Kinderarbeit

Letzte Ruhe mit ruhigem Gewissen

Von Burkhard Schäfers · 19.12.2013
Auf deutschen Friedhöfen stehen zahlreiche Grabmale, die aus Kinderarbeit stammen. Ein Unding, findet die SPD im Bayerischen Landtag.
Ruhig ist es hier auf dem Münchner Westfriedhof, zu hören sind nur die eigenen Schritte. Die friedliche Stille ist das krasse Gegenteil zum Alltag in indischen Steinbrüchen, wo die Arbeiter mit Lärm, Hitze und Staub klarkommen müssen. Und diese Arbeiter sind oft Kinder, sagt Benjamin Pütter vom katholischen Hilfswerk Misereor:
"Ich ging davon aus, es kann gar keine Kinderarbeit in Exportsteinbrüchen geben, als ich's erste Mal hinging. Und war dann entsetzt, als ich in jedem Steinbruch, den ich unangekündigt besucht habe, Kinder angetroffen habe. Und zwar direkt an 20, 25 Kilogramm schweren Schlagbohrmaschinen. Da mussten noch extra Steine drangehängt werden an den Schlagbohrer, damit sie überhaupt den Druck ausüben können, um Sprenglöcher anzubringen."
Schätzungen zufolge arbeiten 100.000 bis 150.000 Kinder in indischen Steinbrüchen. Benjamin Pütter machte sich selbst ein Bild vor Ort – inkognito, ohne die Betreiber vorzuwarnen.
Indische Grabsteine auf deutschen Friedhöfen
"Kinder, die diesem Staub ausgesetzt sind, und dann nicht mal einen Schutz tragen, weil es ist manchmal über 50 oder 60 Grad warm im Steinbruch. Und ein Jugendlicher, der diesem Steinstaub ausgesetzt ist, reduziert wahnsinnig seine Lebenserwartung. Das ist also schleichender Mord."
Indische Grabsteine finden sich überall auf deutschen Friedhöfen, auch in Bayern. Dagegen will die SPD im Bayerischen Landtag jetzt angehen. Ihr Ziel: Ein Gesetz, das es den Gemeinden ermöglicht, das Aufstellen von Grabmalen aus Kinderarbeit zu verbieten, sagt Fraktionschef Markus Rinderspacher:
"Es muss einfach gewährleistet sein, dass keine unmittelbare Kinderarbeit am Stein stattgefunden hat beziehungsweise im Steinbruch. Da gibt es Möglichkeiten, das zu zertifizieren. In anderen Bundesländern hat man das auch auf den Weg bringen können, ich bin davon überzeugt, das wird uns auch in Bayern gelingen."
Das Saarland, Bremen und Baden-Württemberg haben schon entsprechende Gesetze. Ohne gesetzliche Regelung geht es nicht, entschied das Bundesverwaltungsgericht vor einigen Wochen und kassierte die Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg. Steinmetzen könne nicht der Nachweis zugemutet werden, dass die Grabsteine in der gesamten Wertschöpfungskette ohne Kinderarbeit produziert wurden, so die Richter. Dieses Problem sieht auch Markus Steininger, Obermeister der Münchner Steinmetz-Innung:
60 Prozent der Grabsteine kommen aus dem Ausland
"Man kann nicht genau definieren, ist da Kinderarbeit dran oder nicht, weil man ist nicht vor Ort. Wenn es heißt, dass die komplette Wertschöpfungskette nicht aus Kinderhand sein darf, dann müsste man theoretisch nachprüfen, ob das Fräsblatt, das in Indien verwendet wird, von einem Kind in Korea gemacht wurde zum Beispiel. Das ist technisch überhaupt nicht möglich."
Der Münchner Steinmetz verwendet in seinem Betrieb nur Grabsteine aus Europa. Die meisten kommen aus dem Altmühltal, aus dem Fichtelgebirge oder dem Bayerischen Wald – Marmor aus Portugal und Italien. Allerdings ist das nicht bei allen Steinmetzen so:
Steininger: "Die Problematik ist, dass ungefähr 60 Prozent der Grabsteine aus dem Ausland kommen, aus Indien, aus China. Natürlich erkennt man diese indischen Grabmale gleich, die sind meistens hochglanzpoliert, gestalterisch nicht so optimale Formen, würde ich jetzt mal sagen".
Wenn der Bayerische Landtag das Bestattungsgesetz ändert, können die Gemeinden künftig Zertifikate für Grabsteine aus Indien verlangen. Darin versprechen die Exporteure, dass in ihren Steinbrüchen keine Kinder arbeiten. Zertifizierte Grabsteine sind gerade mal ein bis drei Prozent teurer. Solche Siegel vergibt etwa der Verein Xertifix, für den Misereor-Referent Benjamin Pütter tätig ist. Dessen Mitarbeiter sehen sich zunächst offiziell in den Steinbrüchen um, die sich zertifizieren lassen wollen:
Pütter:"Nach diesem Besuch werden wir dann unangekündigte Kontrollen machen und schauen, ist dann dort auch kein Kind anzutreffen und bekommen die Erwachsenen wirklich ihren Lohn. Das machen indische Kontrolleure, die die Ortssprachen kennen und sich dort mit den Leuten unterhalten können."
Wem diese Methode zu unsicher ist, der kann stattdessen ein Grabmal aus Holz oder Glas kaufen – die seien garantiert ohne Kinderarbeit, sagt Xertifix.