mehr käme."
Bild aus Animationsfilm "Fritzi": Menschen und Trabis vor Grenzübergang
War die Mauer nur ein Zaun? Wie lang war sie? - Nachdem Schüler den Film "Fritzi" gesehen haben, haben sie etliche Fragen.© Weltkino Filmverleih

Kein eigenständiges Fach Geschichte an Berliner Schulen

An den Berliner Sekundarschulen wurde das eigenständige Fach Geschichte vor einigen Jahren abgeschafft, mit Ethik, Politik und Geografie zum Fach Gesellschaftswissenschaften zusammengelegt. Jede Schule entscheidet eigenständig über die Schwerpunkte.
Der Vorsitzende des Geschichtslehrerverbands geht deshalb davon aus, dass es eine ganze Reihe von Jugendlichen gibt, die die Berliner Schule verlassen, ohne im Unterricht jemals etwas über die Friedliche Revolution und den Mauerfall gehört zu haben. "Ja, das kann sehr häufig sein, auch am Gymnasium", sagt Stolz. "Wenn sich der Fachbereich für nur eine Stunde Geschichte im Schuljahr entschieden hat, ja. In einer Stunde von 1945 bis heute – da muss dann schon einiges gemacht werden."
Die Berliner Bildungsverwaltung widerspricht dem Geschichtslehrerverband. Wer in Deutsch Christa Wolf lese, der beschäftige sich automatisch mit der Friedlichen Revolution, das sei ein Querschnittsthema, dafür brauche es kein Extrafach Geschichte.
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