Kiel

Stimmige Neuauflage der großen Liebe

Die Schauspieler Maxine Kazis als Julia und Johannes Merz als Romeo spielen am 11.08.2014 in Kiel (Schleswig-Holstein) auf der Fotoprobe von "Romeo und Julia - Das Musical". Die Open-Air-Uraufführung findet am 16.08.2014 auf dem Kieler Seefischmarkt statt.
Die Hauptdarsteller Maxine Kazis als Julia und Johannes Merz als Romeo © picture alliance / dpa / Markus Scholz
Von Dietrich Mohaupt · 16.08.2014
In Kiel kommt die Geschichte von Romeo und Julia als Musical auf die Bühne. Die Musik haben Ex-Rosenstolz Sänger Peter Plate und sein langjähriger Partner Ulf Leo Sommer geschrieben. Eine wichtige Quelle dafür waren Erinnerungen an die eigene erste Liebe.
Abendstimmung in Kiel – der Blick schweift vom Ostufer der Förde über Segelboote und die großen Werftanlagen, im Hintergrund ist das moderne Kreuzfahrtterminal zu erkennen. Die Szenerie ist eingetaucht in die goldenen Strahlen der untergehenden Sonne, dazu die ersten Klänge der Ouvertüre zum Musical "Romeo und Julia" – genau so hat Daniel Karasek sich das alles vorgestellt.
"Ich liebe ja Kiel über alles, und ich finde, Kiel hat so unendlich viele Orte und dies ist einer der schönsten Orte von Kiel – definitiv, einer der versonnensten, traurigsten, Heimweh, Fernweh, alles zusammen, stillgelegte Industrie, noch funktionierende Industrie, Schifffahrt, Segelboote, Freizeit – das ich einfach finde, dass man auch mal mit Kiel angeben muss. Man kann ja was bieten mit Kiel. Und dies ist mit Sicherheit eine Ecke, die man bieten kann."
Mit dem ersten Ansturm von purer Romantik ist es dann aber schnell vorbei – auf der kleinen Bühne am Seefischmarkt geht sofort die Post ab:
"Scheiß Montague…. Szene Straßenschlacht"
Von verträumt bis fetzig
Mitglieder der verfeindeten Veroneser Familien Montague und Capulet prügeln sich – blinder Hass entlädt sich in einer offenen Straßenschlacht, das Ganze unterlegt mit treibenden Bässen und rockigen Beats. Ex-Rosenstolz-Sänger Peter Plate und sein langjähriger Partner Ulf Leo Sommer haben bei der Musik alle Register gezogen, von romantisch verträumt bis hin zu fetzigem Rock und Discosound ist alles dabei. Entstanden ist das relativ spontan, auch aus den eigenen Jugenderinnerungen heraus, erzählt Peter Plate.
"Wir haben uns gegenseitig erzählt erst einmal alle: Wie war denn das, als wir das erste Mal verliebt waren, was für Gefühle sind da bei uns abgegangen – eigentlich ist es Ausnahmezustand, permanenter Ausnahmezustand. Und das haben wir dann natürlich auch versucht, in den Romeo und Julia-Liedern rüberzubringen – also, da sind natürlich viele Balladen auch dabei, aber es ist auch ein Lied dabei, wo Julia ganz glücklich ist, weil sie glaubt, alles haut hin. Und das Lied heißt 'High'."
Inspiriert von Baz Luhrmanns Verfilmung
Die flotte Musik, die modernen, teils etwas flippigen Songtexte von Peter Plate und Ulf Leo Sommer auf der einen, Shakespeares Bühnensprache auf der anderen Seite – keine ganz einfache Mischung für ein Musical, das ja auch Schauspielpassagen enthält. Bei dem Versuch, die beiden Seiten zueinander zu führen, hat Daniel Karasek sich als Regisseur zumindest teilweise inspirieren lassen von einer Hollywood-Verfilmung des Stoffs aus dem Jahr 1996.
"In gewisser Weise hat Pate gestanden der Baz Luhrmann-Film mit Di Caprio und Claire Danes, der ist ja auch eine modernisierte Fassung. Und dann haben Kerstin Daiber, meine Dramaturgin, und ich halt gesagt, dann müssen wir auch irgendwie es sprachlich mitziehen, also dann müssen wir es sozusagen auch nach heute holen und neu machen, so dass man der Arbeit insgesamt einen gemeinsamen Atem anmerken muss."
Shakespeare neu übersetzen – da muss man schon ein gewisses Selbstbewusstsein mitbringen, wenn man sich da ran wagt. Daniel Karasek und seine Dramaturgin hatten dieses Selbstbewusstsein – nicht von Anfang an vielleicht, aber sie haben sich durchgebissen.
"Am Anfang haben wir gedacht, wir sind einfach wahnsinnig und nicht ganz richtig im Kopf – und dann hat es uns einfach rasenden Spaß gemacht. Es ist natürlich … viele Stellen sind nicht einfach, weil – die sind tausend…, geradezu übertrieben jetzt, tausendfach, aber auch schon kongenial übersetzt – aber ich glaube, wir müssen uns nicht schämen, wir haben glaube ich eine schöne Übersetzung gemacht."
Die Sprache sanft modernisiert
Karasek bleibt recht nah an Shakespeares Sprache, kürzt und modernisiert behutsam – das wirkt ganz stimmig, auch in der Szene, in der die verzweifelte Julia von Pater Lorenzo das Betäubungsmittel erhält, mit dem sie ihren Tod vortäuschen und so die aufgezwungene Hochzeit mit Graf Paris verhindern will.
"Willst du es wirklich – dann weiß ich wie. / Ich tue, was du willst und habe keine Angst, solange ich Romeos Frau bleiben darf. / Geh‘ nach Hause, sei fröhlich, stimme der Hochzeit mit Paris zu. Morgen ist Mittwoch, schlaf diese Nacht allein, auch die Amme schickst du fort. Sobald du dich hinlegst, nimmst du das hier. Trinkst den Saft bis auf den letzten Tropfen. Und augenblicklich spürst du in deinem Blut, wie der Schlaf sich kalt und matt in dir verbreitet – du erkaltest, kein Atemzug verrät mehr, dass du lebst!"
Nebenrolle für Ministerpräsident Torsten Albig
Nach dieser Szene knattert übrigens Pater Lorenzo auf einer fetten Harley Davidson davon. An anderer Stelle fahren die Akteure in modernen Mittelklasse-Limousinen vor, die Kommunikation im Musical läuft – ganz zeitgemäß – überwiegend via Email und Handy, die Zuschauer werden mit Fernsehnachrichten – eingespielt als Videoclips auf Großleinwände – über die neuesten Entwicklungen informiert. In einem dieser Clips übernimmt sogar der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig eine Nebenrolle: Als Fürst Escalus von Verona klettert er vor der Staatskanzlei aus seinem Dienstwagen und stellt sich einer ganzen Schar von Fotografen und Kamerateams.
"Folgendes Urteil gebe ich bekannt: Romeo Montague wird aus der Stadt verbannt. Euren Hass bin ich endgültig leid, in meinem Blut kocht euer sinnlos Streit."
Modern, in unsere Zeit geholt – und doch Shakespeares "Romeo und Julia". Am Ende wird es dann, wie könnte es auch anders sein, wieder richtig schön tragisch-romantisch. Es drängt sich der Verdacht auf, dass selbst Peter Plate in der Schlussszene mit der sterbenden Julia an der Seite des toten Romeo sich die eine oder andere Träne nicht verkneifen kann.
"Das letzte Lied – das heißt „Vergiss mich nie“ – das ist glaube ich mein absolutes Lieblingslied, ja. Natürlich ist das auch kitschig und hat Pathos, aber ich finde es gut!
"Vergiss mich nie, vergiss mich nie, mein Freund. Wenn du an mich denkst, mir dieses Lied schenkst, dann steht der Himmel ganz kurz still."