Kicken mit Krebs

Von Silke Lahmann-Lammert · 27.08.2007
Geglücktes Debüt: Der Film "Eine andere Liga" der deutsch-türkischen Regisseurin Buket Alakus gefiel den Programmplanern des ZDF so gut, dass sie ihn zur Primetime bringen. Im Mittelpunkt steht ein fußballbegeistertes Mädchens, das durch eine schwere Krankheit aus der Bahn geworfen wird und sein Leben neu ordnen muss.
Fußball ist Hayats Leidenschaft. Die Deutschtürkin kickt beim Eliteclub "Elbe 01" und hofft auf eine große Karriere. Bis zu dem Tag, an dem sie erfährt, dass sie Krebs hat. Der Tumor wird entfernt - und mit ihm ihre rechte Brust. Ein paar Tage nach der Entlassung steht Hayat wieder auf dem Spielfeld:

Trainerin: "Hayat! Was machst du denn hier?"
Hayat: "Tach Trainerin!"
Trainerin: "Dein Vater hat dich abgemeldet ..."
Hayat: "Dann meld ich mich wieder an."
Trainerin: "Tut mir leid."
Hayat: "Aber ich will spielen, ich muss spielen!"
Trainerin: "Kann ich nicht verantworten."

Ihr Vater, der Hayat nach dem Tod seiner türkischen Frau allein großgezogen hat, liebt seine Tochter über alles. Um so schwerer fällt es ihm zu akzeptieren, dass sie - mit 18 - selbst für ihr Leben verantwortlich ist.

Hayat: "Warum hast du mich abgemeldet?"
Vater: "Ja, glaubst du, ich mach das aus Spaß? Ich will, dass du gesund wirst, Hayat."

Heimlich sucht Hayat sich einen neuen Verein und landet bei der bunt zusammengewürfelten Truppe "FC Schanze". Trainer Toni beschränkt sich darauf, im Campingstuhl am Spielfeldrand Dosenbier zu trinken und frauenfeindliche Sprüche zu klopfen. Von Hayat kriegt er Kontra:

Hayat: "Wartest du, dass deine Stammkneipe öffnet?"
Toni: "Hab Hausverbot."
Hayat: "Und wo wohnst du dann jetzt?"
Toni: "Du musst nicht sauer sein: Beim ersten Kennenlernen frag ich nie nach der Telefonnummer..."

... ein gezielter Schuss und Hayats Ball trifft Toni hart am Kopf.

Toni: "Verflucht! Verdammt! ... Das war der erste gute Schuss, den ich hier in drei Wochen gesehen habe!"

Von Hayat angestachelt, entpuppt Toni sich als talentierter Trainer. Rasant und reich an Slapstick inszeniert Buket Alakus die Verwandlung des Chaotenteams in eine Fußballmannschaft, vor der die Gegnerinnen sich fürchten. Die deutschtürkische Regisseurin hofft, dass ihr Film mit dem Vorurteil aufräumt, muslimische Frauen hätten am Kicken kein Interesse.

"Es gibt halt so Klischees über türkische Frauen, die Kopftuch tragen und drei Schritte hinterm Mann gehen und so. Aber es gibt auch die andere Seite. Eine meiner Tanten ist halt Extremfußballfan. Die haben die Küche aufgeteilt in zwei Fußballmannschaften sozusagen. Die eine Seite - übersetzt auf Hamburg - ist HSV und die andere St. Pauli. Und mein Onkel und meine Tante haben da immer sehr viele fachmännische Diskussionen."

Diskussionen, die manchmal damit enden, dass der Onkel kein Abendessen bekommt. Die Leidenschaft ihrer Tante brachte Buket Alakus auf die Idee, eine Geschichte über Fußball zu erzählen. Aber in ihrem Film geht es nicht nur ums Kicken, sondern auch um Hayats Krankheit und ihre Probleme mit ihrer weiblichen Identität. Seit der OP - gesteht sie einer Freundin - fühlt sie sich wieder wie ein kleines Mädchen, dass sich vor Jungen fürchtet. Und vor dem Sex.

Hayat: "Mir geht's wie so 'nem Marathonläufer, dem man am Ziel sagt: Du musst die ganze Strecke noch mal laufen, mit einem Bein!"

Als Toni sich in sie verliebt, wehrt Hayat seine Annäherungsversuche aus Angst vor seiner Reaktion auf ihre vernarbte Brust ab: Aber der Trainer - gespielt von Ken Duken - ist erstaunlich hartnäckig.

Toni: "Geh mit mir aus, geh mit mir aus. Geh mit mir aus."

Mit Bravour bewältigt Buket Alakus die schwierige Gratwanderung zwischen Komödie und Drama. "Eine andere Liga" ist ein erfrischender, manchmal brüllend komischer, aber auch berührender und tieftrauriger Film.

Alakus: "Ich finde: Das Extremste auf der Welt ist der Tod. Aber es ist etwas, das gehört zum Leben und man kommt nicht dran vorbei. Also ich glaube an die Hoffnung und ich glaube an den Mut und ich glaube an die hellen Farben. Genauso wie ich es reizvoll finde, den Tod zu thematisieren oder immer wieder daran rumzugraben und verstehen zu wollen, was das bedeutet, ist auch die helle Seite da."

Ganz beiläufig erzählt der Film auch noch die Geschichte eines Mädchens, das - mit seinem deutschen Vater und der türkischen Mutter - zwischen zwei Kulturen großgeworden ist. Ohne den Migrationshintergrund zu problematisieren:

"Das ist eben 'ne Art von Ankommen an einem bestimmten Punkt in der Gesellschaft. Also, dass man nicht sich verstricken muss in Identitätspolitik, sondern dass man sagen kann: Ja, ich geb meiner Figur diesen Hintergrund."

- findet ZDF-Redakteur Burkhard Althoff. Er hat sich dafür stark gemacht, dass "Eine andere Liga" zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr läuft. Für Buket Alakus eine Chance, dass auch Leute ihren Film sehen, die sich zufällig ins Programm switchen:

"Ich würde mir es natürlich wünschen, dass sie gefesselt dran bleiben. Und das kann einfach im Fernsehen einem eher passieren. Das man Gäste empfängt, die eigentlich einen sonst nie besuchen würden!"