Kinderbetreuung in Bayern

Engpässe nur in den Großstädten

Eine Erzieherin liest Kindern aus einem Buch vor.
Eine Erzieherin liest Kindern aus einem Buch vor: Engpass Betreuungspersonal © Tobia Hase / dpa
Von Michael Watzke · 01.08.2018
In Bayern hält sich Angebot und Nachfrage auf dem Land die Waage, vor allem in München und Nürnberg werden aber mehr Kita-Plätze gebraucht. Das Problem beim Ausbau: es mangelt an Personal, auch weil im Freistaat der Betreuungsschlüssel so gut ist.
Eine riesige Baustelle in Adelsdorf bei Nürnberg. Hier entsteht ein Neubaugebiet mit 500 Wohnungen. Bürgermeister Karsten Fischkal hat an alles gedacht:
"Eine sehr große Kläranlage, mit der wir noch weitere Wohngebiete anschließen könnten. Wir haben ein ausreichend großes Wasserwerk. Unsere Schulen sind groß genug. Das einzige, was wir momentan noch machen müssen, das ist: Kindertagesstätten zu bauen."

Gestiegener Kita-Bedarf

Und das möglichst schnell. Und nicht nur in Adelsdorf. Der Bedarf an Kitas ist in ganz Bayern stark gestiegen. In den letzten zehn Jahren hat der Freistaat seine Ausgaben für Kindertageseinrichtungen fast verdreifacht. Zwar sind für Kitas die Kommunen zuständig – aber das Land unterstützt die Gemeinden allein bei den Betriebskosten mit 1,7 Milliarden Euro pro Jahr, sagt Kerstin Schreyer (CSU), die bayerische Sozialministerin.
"Bei dem Ausbau gibt es aus meiner Sicht kein Problem, was die Finanzierung durch den Freistaat angeht. Weil unsere Töpfe sind ungedeckelt, wir investieren und finanzieren. Wenn die Kommune den Antrag stellt. Die Kommunen sind sehr unterschiedlich, was die Flexibilität und die Differenziertheit der Angebote angeht."

Auf dem Land ausreichend Plätze

Auf dem Land halten sich in Bayern Angebot und Nachfrage weitgehend die Waage. Probleme gibt es vor allem in den Großstädten. München und Nürnberg kämpfen mit Engpässen bei der Kita-Versorgung. Auch in Augsburg finden viele Eltern keinen Betreuungsplatz für ihr Kind. Dort gibt es besonders viele Elterninitiativen, die die Sache selbst in die Hand nehmen. In den Städten fehlt es oft an Platz und – noch gravierender – am Betreuungspersonal.
"Wir müssen mit der Anzahl der Erzieherinnen nachkommen. Deren Anzahl haben wir zwischen 2010 und 2017 verdoppelt. Aber wir haben eine Vervielfachung der Einrichtungsangebote – und wir müssen natürlich schauen, wie wir die auch personell gut bestücken. Denn Qualität steht bei uns in Bayern ganz oben."
Um die Qualität in der Kinderbetreuung in Bayern zu halten oder gar zu steigern, brauche es mehr Geld für Erzieherinnen, sagt Sozialministerin Schreyer.
"Was mich wirklich fuchst, ist, dass wir nicht mit am Tisch sitzen, wenn es um die Tarif-Eingruppierung von Erzieherinnen und Erziehern geht. Das ist insofern eine ganz ärgerliche Situation, weil wenn die Fachkräfte nicht so verdienen, wie man in dem Job verdienen sollte, dann werden die überlegen, ob sie in den Ballungsräumen bleiben können oder aufs Land gehen. Oder sie fehlen uns ganz, weil sie in eine andere Berufsgruppe gehen."

Deutscher Kita-Preis

In der Hans-Georg-Karg-Kindertagesstätte drohen solche Probleme nicht. Die Nürnberger Kita war dieses Jahr für den deutschen Kita-Preis nominiert. Leiterin Beatrix Hirschbolz: "Wir sind sehr stolz. Wir lernen voneinander und reflektieren sehr viel. Wir wollen Jahr für Jahr und Monat für Monat immer ein Stück besser sein. Und das ist eine große Anerkennung." Die Nürnberger Kita fördert nicht nur Inklusion, sondern auch die Betreuung hochbegabter Kinder: "Wir machen keine Unterschiede, es ist alles inklusiv. Jedes Kind ist irgendwo besonders. Wir suchen diese Besonderheiten und fördern sie, soweit es geht."
Die Eltern honorieren dieses Konzept und die Arbeit der Betreuerinnen: "Sie interessieren sich für die Kinder. Sie interessieren sich dafür, worauf die Kinder Lust haben. Sie greifen das auf und lassen es die Kinder umsetzen."
"Unser Kind kommt gern hierher. Das ist der Grund, warum wir gern hierherkommen."

Das BayKiBiG

Die Nürnberger Einrichtung muss – wie jede Kita in Bayern – die Vorgaben des BayKiBiG erfüllen, des bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetzes. Dort ist das Raumangebot pro Kind in einer Kita ebenso festgelegt wie der Betreuungsschlüssel. Der liegt in Bayern bei 3,7 – das heißt auf weniger als vier Kinder kommt eine Betreuerin oder ein Betreuer. Bayerns Betreuungsschlüssel ist damit besser als der fast aller anderen Bundesländer, erklärt Sozialministerin Schreyer.
"Das BayKiBiG bietet die Möglichkeit, dass wir sagen: welches Personal ist in den Einrichtungen. Und mir ist wichtig, aufgrund der Heterogenität, die die Kinder derzeit in den Krippen und Kindergärten abbilden, dass wir eine sehr hohe Qualität haben. Alles, was ich tue, soll immer eine Qualitäts-Verbesserung sein."
Nicht alle Kommunen in Bayern würden das vorbehaltlos unterschreiben. Gerade die hohe Zahl an Flüchtlingskindern stellt manche Gemeinden vor große Probleme. Thomas Jung, der SPD-Oberbürgermeister von Fürth bei Nürnberg, wünscht sich mehr Geld vom Freistaat für die Integration.
"Hier gab’s viele positive Beschlüsse auf Bundesebene. Auch der Freistaat Bayern hat sich engagiert, aber wir brauchen das Engagement dauerhaft. Und wir müssen darauf bestehen, dass die Mittel des Bundes eins zu eins an die Kommunen weitergereicht werden. Da fehlen uns im Augenblick 500 Millionen Euro. Und die wollen wir."

Bayerischer Sonderweg Familiengeld

Doch die bayerische Staatsregierung hat ein anderes Paket geschnürt: kurz vor der Landtagswahl führt sie das Familiengeld ein. Ab September erhalten Eltern von ein- bis zweijährigen Kindern monatlich 250 bis 300 Euro – egal, ob sie ihr Kind selbst betreuen oder in eine Kita geben. Während andere Bundesländer die Krippengebühren abschaffen, geht Bayern seinen eigenen Weg.
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